Anfang des 19. Jahrhunderts erfand der Franzose Louis Braille eine tastbare Punktschrift und schuf damit eine wichtige Voraussetzung, dass blinde und sehbehinderte Menschen Zugang zu Bildung bekommen.
In dieser Sendung von barrierefrei aufgerollt widmen wir uns daher dem Thema Braille-Schrift. Wie genau funktioniert sie und warum ist sie für Menschen mit Sehbehinderung auch in Zeiten von Hörbüchern und Sprachausgaben unverzichtbar?
Antworten auf diese Fragen gibt Erich Schmid. Er ist Vorstand der Österreichischen Braille-Schrift Kommission.
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Interessante Links:
- Österreichischer Blinden- und Sehbehindertenverband
- LEGO-Steine mit Brailleschrift kostenlos für Leseanfängerinnen und Leseanfänger
- Artikel zum Braille-Schrift-Tag
- Sendung mit der Maus Beitrag über Blindenschrift
- Wikipedia Louis Braille
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Wien: Auf Radio ORANGE 94.0 am 4. September 2022 um 10:30 Uhr. Die Sendung kann auch auf o94.at live gehört werden. Die Wiederholung gibt es am 18.September 2022 um 10:30 Uhr.
St. Pölten: Im campus & city Radio am 8. September 2022 um 17 Uhr. Die Sendung kann auf cr944.at live gehört werden.
Graz: Im Radio Helsinki am 2. September 2022 um 17 Uhr. Die Sendung kann auch auf helsinki.at live gehört werden.
Salzburg: Auf Radiofabrik am 12. September 2022 um 18 Uhr. Die Sendung kann auch auf radiofabrik.at live gehört werden.
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Die Sendung zum Nachlesen
[Musik mit Text: barrierefrei aufgerollt – kurz, kompakt und leicht verständlich.]
Katharina Müllebner: Herzlich willkommen zu einem neuen Beitrag von barrierefrei aufgerollt, der Sendung von BIZEPS – Zentrum für Selbstbestimmtes Leben. Es begrüßt Sie Katharina Müllebener.
In der heutigen Sendung geht es um die Schrift, die blinden und sehbehinderten Menschen ermöglicht, zu lesen. Die sogenannte Brailleschrift ist nach dem Franzosen Louis Braille benannt. Louis Braille wurde 1809 in der Nähe von Paris geboren. Nach einem Unfall als Kleinkind verlor Braille sein Augenlicht.
Louis Braille war immer wissbegierig. 1819, besuchte er die Blindenschule von Valentin Haüy, der seinerseits eine Methode entwickelt hatte, um Noten und Buchstaben für Menschen mit Sehbehinderungen erfahrbar zu machen. Er entwickelte tastbare Noten und Buchstaben. Braille war mit diesem System nicht zufrieden und entwickelte schließlich seine eigene Blindenschrift, die auf einem Sechs Punkte-System beruht. Später erfand er auch eine ebenfalls auf sechs Punkten basierende Notenschrift.
Mit der Erfindung der Brailleschrift schaffte Louis Braille die Voraussetzung dafür, dass blinde und sehbehinderte Menschen den Zugang zu Büchern und Noten bekommen.
In der heutigen Sendung wollen wir erfahren, wie die Brailleschrift genau funktioniert, ob sie heute noch verbreitet ist und welchen Einfluss die moderne Technik auf ihre Verbreitung und ihre Weiterentwicklung hat.
Unser Gast ist Erich Schmid. Er ist der Vorstand der Österreichischen Brailleschrift Kommission, die sich für die Weiterentwicklung der Brailleschrift einsetzt.
Herr Schmid, ich beginne mal gleich, was macht diese Kommission eigentlich?
Erich Schmid: Die Brailleschrift Kommission Österreichs prüft die Entwicklungen bezüglich der Brailleschrift. Wichtig ist aber dabei, dass wir ganz eng mit den Kommissionen aus Deutschland und der Schweiz zusammenarbeiten.
Als Vorsitzender der Österreichischen Brailleschrift Kommission bin ich dort der Vertreter Österreichs in diesem Brailleschrift Komitee der deutschsprachigen Länder. Also wir machen in Österreich das, was dieses Komitee uns bittet, durchzuführen oder zu prüfen. Und das können ganz unterschiedliche Dinge sein. Aber das Wichtigste ist, die Entwicklungen auf dem sozusagen Markt der Schriften zu beobachten.
Zum Beispiel vor vielen Jahren kam irgendwann einmal der Klammeraffe für das Internet und damals gab es für die Brailleschrift noch kein Zeichen dafür. Also mussten wir schauen, was könnte sich eignen? Und wir haben dann eben ein Zeichen entwickelt dafür.
Katharina Müllebner: Also, Sie sind auch für die Weiterentwicklung der Schrift zuständig?
Erich Schmid: Ja, eigentlich kann man sagen, hauptsächlich für die Weiterentwicklung, die sich eben durch die Beobachtung der Entwicklungen ergibt. Also es gibt immer wieder Zusätze, es kommen immer wieder neue Zeichen auf den Markt, zum Beispiel jetzt das Gendern.
Der Doppelpunkt ist in letzter Zeit ein Zeichen, das sehr stark steigt. Mitten im Wort einen Doppelpunkt zu schreiben ist für Braille-Leser ungewohnt. Wie lösen wir diese Dinge? Noch dazu gibt es ja in der Brailleschrift drei verschiedene Schriftsysteme, kann man sagen, die sich im Grad der Kürze unterscheiden.
Die Basisschrift. Da wird alles eins zu eins ausgeschrieben, die sogenannte Vollschrift oder Grad 1. Da werden laut Gruppen Kürzungen wie au, eu, ei, sch, ch und so weiter, gekürzt.
Und die Kurzschrift, die sehr viele Kürzungen hat, unter anderem auch den Doppelpunkt, der bedeutet mitten im Wort, das AL-Zeichen. Also wenn ich bald schreibe in Kurzschrift, dann schreibe ich B Doppelpunkt. D. Gut, das wird sich beim Gendern noch nicht so wirklich auswirken. Aber es gibt Fälle, wo es dann eine Verwechslung gibt und da muss man eine Lösung finden.
Katharina Müllebner: Gibt es da schon eine Lösung für den Gender-Bereich? Haben Sie da schon etwas gefunden?
Erich Schmid: Ja, natürlich. Musste ja sein. Das ist jetzt nur das Beispiel des Doppelpunkts. Auch das Sternchen ist ein Satzzeichen. Und das Sternchen bedeutet in der Kurzschrift, das IN-Zeichen. Aber zum Glück haben wir in der Kurzschrift ein sogenanntes Auflösungszeichen.
Das bedeutet, hier wird die Bedeutung des Zeichens in der Kurzschrift aufgehoben. Und sowohl vor dem Doppelpunkt wie auch vor dem Sternchen machen wir jetzt diesen sogenannten Auflösungspunkt oder Aufhebungspunkt. Und damit hat das Zeichen seine ursprüngliche Bedeutung wieder zurückbekommen.
Katharina Müllebner: Kommen wir zum Kern der Frage: Was ist eigentlich Brailleschrift? Wie würden Sie das Außenstehenden beschreiben, die noch nie davon gehört haben?
Erich Schmid: Also am besten stellt man sich einen heutigen Spielwürfel vor und dreht den so, dass der Sechser nach oben zeigt. Dann dreht man den Würfel auch so, also um seine eigene Achse, dass – um die senkrechte Achse – dass links drei Punkte sind und rechts drei Punkte.
Man könnte also auch sagen, es sind zwei Spalten zu je drei Punkten. Und je nachdem, welche Punkte in diesem Raster von sechs möglichen Punkten gesetzt sind, das ergibt dann den jeweiligen Buchstaben oder das jeweilige Zeichen oder den jeweiligen Teil eines Zeichens.
Ertastet wird das Zeichen mit den Fingern, besonders mit der Fingerkuppe, also mit dem unteren Teil des ersten Fingergliedes. Das hat einen guten Grund, denn der Finger ist dort am sensibelsten und der Mensch kann sich, hat uns die Verhaltenspsychologie und Gestaltpsychologie gelehrt, maximal sieben Eindrücke gleichzeitig empfangen. Das heißt, da ist das Sechs Punkt-System gerade gut genug.
Und beim Lesen fährt man von links nach rechts im Deutschen, überhaupt in Europa, aber natürlich im Japanischen oder im Hebräischen ganz anders. Der Finger fährt einfach von links nach rechts über die Buchstaben.
Viele der Leser verwenden beide Hände, sodass eine Hand vorfährt. Und während die andere Hand dann, die linke Hand zum Beispiel, dann den Beginn der neuen Zeile sucht, liest die rechte Hand das Ende dieser Zeile. Fertig. Und so ergibt sich doch ein einigermaßen rasches Lesen.
Katharina Müllebner: Sie haben schon ein bisschen gesagt Louis Braille hat das Anfang des 19. Jahrhunderts eingeführt, und seither hat es sich weiterentwickelt, oder?
Erich Schmid: Ja, das hat sich weiterentwickelt. Je nach dem Bedarf der einzelnen Sprachen oder nach dem Bedarf innerhalb der Sprachen. Also zum Beispiel ein lustiges Beispiel das W, der Buchstabe W, der steht außerhalb der Systematik. Also innerhalb dieser 63 Zeichen gibt es auch eine Systematik. Aber das W, das fällt heraus.
Warum? Zurzeit des Louis Braille im 19 Jahrhundert hat es im Französischen das W einfach nicht gegeben.
Katharina Müllebner: Interessant. Also, es gibt, Sie haben schon gesagt, es gibt länderspezifische Brailleschrift. Haben die Franzosen eine andere Brailleschrift wie wir oder haben die die gleiche? W zum Beispiel.
Erich Schmid: Es gibt eine große gemeinsame Schnittmenge, wie der Mathematiker sich ausdrücken würde. Das heißt, die Buchstaben, die keine Probleme machen, die sind gleich. Das gilt übrigens für das ganze lateinische Alphabet, auch für das Arabische, auch für das Kyrillische.
Also ein A, das gibt es im lateinischen Alphabet, im Arabischen, im Kyrillischen. Das hat überall den Punkt links oben. Nur dort, wo Abweichungen benötigt werden, wie zum Beispiel im Französischen ein A mit einem Accent grave, dann muss eben hier ein zusätzliches Zeichen gefunden werden.
Katharina Müllebner: Sie haben jetzt gesagt, wie wichtig Braille ist. Wie wichtig ist Braille eigentlich für die Bildung und für die gesellschaftliche Inklusion?
Erich Schmid: Braille ist heute immer noch ganz, ganz, ganz wichtig für die Bildung und Inklusion. Kann nur wirklich gut erfolgen, wenn auch ein gewisser Grad an Bildung, je nach den Fähigkeiten der einzelnen Person, vorhanden ist. Also gerade im schulischen Bereich. Und ich weiß, wovon ich rede, da ich über 40 Jahre Lehrer war.
Natürlich lässt sich vieles heute mit dem Computer oder mit dem Smartphone machen, aber schon ein Lückentext, der ausgefüllt werden muss. Das ist mit dem Smartphone, mit Sprachausgabe nicht wirklich einfach.
Und ein Gedicht, das ich mir mit einer synthetischen Sprache vorlesen lasse, das wirkt für mich nicht so, als wenn ich mich am Abend in der kühlen Nachtluft ans Fenster stelle und mit dem Finger ein schönes Gedicht lese. Laut oder leise. Also es hat auch etwas/ sozusagen das Haptische hat auch etwas Körperliches an sich.
Die Sprache, die Sprachausgabe ist wichtig und gut, aber einfach durch das Drüberfahren mit dem Finger ist es ganz anders. Ich bin zum Beispiel absolut kein akustischer Mensch.
Also bei mir hilft Sprachausgabe nicht sehr, aber wenn ich für eine Prüfung lerne, dann habe ich, obwohl ich voll blind bin, das optische Bild, so wie ich mir diesen Merkstoff aufgeschrieben habe oder wie ich ihn bekommen habe, habe ich vor mir.
Das kann nur mit der Brailleschrift möglich sein, und zwar mit der Brailleschrift auf Papier. Das geht auch nicht mit Computer und Braille-Zeile. Da brauche ich das Papier.
Katharina Müllebner: Wenn das so wichtig ist, wie Sie sagen, was auch sehr einleuchtend ist, kann denn jeder Mensch mit einer Sehbehinderung oder einer Erblindung die Brailleschrift lesen? Wie ist die Verbreitung da?
Erich Schmid: Ja, leider natürlich nicht so hoch, wie ich mir oder wie viele sich das wünschen. Das ist auch klar, wenn man bedenkt, dass 60 Prozent aller blinden und sehbehinderten Menschen über 60 Jahre alt sind. Also das kann man sich leicht merken.
Und da sozusagen die Motivation aufzubringen, Brailleschrift zu lernen, das ist eben nicht ganz einfach. Und es ist auch für jemanden, der langsam erblindet, schwierig, sich zu sagen: So, jetzt kann ich nicht mehr optisch lesen.
Jetzt muss ich mir ein anderes System finden, wo ich alles das, was ich früher konnte, die Geschwindigkeit beim Lesen verändern, den Genuss einfach über ein Blatt Papier in der Hand zu halten. Wenn ich das alles wieder möchte, dann bleibt eigentlich nur die Brailleschrift. Nur, das ist eben eine gewaltige Frage der Motivation.
Katharina Müllebner: Würden Sie sich eine bessere Verbreitung wünschen der Brailleschrift? Eine bessere Bekanntheit?
Erich Schmid: Ja, auf jeden Fall eine bessere Bekanntheit. Vor allem scheuen leider Menschen, die älter sind, sehr häufig das Erlernen der Brailleschrift. Man muss schon sagen, es ist nicht ganz einfach, den Tastsinn weiter zu verfeinern. Aber die Brailleschrift hilft enorm, also zum Beispiel im Haushalt, bei der Beschriftung von, sagen wir jetzt, Gewürzdosen oder bei der Markierung von Haushaltsgeräten.
Also es gibt sehr, sehr viele Ansätze und vor allem eines: Sie ermöglicht/ die Brailleschrift, ermöglicht den Zugang zu Bildung. Und das ist etwas ganz, ganz Wichtiges, das gerade blinden Menschen seit 200 Jahren enorm geholfen hat.
Katharina Müllebner: Wo wird Brailleschrift im Alltag überall eingesetzt? Man kennt diese riesigen Bücher, aber wo gibt es es noch?
Erich Schmid: Ja, die Bücher waren natürlich was ganz Wertvolles. Sind aber schon langsam im Zurückgehen, weil natürlich die Technik auch andere Möglichkeiten bietet.
Da ist vor allem der Computer zu erwähnen und hier vor allem die Braille-Zeile. Das ist eine Leiste, wo von unten die Punkte hochkommen und eine Zeile des Bildschirms darstellen. Das ist nicht ganz einfach und technisch relativ aufwendig. Daher sind diese Geräte auch teuer, aber es ermöglicht doch den Zugang zum Bildschirm.
Übrigens in allen gängigen Betriebssystemen, Windows und Mac und ja, auch die Handy-Betriebssysteme haben/ An die Smartphones kann man auch Braille-Zeilen anschließen. Dieses System aber hat eine Erweiterung erfahren von sechs auf acht Punkt.
Aber das ist nicht alles im Alltag. Es ist ganz wichtig, dass Beschriftungen im öffentlichen Raum vorhanden sind, zum Beispiel bei Liften, also wo angegeben ist, wie man drücken muss, damit man in welches Stockwerk kommt oder auf Bahnhöfen, wo die Gleise beschriftet werden.
Am Handlauf entlang sind manchmal so Tafeln angebracht in Brailleschrift oder bei Medikamenten-Verpackungen, wo die Namen der Medikamente und die Menge angegeben sind. Das ist ganz wichtig natürlich für die Gesundheit.
Und so gibt es verschiedenste Dinge, auch ein bisschen ausgefallene, zum Beispiel T-Shirts mit Braille-Beschriftung, Wein-Etiketten mit Braille-Beschriftung und so weiter. Also die Brailleschrift wird manchmal auch als Zierelement eingesetzt. Perlen, die nach dem Besticken ein Brailleschrift-Muster ergeben, also die Brailleschrift ist nicht im Verschwinden.
Manche glauben, jetzt haben wir die Computer-Sprachausgabe, da kann ich eh alles hören. Na ja, bei der Unterscheidung von Groß- und Kleinbuchstaben wird es schon wieder ein bisschen schwieriger. Aber die Brailleschrift ist anders. Sie wird heute anders genutzt als vor 200 Jahren.
Katharina Müllebner: Sie haben selber schon die technische Entwicklung angesprochen. Welchen Einfluss haben zum Beispiel die Sprachausgabe oder andere technische Entwicklungen auf die Verbreitung (00:20:00) der Brailleschrift?
Erich Schmid: Die Sprachausgabe ist wichtig und ich verwende sie auch täglich und sehr viel. Nämlich dann, wenn man schnell etwas lesen möchte, also Schnellzugang zu Inhalten haben möchte. Also zum Beispiel bei E-Mails lasse ich mir lieber mit der Sprachausgabe den Betreff vorlesen und entscheide dann sofort: Lese ich da jetzt dann weiter oder lösche ich? Also das ist schon eine wichtige Entwicklung.
Aber ich habe Germanistik studiert und da musste ich mich natürlich auch mit Mittelhochdeutsch und Althochdeutsch und vergleichenden anderen Sprachen beschäftigen. Da würde sich eine Sprachausgabe sehr schwertun. Also für Mittelhochdeutsch ist mir noch keine untergekommen.
Also es gibt immer noch Bereiche, wo die Brailleschrift sehr, sehr wichtig ist. Ich habe an der Schule Textverarbeitung unterrichtet und wenn ich Texte sehr genau korrigieren muss, dann ist es natürlich auch gut, wenn man den Text sozusagen schriftlich unter den Fingern hat.
Katharina Müllebner: Warum ist Brailleschrift für blinde Menschen so wichtig? Warum ist es wichtig, dass das nicht in Vergessenheit gerät?
Erich Schmid: Brailleschrift beinhaltet erstens einmal eine große Tradition der Bildung. Also seit Mitte des 19. Jahrhunderts sind einfach Bücher in Brailleschrift produziert worden, und die gibt es teilweise heute noch.
Also ich habe vor kurzem zum Beispiel hineingelesen. Ich bin an dem Thema nicht so interessiert, aber an unserer Druckerei, am Blindeninstitut in Wien, haben wir ein Buch, geschrieben von ihrer Kammerzofe. Das heißt, Die letzten Jahre der Kaiserin Sissi. Ich weiß gar nicht, ob es das noch in sogenannter Normalschrift oder Schwarzschrift gibt, aber in Brailleschrift gibt es dieses Buch noch. Und es ist doch interessant, so etwas auch zu lesen oder da hinein zu schmökern. Das ist eines.
Und das zweite ist: Die vielen Schriften, die es in der Brailleschrift gibt. Man könnte sagen, das ist ein Nachteil. Aber es geht eben mit den 63 Punkt Kombinationen nicht anders. Also es gibt so viele Dinge, die in der Brailleschrift konserviert sind. Zum Beispiel gibt es eine eigene Schachschrift. Ich kann also heute Schachpartien – von Blinden hauptsächlich natürlich, die anderen kriegt man eh ins Schachdatenbanken. Aber ich kann heute Schachpartien blinder ehemaliger Schachspieler nachspielen, weil sie eben in Brailleschrift aufgezeichnet wurden bei Turnieren.
Oder für das Handarbeiten wurde eine eigene Strickschrift entwickelt. Die wollen wir übrigens jetzt wieder bei diesem Brailleschrift Komitee der deutschsprachigen Länder neu herausgeben. Und so kann man sich auch dann vorstellen oder kann man Leute ermutigen, wieder diese alten Techniken zu verwenden oder auch natürlich, sich aus den heutigen Zeitschriften oder so in Brailleschrift sehr rasch Dinge aufschreiben zu können.
Und das dritte: Entschuldigen Sie meine lange Antwort, aber das dritte ganz wichtig: Sich auch unterwegs Notizen machen zu können. Also natürlich gibt es immer den MP3 Player mit Aufnahmefunktion. Was ist aber, wenn die Batterien ausfallen oder der Akku leer wird? Es gibt eine sogenannte Brailleschrift-Tafel mit einem sogenannten Griffel. Den kann man ganz leicht in den Hosensack stecken, und ein Blatt Papier und hat sein Notizgerät immer dabei. Vor allem, wenn man für einen kleinen Vortrag oder für irgendetwas einen Teil der Notizen ablesen muss. Das geht mit einem MP3 Player nicht ganz so einfach, als wenn man mit dem Finger das dann vom Papier abliest.
Katharina Müllebner: Das wäre meine Folgefrage gewesen: Wie kann ich selber Brailleschrift schreiben, sich Notizen machen, was wir Sehenden mit der Schwarzschrift ja sehr schnell können. Wie machen Sie das?
Erich Schmid: Ja, ich habe verschiedene Techniken, Notizen zu machen. Sehr häufig ist es auch einfach das Smartphone heute, wo man sich etwas aufspricht.
Dann gibt es die sogenannte Braille-Tafel, die ich vorher schon erwähnt habe, den MP3 Spieler oder Audio Spieler. Auch da gibt es für Blinde ein sehr weit verbreitetes Format, das DAISY Format, wo man auch Sprungmarken und so weiter einbauen kann, damit man sich schnell zwischen seinen Notizen bewegen kann. Und dann gibt es noch die Braille-Schreibmaschine.
Oder – und das ist die letzte Form, die mir jetzt gerade einfällt – ich mache mir mit einem elektronischen Braille-Gerät Notizen. Das gibt es, dass Braille-Tastaturen mit Braille-Zeilen verbunden sind. Das sind sehr kleine, leichte Geräte heute. Und das ist eigentlich mein Hauptgerät, wo ich bei längeren Vorträgen und so weiter. immer mit schreibe. Das kann man dann noch einmal lesen oder am Computer abspeichern oder dann auf Papier ausdrucken. Also das ist einer der flexibelsten Dinge.
Katharina Müllebner: Hätten Sie zum Abschluss noch eine Botschaft, was Sie sich wünschen würden, oder …?
Erich Schmid: Ja, die Botschaft ist ganz einfach: Es gibt eine Zukunft der Brailleschrift und die Zukunft liegt bildlich gesprochen in unseren Fingern.
Katharina Müllebner: Sie sind ja der Experte, kennen sich bestimmt gut aus, mit technischen Hilfsmitteln auch. Was gibt es denn jetzt so Neuheiten auf dem Markt, die sehr hilfreich sind für die Brailleschrift-Erlernung oder für die Gruppierung?
Erich Schmid: Da fällt mir als erstes ein die Serie das Smartphones. Auch dort gibt es Brailleschrift-Kurse und die sind für spät Erblindete, die noch ein bisschen etwas sehen, auch ganz hilfreich, um einfach die Braille-Buchstaben zu üben. Apple ist hier sehr vorbildlich. Die machen in Amerika auch solche Braille Competitions. Und zusätzlich gibt es seit relativ kurzer Zeit auch eine Apple Smartwatch, die eine Braille-Ausgabe hat. Ich habe sie schon gesehen bei meinen Schülerinnen, aber ich habe sie noch nicht wirklich intensiv ausprobiert.
Katharina Müllebner: Danke Herr Schmid, für Ihr wunderbares und ausführliches Interview. Vielen Dank für Ihren Beitrag.
Erich Schmid: Gerne.
Katharina Müllebner: Das war unsere Sendung zum Thema Brailleschrift. Eine Schrift, die seit mehr als 200 Jahren existiert und immer noch wichtig ist. Heute hat sie sich den Anforderungen und den Entwicklungen unserer Sprache angepasst. Aber sie entwickelt sich auch ständig weiter. Satzzeichen und Begriffe müssen eingearbeitet werden. Wenn Sie mehr über das Thema Brailleschrift erfahren wollen, finden Sie wie üblich mehr Informationen auf unserer Internetseite www.barrierefrei-aufgerollt.at. Jetzt verabschiedet sich Ihr Redaktionsteam Katharina Mühlbauer, Markus Ladstätter und Martin Ladstätter.
[Musik mit Text: barrierefrei aufgerollt – kurz, kompakt und leicht verständlich.]