Ob im Kampfsport oder im Besteigen hoher Berge und ruhender Vulkane – der sehbehinderte Sportler Jörg von de Fenn sucht vor allem die Herausforderung, wenn es um Sport geht. Seine Geschichte zeigt, dass mit guter Vorbereitung und der richtigen Unterstützung vieles möglich ist.
Barrierefrei aufgerollt hat mit ihm über Kampfsport und Bergsteigen mit Sehbehinderung gesprochen.
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Interessante Links:
- Internetseite von Jörg von de Fenn
- Interview in REHACARE
- BIZEPS-Beitrag über Jörg von de Fenn und Inline-Skaten
- Kompetenzzentrum für Blinden- und Sehbehindertensport
- Österreichischer Behindertensportverband
- Barrierefrei aufgerollt Sendung: Tor! Wir spielen Fussball!
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Wien: Auf Radio ORANGE 94.0 am 2. Oktober 2022 um 10:30 Uhr. Die Sendung kann auch auf o94.at live gehört werden. Die Wiederholung gibt es am 16. Oktober 2022 um 10:30 Uhr.
St. Pölten: Im campus & city Radio am 2. Oktober 2022 um 17 Uhr. Die Sendung kann auf cr944.at live gehört werden.
Graz: Im Radio Helsinki am 21. Oktober 2022 um 17 Uhr. Die Sendung kann auch auf helsinki.at live gehört werden.
Salzburg: Auf Radiofabrik am 10. Oktober 2022 um 18 Uhr. Die Sendung kann auch auf radiofabrik.at live gehört werden.
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Die Sendung zum Nachlesen
[Musik mit Text: barrierefrei aufgerollt – kurz, kompakt und leicht verständlich.]
Katharina Müllebner: Herzlich willkommen bei barrierefrei aufgerollt, der Radiosendung von BIZEPS-Zentrum für Selbstbestimmtes Leben. Am Mikrofon begrüßt Sie Katharina Müllebner.
Für manche Menschen ist Sport mehr als ein bloßer Zeitvertreib. Sie suchen im Sport die Herausforderungen. Zu diesen Menschen gehört der sehbehinderte Jörg von de Fenn.
Er ist Bergsteiger, Kampfsportler und Inlineskater. Auch hohe Berge, wie der Großglockner, der Kilimandscharo oder ein ruhender Vulkan schrecken Jörg von de Fenn nicht ab. barrierefrei aufgerollt hat mit ihm gesprochen und ihn unter anderem gefragt, wie Bergsteigen denn mit einer Sehbehinderung funktioniert?
[Überleitungsmusik]
Wir begrüßen heute Herrn von de Fenn bei barrierefrei aufgerollt, er ist Bergsteiger, Kampfsportler. Er macht Selbstverteidigung und Inlineskaten, sucht also die Herausforderungen in seinem Leben. Herr von de Fenn, sportliche Herausforderungen gehören also zu Ihrem Leben? Welche der von Ihnen zahlreich ausgeübten Sportarten ist Ihnen denn die liebste?
Jörg von de Fenn: Die liebste, wenn ich kann, immer noch die Selbstverteidigung. Da kann ich mich richtig austoben. Leider habe ich im Moment keinen Verein.
Ich habe eine Zeit lang im Allgäu gewohnt. Da war ich ganz normal im Verein integriert und habe das da auch beim Jiu-Jitsu bis zum Orange-Gurt geschafft. Aber es ist äußerst schwierig, einen Verein zu finden, der einen nimmt, ja? Und da hakt es im Moment etwas.
Also bin ich im Moment im Fitnessstudio und beim Joggen. Und wenn ich Glück habe, am 30.7. jetzt, haben wir hier den City Run. Da wird dann gejoggt und Inliner. Und da habe ich vor/ also ich bin gemeldet für die zehn Kilometer Inliner-Laufen mit Begleitläufer.
Katharina Müllebner: Was fasziniert Sie denn an der Selbstverteidigung, weil Sie sagen, das wäre momentan Ihr liebstes?
Jörg von de Fenn: Austoben. Also beim Jiu-Jitsu ist so wie beim Judo und so, bei verschiedenen Kampfsportarten, dass man direkt am Mann ist, dass man weiß, wo man denjenigen gerade hat, also jetzt den linken, rechten Arm hat oder so und auch dass man, ja ein bisschen abreagieren, ein bisschen was dazulernen, die Prüfung machen und am Ball bleiben.
Bei dem, beim Gerät, bei den Kampfsportarten ist es so, wie ich gerade gesagt habe, dass man da dann direkt weiß, wie man den anderen vor sich hat auch, im Gegensatz zum Karate zum Beispiel oder so, wo es um die Abwehr geht. Da kann ich natürlich dann aufgrund meiner Blindheit nicht mithalten. Also bleibe ich bei den Kampfsportarten, wo ich direkt dann die Person vor mir habe.
Katharina Müllebner: Was muss eine Sportart generell haben, um Sie anzusprechen?
Jörg von de Fenn: Bitte?
Katharina Müllebner: Was muss eine Sportart so an sich haben, um Sie anzusprechen?
Jörg von de Fenn: Ja, ich sollte normal/ erstens sollte es mir natürlich Spaß machen und zum zweiten soll ich normal mit integriert sein, was für mich ganz wichtig ist und nicht irgendwo dann in der Ecke stehen und ab und zu mal angesprochen werden. Also ich sollte schon normal mitmachen dürfen.
Und dass es vorwärts geht auch, ja, wie jetzt beim Kampfsport, dass man ab und zu mal eine Prüfung ablegt oder beim Inliner-Fahren, dass man seine Distanz auch in der vorgegebenen Zeit schafft. Also es sollte auf jeden Fall funktionieren auch, also mit dem Bergsteigen ja genauso.
Da sind ja auch viele Leute davon ausgegangen, im Vorgang 2008, als ich das Ganze geplant habe für den Kilimandscharo. Dann hieß es, würde sowieso nicht klappen. Aber es ist ganz normal gelaufen. Ich habe einen Wanderkollegen aus dem Allgäu dabei. Und wir sind ganz normal mit der Truppe mitgelaufen wie die anderen auch.
Katharina Müllebner: Was begeistert Sie am Bergsteigen?
Jörg von de Fenn: Also erst bei den großen Touren, bei den drei 5000ern war es natürlich, die ganze Woche, fünf Tage am Berg zu sein und hatte auch natürlich die Herausforderung, den Gipfel zu schaffen, aber auch in der Gruppe ganz normal mit dabei zu sein und das ganze Erlebnis mitzumachen.
Was natürlich am Kilimandscharo mit das Beeindruckendste war, dass wir durch vier Klimazonen, durch den Urwald und danach immer höher. Das war schon ein Erlebnis für sich, ja.
Katharina Müllebner: Wie sind Sie eigentlich zum Bergsteigen gekommen? Was war Ihr erster Berg? Oder wann haben Sie sich gesagt, jetzt muss ich auf einen Berg raufsteigen. Gab es da so ein Erlebnis?
Jörg von de Fenn: Ja. Das war bei Ihnen in Österreich. Das war 1996, ja, da ist meine Diagnose/ also es hat fünf, sechs Jahre gedauert, bis man überhaupt herausgefunden hat, was ich für eine Augenerkrankung habe. Und bin dann 96 nach Osttirol, nach Kals.
Und da hat mich einer von den Bergführern angesprochen und hat gemeint, er hätte schon viele Leute auf den Großglockner gebracht, aber noch keinen Blinden. Und dann haben wir noch knappe drei Jahre gebraucht, also ich war regelmäßig da zum Wandern. Und haben dann 99 den Großglockner bestiegen. Und …
Katharina Müllebner: Also Sie haben sich richtig … Entschuldigung, jetzt habe ich Sie unterbrochen.
Jörg von de Fenn: Ja, mach bitte.
Katharina Müllebner: Jetzt haben Sie, Sie haben sich richtig auf dieses Bergsteigen vorbereitet? Wie bereitet man sich auf so was vor?
Jörg von de Fenn: Wir haben da viele Tour, also da hinaus Tirol, in Kals in der Umgebung, in Matrei und so weiter lässt es sich hervorragend wandern.
Wir konnten auch ohne weiteres bis auf 2.800, bis auf die Stüdlhütte und die Konditionen einfach und auch vor allen Dingen mit dem Boden erst mal üben auch, ja.
Da ist ja nicht wie auf dem normalen Asphalt, dass ich da auch ein bisschen anders laufe und auch mit der Begleitung. Und da bin ich dann bis zur Stüdlhütte hochgebracht, also begleitet worden. Und da hat dann der Bergführer übernommen aus Kals. Und von da aus war ich dann mit meinem Bergführer alleine unterwegs, zwei Tage dann oder eineinhalb, ja.
Katharina Müllebner: Bergsteigen, da muss man ja auch wissen, wo man hintreten muss oder manchmal muss man auch klettern und wissen, wo man hingreifen muss. Wie macht man das, wenn man eine Sehbehinderung hat?
Jörg von de Fenn: Bei den, bei Ihren Österreichischer-Kollegen ist das völlig unkompliziert. Die sagen einfach, wo man hingreift, wenn was zu greifen ist oder ich fühle auch. Ich bin ja auch in der Halle zum Klettern.
Da ist es zum Beispiel auch so, wenn da jetzt eine Wand ist mit vier bis sechs vom Schwierigkeitsgrad, ich nehme einfach das, was ich kriege. Und so ist es da am Fels genauso.
Und auch das zweite Mal, da habe ich die Blauspitze gemacht und dann hatte der andere Bergführer gesagt: Du warst auf dem Glockner, also was sollen wir hier lange rummachen?
Da gehen wir nicht den Normalweg oder Klettersteig. Dann klettern wir gleich hoch. Und der ist vorgestiegen, hat gesichert. Und ich bin dann nach. Und da hat er dann von oben auch geguckt, wo ich am besten greifen kann und hat mir die Griffe angesagt. Und so bin ich einfach nach/
Katharina Müllebner: Kann man das immer hören? Oder muss man da mit so einem Headset verbunden sein? Ist es nicht …
Jörg von de Fenn: Nein, der war nicht so weit weg. Der war vier, fünf Meter, war er vor mir. Also ich konnte ihn noch gut hören.
Katharina Müllebner: Sind Sie ange/
Jörg von de Fenn: Der hat es auch gut drauf.
Katharina Müllebner: Entschuldigung.
Jörg von de Fenn: Ja. Der hat es auch gut drauf gehabt, von oben runterzugucken und dann quasi ja spiegelverkehrt anzusagen. Also das hat auch alles hervorragend funktioniert. Ja.
Katharina Müllebner: Sind Sie an dem Bergführer festgemacht? Oder wie sind Sie gesichert?
Jörg von de Fenn: Ja, wir sind normal, genau, wir sind normal mit dem Seil aneinander gesichert. Also auf dem Großglockner und Blauspitze und so weiter waren wir miteinander gesichert und dann halt noch durch die Haken an der Wand, ja.
Katharina Müllebner: Und was braucht man für so einen Aufstieg? Also was muss man da alles beachten? Oder was muss man alles mitnehmen? Oder was muss da alles geplant werden?
Jörg von de Fenn: Die richtige Ausrüstung ist eigentlich, das habe ich an den, am Elbrus zum Beispiel in Russland gemerkt. Da waren dann auch Leute dabei, die da nicht die richtige Ausrüstung hatten und deswegen auch wieder rumdrehen mussten, ja und Ausdauer und ein bisschen Kraft, dass man die Wand hochkommt.
Aber sonst eigentlich nichts, ja.
Katharina Müllebner: Stichwort Ausrüstung, was braucht man für so eine Ausrüstung?
Jörg von de Fenn: Ja, je nachdem, was man macht, also jetzt bei dem Großglockner hatten wir ein Kletterseil dabei, da auch Steigeisen, feste Stiefel, Steigeisen, als wir über den Gletscher sind, den Helm und halt die vernünftige Oberbekleidung auch.
Seile und so weiter, Haken und den Gurt, den Sitzgurt, also den Klettergurt. Ja, das war es eigentlich soweit und der Bergführer, der Bescheid weiß, was er tut.
Katharina Müllebner: Wie lange muss man sich auf so eine Bergtour vorbereiten?
Jörg von de Fenn: Kommt darauf an, welche oder wie konditionell man darauf ist. Also auf die großen, auf die 5000er habe ich mich eigentlich gar nicht groß vorbereitet, weil ich eigentlich von der Kondition her ganz fit bin soweit.
Ich habe jetzt, weil ich noch gesagt habe, nächste Woche mit dem Lauf, soweit bin ich fit. Mir fehlt halt mein Begleitläufer. Das ist meistens das Problem. Das Problem ist nicht die Fitness, sondern die Begleitung, eine zu finden. Also es kommt immer darauf an, wie hoch man oder ja, wie hoch man, wie lange man unterwegs ist oder was man vor sich hat.
Katharina Müllebner: Was muss so ein Begleiter denn alles können, damit er mit Ihnen mit kann?
Jörg von de Fenn: Na, besser sehen als ich. Ja, ab und zu muss man über sich selber Scherze machen.
Wir zwei sind gut, also Kilimandscharo zum Beispiel, wir zwei sind super klargekommen, weil wir schon Wanderungen auch in Oberstdorf gemacht machen und einfach wie beim Inliner-Fahren auch, reden, wenn irgend jetzt was kommt, irgendwelche Unebenheiten oder beim Inliner-Fahren jetzt Gullydeckel kommen oder der Bodenbelag wechselt, wenn jetzt ein Kopfsteinpflaster kommt oder Bodenwellen oder so, dass man die, dass ich mich kurz darauf vorbereiten kann, ein bisschen in die Knie gehen kann oder so.
Und das ist beim Berg genau das Gleiche, bei den, beim Kilimandscharo, was normal ist. Da ging es halt in die Höhe. Und da musste ab und zu mal einem Felsbrocken ausgewichen werden. Also entweder habe ich hinter ihm, wenn der Weg zu schmal war, habe ich mich einfach hinten reingehängt am Rucksack, mit einem kurzen Seil oder einfach nur den Fingergurt oder wir sind nebeneinander gelaufen.
Aber wir zwei waren eigentlich, da brauchte man nicht viel sagen. Der hat schon gewusst, was ich brauche. Und dann ist das Ganze gelaufen, ja.
Also viele Leute stellen sich das immer schwieriger vor, als es eigentlich ist, ja. Wenn man selber früher gesehen hat und auch gerne gewandert ist und so weiter, dann ist es eigentlich normalerweise kein Problem, ja.
Ich merke das jetzt wieder beim Inliner Begleiten, die Leute sagen alle immer, die möchten die Verantwortung nicht übernehmen. Ich weiß nicht, welche Verantwortung, ja? Ich bin volljährig. Ich weiß, was ich tue und bin Herr meiner Sinne. Und ja, ich weiß es nicht.
Katharina Müllebner: Wie wählen Sie die Berge aus, auf die Sie steigen? Was muss der haben, die Herausforderung, oder?
Jörg von de Fenn: Ja, die Kombination eben, also Kilimandscharo hatte ich schon länger im Sinn. Und der Elbrus war gleich drei Monate später, weil sich das auch noch angeboten hatte mit einer anderen Expeditionsfirma.
Und dann bin ich aber auch für den Ararat bin ich angesprochen worden von der Kirchengemeinde in München, ob ich nicht Lust hätte mitzugehen.
Ja, so sind die ausgewählt worden und wie gesagt, der Großglockner, der ist mir quasi von dem Kaiser-Berg-Führer angeboten, vor die Füße gelegt worden, ob ich nicht Lust hätte, ja? Das war ein bis jetzt so, ja.
Und sonst habe ich da in Ihrem Land die 3000er so, Hauptsache laufen. Aber also wir sind meistens, wenn ich in Österreich bin, so zwischen sechs und acht Stunden am Tag am Laufen, also mit Brotzeit und allem drum und dran, ne? Muss ja mit eingeplant werden.
Katharina Müllebner: Wie viele Leute sind da so dabei? Sind das nur immer Sie und ein Begleiter oder ein ganzes Team?
Jörg von de Fenn: Nein, das waren immer ganz normale Expeditionsgruppen. Wir waren so zwischen, ich glaube, zwischen acht und zwölf Leuten, je nach Tour, ja?
Und da war ich aber der einzige Blinde dabei mit meinem Begleiter. Und das war eine ganz normale/ das war ganz normal über zwei Expeditionsfirmen hier in Deutschland. Die haben auch gesagt, ist kein Problem, solange ich meinen Begleiter mitbringe, ist es kein Problem. War eine ganz, nicht behinderte Gruppe. Und ich war, bin halt ganz normal mitgelaufen dann.
Katharina Müllebner: Kostet das auch was, so ein Aufstieg? Ist jetzt vielleicht eine blöde Frage. Aber entstehen für Sie dadurch Kosten, oder?
Jörg von de Fenn: Ja, das sind ja die normalen Expeditionskosten, also die jeder zahlt. Und ich zahle, ich muss für meinen Begleiter mit bezahlen. Also das ist mein Privatvergnügen. Also ich zahle quasi zweimal.
Ich habe jetzt in Russland, habe ich eine russische Bergführerin eine Woche an meiner Seite gehabt. Und jetzt am Kilimandscharo und am Ararak, kann ich die Begleiter, die habe ich selber privat zahlen müssen. Die haben die gleichen Kosten gehabt wie ich auch. Da gab es keine Ermäßigung oder irgendwas. Da habe ich doppelt zahlen müssen.
Katharina Müllebner: Wie viel kostet so was ungefähr?
Jörg von de Fenn: Der Kilimandscharo war, glaube ich, pro Nase 3000. Der Elbrus in Russland waren so um die 2000 pro Nase, ja.
Ich hatte noch Glück, dass ich zu der Zeit auch von verschiedenen Firmen mal so Schuhe, Oberbekleidung und so weiter gesponsert wurde. Da habe ich dann schon einiges einsparen können. Und habe es dann dadurch dann auch wieder ein bisschen gutmachen können, also wieder einigermaßen reingekriegt.
Katharina Müllebner: Was sind die wichtigsten Tipps, die Sie als erfahrener Bergsteiger weitergeben würden an zukünftige Bergsteiger?
Jörg von de Fenn: Die wichtigsten? Ja, was ich eben schon gesagt habe, also wenn ich 3000 Euro für eine Expedition ausgebe, dann kann ich auch ein paar mehr Euro für ein paar vernünftige Socken ausgeben oder ein paar vernünftige Stöcke, also auf jeden Fall die Ausrüstung und halt den vernünftigen Begleiter dabei, was auch schon viel ausmacht.
Katharina Müllebner: Haben Sie aktuell noch irgendeine Bergtour geplant?
Jörg von de Fenn: Nein, ich wünsche mir noch Österreich, aber zum Wandern, aber keine größere Tour im Moment, nein.
Dafür, ja, ist im Moment mit den Begleitern schlecht. Und die, die man findet oder die, die sich zur Verfügung stellen, die wollen dann, abgesehen davon, dass man die Tour bezahlt, auch noch mal richtig extra Geld haben.
Also da müsste man auch wieder jemanden finden, der sagt, okay, ich gehe mit dir, weil ich Spaß daran habe.
Aber ja, es ist mittlerweile auch zum Geschäft verkommen, weil viele auch, das Beispiel haben wir hier auch, wenn es alleine nur, wenn es um das Einkaufen geht, da wird dann gleich gefragt, was man verdienen kann, weil sie ja wissen, dass ich darauf angewiesen bin. Ja, das ist schon zum Geschäft geworden die letzten Jahre.
Katharina Müllebner: Also es wird ein teureres Vergnügen. Es ist jetzt nicht mehr so von gegenseitiger Leidenschaft, sondern von Geld auch?
Jörg von de Fenn: Ja, genau. Ja, ja.
Katharina Müllebner: Ich wollte jetzt zu einem Ihrer nächsten Steckenpferde kommen, den Kampfsport.
Jörg von de Fenn: Ja.
Katharina Müllebner: Warum ist selbst/ also Sie haben auch den Aspekt der Selbstverteidigung dabei. Warum ist Selbstverteidigung für Menschen mit Behinderungen wichtig?
Jörg von de Fenn: Man könnte sie mal brauchen. Ich habe zum Glück, ich bin jetzt seit 30 Jahren blind. Und ich habe es noch nicht gebraucht.
Aber mittlerweile reagiere ich dann auch etwas, ja, ich weiß nicht, wie ich das ausdrücken soll, aber es interessiert einige Leute nicht.
Die sehen auch, kommen von vorne, sehen meinen weißen Langstock und meinen dann trotzdem, sie müssten mit mir ein bisschen Eishockey spielen und Bodycheck und mich dann zur Seite schubsen. Und dann schubse ich mittlerweile auch gerne mal zurück.
Und dann hat sich die Sache auch erledigt, weil die dann merken, dass sie es nicht so einfach machen können.
Ich sehe es nämlich auch nicht mehr so ganz ein, mich hier so rumschubsen zu lassen. Ich habe es, wie gesagt, zum Glück die letzten 30 Jahre nicht gebraucht. Und ich will es auch nicht brauchen. Für mich ist das Sport, der Spaß macht. Aber falls es nötig sein sollte, weiß ich mir zu helfen.
Katharina Müllebner: Was lernt man in so einem Selbstverteidigungskurs? Also lernt man da spezielle Techniken je nach Behinderung?
Jörg von de Fenn: Nein, ein Trainer war mal ganz begeistert mit meinem Langstock, den kann man ja auch zusammenschieben. Der hat gleich gemeint, oh da können wir ein bisschen Stocktraining machen.
Der war ganz begeistert von meinem Stock. Der ist hervorragend. Kann man gut einsetzen, hat er gemeint. Aber da sind wir jetzt gar nicht speziell, also das, was ich jetzt zuletzt hier gemacht habe auch bei meinem Fitnessstudio, musste ich kurz ein bisschen aussetzen.
Die haben da auch zweimal die Woche. Und das ist eigentlich ganz normal wie bei den anderen auch.
Mir wird es halt ein bisschen anders gezeigt, wenn ich nicht gleich, wenn ich nicht gleich verstehe, was gemeint ist, dann wird es mir halt direkt am Mann, quasi direkt am Mann gezeigt, wie es zu machen ist, weil auch viele Sachen dabei sind, was das Überdehnen von Sehnen angeht.
Und da, man braucht gar nicht viel, um jemand nur außer Gefecht zu setzen, sage ich mal oder am Boden zu halten, so dass er halt nichts mehr machen kann. Und das reicht dann schon. Ja.
Katharina Müllebner: Woher wissen Sie, wo Sie hingreifen müssen?
Jörg von de Fenn: Das merke ich, weiß ich ganz genau, wer vor mich/ oder wie derjenige vor mir steht. Also ich merke es. Der schubst mich mit dem rechten Arm
und dann weiß ich, dass ich einen rechten Arm habe. Dann weiß ich auch, wo ich den rechten Arm hinbiegen muss. Also das merke ich sofort, wenn ich die Handfläche dann hier habe oder der mich am Kragen packen würde oder so, merke ich gleich, welche Hand mich da anfasst.
Also wenn man ein bisschen aufpasst, ja, dann merkt man das schon, was man oder wegen, wen man wie vor sich hat, so, ja. Und dementsprechend kann man dann agieren und reagieren.
Katharina Müllebner: Was unterscheidet Selbstverteidigung von einem bloßen Zurückschlagen in einem herkömmlichen Kampf?
Jörg von de Fenn: Ja, das wäre jetzt, also wenn ich jetzt, ein bloßes Zurückschlagen im Kampf oder so wäre, gäbe es eine Rauferei, sage ich mal salopp, die mir aber nicht viel bringen würde in meiner Situation durch die Blindheit, weil er gleich wieder von mir weg wäre.
Und mit der Selbstverteidigung habe ich ihn direkt an mir und kann dann da drauf dementsprechend auch reagieren, also kann mit dem dann so zurechtmachen, wie ich ihn brauche, sage ich jetzt mal.
Aber wenn ich jetzt anfrage und zurückschlage, weil ich weiß, wo jetzt gerade sein Kopf oder sein Brustkorb oder irgendwas ist, dann ist er erst mal wieder weg von mir. Dann habe ich ihn wieder verloren. Und das ist in meiner Situation blind, ist es schlecht. Also gucke ich, dass ich ihn direkt an mir halte. Und dafür habe ich die verschiedenen Techniken auch.
Und die werden halt in einem Selbstverteidigungskurs oder in einem Kampfsportkurs, wie beim Jiu-Jitsu, werden die halt immer, immer wieder, je nach Gürtel weiter aufgebaut.
Katharina Müllebner: Ich und mein Kollege sind ja Rollstuhlfahrer, wie können die sich verteidigen?
Jörg von de Fenn: Oh, da gibt es ja in Berlin auch guten Verein, den, der macht, der nennt sich auch/ also der Verein heißt Pfeffersport. Und die haben auch eine Abteilung dabei, die nennt sich Selbstverteidigung inklusiv.
Und da war ich auch kurze Zeit dabei. Und da sind, glaube ich, fünf oder sechs Rollstuhlfahrer dabei. Und das klappt auch hervorragend.
Wenn jemand jetzt von vorne kommen sollte und die die Hand zu fassen kriegen sollten, oder, den können Sie genauso, wie ich das mache, genauso außer Gefecht setzen. Sie glauben gar nicht, wie wenig dazu gehört, um jemanden mal kurz auszuknocken oder am Boden zu halten, bis Hilfe kommt, ja.
Katharina Müllebner: Also Sie packen ihn dann am Arm und werfen ihn dann zu Boden? Oder wie funktioniert das?
Jörg von de Fenn: Na, es sollte eigentlich schon reichen, also wenn der mich oben am Kragen hat, reicht es eigentlich schon, wenn ich meine Hand auf seine lege und die dann rumdrehe und mit dem zweiten Daumen dann auch auf den Handrücken komme bei ihm und dann nach links, nach links ein bisschen biegen und nach vorne und dann dadurch die Sehne überdehne.
Und dann geht der schon von alleine runter. Die Schmerzen reichen. Und so machen Sie das im Rollstuhl auch.
Katharina Müllebner: Also möglichst schmerzhafte Sachen machen?
Jörg von de Fenn: Ja, genau, so Sehnen überdehnen oder so verschiedene Punkte, die Meridiane und so weiter. Da gibt es ganz gute Punkte, die wunderbar funktionieren, wenn man weiß, wo die sind. Sie brauchen gar nicht viel.
Und das schaffen Sie im Rollstuhl genauso. Wir haben einen bei uns gehabt, der ist von hinten angegriffen worden, den hat er über die Schulter nach vorne geschmissen, im Rollstuhl.
Katharina Müllebner: Was ist jetzt, wenn ich nicht so viel Kraft in den Händen habe oder die Hände gar nicht benutzen kann? Wie kann ich mich dann wehren?
Jörg von de Fenn: Jetzt, nein, da bin ich raus.
Katharina Müllebner: Okay, verstehe. Gibt es Situationen, in denen man von selbst, also in denen Selbstverteidigung nicht so sinnvoll ist?
Jörg von de Fenn: Ja, kommt darauf an. Also, wenn sie so feige wären und mit drei oder vier kommen, sollte man mal gucken, dass man irgendwie sich einfach mal ruhig verhält, aber wenn ich jetzt, wenn ich jetzt angegriffen werde, habe ich auch das Recht, mich zu verteidigen, ja.
Ich muss ja nicht alles mit mir machen lassen. Irgendwann ist ja mal/ Nur weil irgend jemand anders Frust hat oder den es gerade an irgendjemand auslassen muss, sind wir da nicht die Prügelknaben.
Katharina Müllebner: Also wenn der andere eine Waffe hat, dann sollte man lieber sich still verhalten?
Jörg von de Fenn: Ja, klar, gegen eine Neunmillimeter machen Sie nicht viel, ne?
Katharina Müllebner: Erst ab einer Neunmillimeter?
Jörg von de Fenn: Oder ein Messer. Bitte?
Katharina Müllebner: Erst ab einer Neunmillimeter? Ich wollte einen Scherz machen ein bisschen. Aber ein Messer ist auch schon gefährlich, okay.
Jörg von de Fenn: Ja, na klar, wenn jetzt jemand mit einem Messer kommt, ist natürlich auch doof, weil wenn wir jetzt von meiner Situation ausgehen, weiß ich natürlich nicht genau.
Mit der Hand kann er noch nicht so viel anrichten, aber wenn er jetzt ein Messer in der Hand hat, sieht es natürlich schon wieder schlechter aus, ja. Nein, klar, wir haben noch die Vorstufe, Messer vor der Neunmillimeter.
Katharina Müllebner: Muss man eigentlich immer einen Gegenangriff starten? Oder kann man auch andere Dinge tun, um in Gefahrensituationen besser zurechtzukommen?
Jörg von de Fenn: Nein, erst mal kurz versuchen, mal das Wort zu suchen. Man muss ja nicht immer gleich, man muss ja nicht immer handgreiflich werden. Aber wenn das nicht hilft.
Katharina Müllebner: Also genügt auch, wenn man einfach mal sagt, laut, laut ist. Und nicht …
Jörg von de Fenn: Ja.
Katharina Müllebner: Also ich habe oft das Problem, dass man erstarrt, wenn man sich bedroht fühlt, dass man Angst bekommt. Man erstarrt dann.
Jörg von de Fenn: Ja.
Katharina Müllebner: Was wäre jetzt in so einer Situation zu tun?
Jörg von de Fenn: Nerven behalten und reden. Und reden also und wenn das Reden nicht, also jetzt in meinem Fall, dass Reden nicht funktioniert, also ich selber kann ja sowieso nicht angreifen, weil ich nicht weiß, wo er ist.
Ich kann ja bloß reagieren, wenn ich angegriffen werde. Und wenn alles andere bis dahin nichts gebracht hat, dann muss ich halt gucken, wie ich mir weiterhelfe.
Katharina Müllebner: Außer, dass man wehrhaft ist, welche positiven Effekte hat Selbstverteidigung noch?
Jörg von de Fenn: Ja, Fitness, auf jeden Fall. Also wenn man 90 Minuten Training hat, danach reicht es dann für den Tag. Man wird ja erst mal warmgemacht.
Ja, und wir fangen ja ganz unten, ganz unten mit dem weißen oder weißgelben Gurt an, auch mit der Fallschule. Man fängt ja ganz klein an erst mal. Wie falle ich richtig?
Das hat mir zum Beispiel vor kurzem was beim Klettern gebracht. Da bin ich aus drei Meter Höhe, bin ich die Wand runtergerutscht, aber auf eine dicke Matte drauf. Und da hat mir aber die Fallschule von der Selbstverteidigung was gebracht, weil ich dementsprechend fallen konnte. Und mir ist nichts passiert.
Katharina Müllebner: Also profitiert man, auch einfach der Körper davon, das/
Jörg von de Fenn: Ja, auch so, wenn ich jetzt auf der Straße, wenn mein Stock jetzt irgendwas nicht erwischen sollte, irgendeine Bordsteinkante oder irgendwas.
Und ich fall jetzt tatsächlich mal hin, dann kann ich auch so fallen, also dass ich mich nicht versteife, sondern ich weiß, dass ich so und so fallen muss. Und das, wie beim Klettern auch, hat wunderbar geklappt, ja. Da profitiere ich auf jeden Fall von.
Katharina Müllebner: Also danke, Herr von de Fenn für diesen sehr interessanten Einblick in Ihr Action-reiches Leben.
Jörg von de Fenn: Ja, gerne.
Katharina Müllebner: Mal sehen, was Sie noch so erwartet.
Jörg von de Fenn: Ja, ich bin mal gespannt, ja.
Katharina Müllebner: Dann schöne Grüße nach Deutschland. Und vielleicht kommen Sie wirklich mal nach Österreich wieder.
Jörg von de Fenn: Ja, ja, also will auf jeden Fall dieses Jahr noch mal kommen, ja.
[Überleitungsmusik]
Katharina Müllebner: Das war unser Interview mit Jörg von de Fenn. Seine Geschichte zeigt uns, dass mit der richtigen Unterstützung und einer guten Vorbereitung vieles möglich ist und dass man buchstäblich Berge bezwingen kann.
Eine Behinderung muss selbst bei herausfordernd wirkenden Sportarten kein Hindernis sein. Es können eigene Wege gefunden werden, Dinge zu bewältigen.
Alle Informationen zu dieser Sendung finden Sie auf unserer Internetseite www.barrierefrei-aufgerollt.at. Es verabschiedet sich Ihr Redaktionsteam, Katharina Müllebner, Markus Ladstätter und Martin Ladstätter.
[Musik mit Text: barrierefrei aufgerollt – kurz, kompakt und leicht verständlich.]