Der September und der Oktober 2017 stehen bei barrierefrei aufgerollt ganz im Zeichen der Politik und der kommenden Nationalratswahl. In der September-Sendung mit dem Titel „Politik – wir machen mit!“ haben wir Kandidatinnen und Kandidaten mit Behinderungen vorgestellt.
Dieses Mal widmen wir uns dem Thema barrierefreie Wahlen.
Wie macht man Wahlen barrierefrei? Wie haben sich die Wahlgesetze entwickelt? Und kann der Gang in die Wahlkabine durch elektronische Stimmabgabe, dem sogenannten E-Voting, ersetzt werden?
Die Radiosendung zum Nachhören
Hier kannst Du die ganze Sendung anhören:
Hier findest Du die Sendung zum Nachlesen.
Unsere Interviewpartner
- Martin Ladstätter (BIZEPS), Menschenrechtsexperte bei BIZEPS
- Robert Minar (MA 62 Wien), seit ca. 20 Jahren für die Zugänglichmachung der Wahlen in Wien zuständig.
- Barbara Ondrisek (papierwahl.at), Mitbegründerin der Initiative papierwahl.at, die sich kritisch mit dem Thema E-Voting beschäftigt. Sie hat auch ein Buch zum Thema E-Voting mit dem Titel „Sicherheit elektronischer Wahlen“ geschrieben.
Weitere Informationen zur Sendung
- Ratgeber zur Nationalratswahl für Wienerinnen und Wiener:
Kleine Wiener Wahlhilfe
Kleine Wiener Wahlhilfe in Leicht Lesen - Wahlinformationen für Menschen mit Behinderungen, besonders für Wienerinnen und Wiener.
- Vortrag: Warum man E-Voting nicht machen sollte Peter Purgathofer, zweiter Mitbegründer von papierwahl.at und Professor an der Technischen Universität Wien erzählt, warum elektronische Wahlen gefährlich sind.
Sendung im Radio hören
Diese Sendung wurde auch auf Radio ORANGE 94.0 am 1. Oktober 2017 um 10:30 gesendet. Die Sendung konnte auch auf o94.at live gehört werden. Am 15. Oktober 2017 um 10:30 wurde sie auf Radio ORANGE 94.0 wiederholt.
Radiosendung zum Nachlesen:
Katharina Müllebner: Herzlich Willkommen, bei der heutigen Sendung von „barrierefrei aufgerollt“ von BIZEPS – Zentrum für Selbstbestimmtes Leben.
Mein Name ist Katharina Müllebner.
„Barrierefreie Wahlen – Unsere Stimme zählt! “ heißt diese Sendung.
Der September und der Oktober 2017 stehen bei barrierefrei aufgerollt ganz im Zeichen der Politik und der kommenden Nationalratswahl. In unserer September-Sendung mit dem Titel „Politik – wir machen mit“ haben wir verschiedene Kandidatinnen und Kandidaten mit Behinderungen vorgestellt.
Dieses Mal widmen wir uns dem Thema Wählen. Wie macht man Wahlen barrierefrei? Wie haben sich die Wahlgesetze entwickelt? Und kann der Gang in die Wahlkabine durch die elektronische Stimmabgabe, dem sogenannten E-Voting, ersetzt werden?
Laut Artikel 29 der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen haben Menschen mit Behinderungen das Recht zu wählen und auch selbst gewählt zu werden.
Leider ist in vielen Ländern die politische Teilhabe vor allem für Menschen mit Lernschwierigkeiten eingeschränkt.
Ein Ausschluss vom Wahlrecht betrifft jene Personen die dauerhaft eine Betreuung in allen Angelegenheiten brauchen oder als schuldunfähige Straftäter in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind. In unserem Nachbarland Deutschland betrifft das circa 85 000 Menschen.
Bei uns in Österreich ist das nicht so. Behinderte Menschen sind bei uns nicht von Wahlen ausgeschlossen. Auch in Fällen der Sachwalterschaft ist das Wahlrecht nicht eingeschränkt.
Seit einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs aus dem Jahr 1987 ist klar, auch Menschen mit Sachwalterschaft dürfen wählen.
Bei uns in Österreich ist das nicht so. Behinderte Menschen sind bei uns nicht von Wahlen ausgeschlossen. Auch in Fällen der Sachwalterschaft ist das Wahlrecht nicht eingeschränkt.
Doch damit Menschen mit Behinderungen wählen gehen können, braucht es vor allem Barrierefreiheit. Informationen und Wahllokale müssen barrierefrei sein. Informationen müssen verständlich bereitgestellt sein. Auch für die Wahl selbst müssen bei Bedarf Hilfsmittel bereitgestellt werden.
Daher nun die Frage, wie macht man Wahlen barrierefrei?
[Überleitungsmusik]Katharina Müllebner: Barrierefreie Wahlen und Wahlrecht für Menschen mit Behinderungen waren nicht immer selbstverständlich. Martin Ladstätter ist Menschenrechtsexperte und langjähriges Mitglied der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung.
Er war an der Entwicklung des Wahlrechts für behinderte Menschen beteiligt. Jetzt gibt er uns einen Einblick in die Entstehungsgeschichte.
Wie hat sich das Wahlrecht in Österreich bezüglich behinderter Menschen entwickelt?
Martin Ladstätter: Da muss man sagen, dass Wahlrechte in Österreich es natürlich schon lange gibt, aber die Berücksichtigung der Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen erst viel später gekommen ist. Deswegen sind auch die Wahlrechte erst im Laufe der Zeit den Ansprüchen von Menschen mit Behinderungen gemäß adaptiert worden.
Einer der größten Schritte war vor ungefähr 20 Jahren im Rahmen eines sogenannten Demokratiepaketes. Dort wurden Wahlrechte für Menschen mit Behinderungen verbessert.
Es gab auch nachher immer wieder kleine Verbesserungen, aber die sind nicht aufgrund von gesetzlichen Bestimmungen durchgeführt worden, sondern weil die Wahlbehörde von sich aus versucht hat die Wahlen barrierefreier zu gestalten. Beispielsweise indem sie Informationen angeboten hat.
Katharina Müllebner: Ist Jede und Jeder in Österreich wahlberechtigt?
Martin Ladstätter: Wir haben in Österreich die Situation, dass man aufgrund der Behinderung nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen ist. Das unterscheidet uns beispielsweise von Deutschland, wo vor wenigen Wochen eine Wahl stattfand, wo über 80 000 behinderte Menschen aufgrund ihrer Behinderung vom Wahlrecht ausgeschlossen sind.
Wir wurden im Rahmen einer Überprüfung von mehreren europäischen Staaten von der EU Grundrechteagentur sogar ausdrücklich dafür gelobt, dass Österreich einerseits niemanden vom Wahlrecht ausschließt, und andererseits versucht, schrittweise das Wahlrecht und auch die Wahldurchführung barrierefreier zu gestalten.
Aber eins muss man schon sagen, es gab auch immer wieder Angriffe auf das Wahlrecht von Menschen mit Behinderungen. Ich erinnere an die Bundespräsidentenwahl, da gab’s eine Wahlanfechtung, weil Menschen mit Sachwalterschaft auch Wahlkarten beantragen konnten.
Der Verfassungsgerichtshof musste sich mit dieser Situation auseinandersetzen und hat endgültig klargestellt: Nein, das ist kein Wahlanfechtungsgrund, Menschen mit Behinderungen, Menschen mit Sachwalterschaft, dürfen selbstverständlich auch dieses Wahlrecht in Anspruch nehmen. Und das war für uns sehr wichtig.
Früher gab es in der Nationalratswahlordnung eine Bestimmung, dass in Heimen, ärztliche Leiterinnen und Leiter, behinderten Menschen das Wahlrecht das Wahlrecht entziehen konnten.
Wie im Jahr 1997 die Bundesverfassung geändert wurde und dort eine Antidiskriminierungsbestimmung für Menschen mit Behinderungen eingefügt wurde, hat man sich auch die Wahlrechte genauer angeschaut ob es dort Diskriminierungen gibt. Und recht schnell ist man draufgekommen, ein Wahlrechtsentzug ist diskriminierend.
Jeder Mensch, auch jeder behinderte Mensch, muss das Recht zum Wählen haben und im vorher genannten Demokratiepaket wurde dieser Wahlrechtsentzug in Heimen durch ärztliche Leiter, gestrichen.
Österreich hat sehr viele verschiedene Wahlrechte, und in fast allen Wahlrechten ist das korrigiert worden, mit Ausnahmen von Burgenland und Niederösterreich. Die zwei Bundesländer haben noch immer eine verfassungswidrige Bestimmung in ihren aktuellen Wahlrechten, aber ich gehe davon aus, dass das ein Versehen ist und bald geändert wird.
Katharina Müllebner: Gibt es Verpflichtungen zu Barrierefreiheit von Wahlen?
Martin Ladstätter: Teilweise. In den Wahlgesetzen gibt es Bestimmungen, die Barrierefreiheit zumindest in einem sehr eingeschränkten Ausmaß, vorschreiben. Allerdings ist dieses Ausmaß wirklich sehr eingeschränkt.
In der Nationalratswahlordnung steht beispielsweise, dass in jeder Gemeinde zumindest ein Wahllokal barrierefrei erreichbar sein muss, in Wien in jedem Bezirk.
Um das klar zu machen: Nach der Nationalratswahlordnung würde es genügen, wenn in Graz ein einziges Wahllokal barrierefrei wäre.
Es ist natürlich klar, dass das mit Barrierefreiheit gar nichts zu tun hat, hier wird man sicher im Rahmen einer Novelle, jetzt wirklich einmal Barrierefreiheit von Wahllokalen vorschreiben müssen. Und die Realität zeigt natürlich auch, dass es deutlich mehr zugängliche Wahllokale gibt.
Ein anderes Beispiel sind Wahlschablonen. Die sind auch im Wahlrecht geregelt. Aber viele Dinge, die für wichtig sind, zum Beispiel, wie erfahre ich wo barrierefreie Wahllokale sind, wie erfahre ich wie wählen funktioniert beispielsweise mit leichter Lesen Informationen oder Gebärdensprachvideos. All diese Dinge werden per Gesetz nicht vorgeschrieben, in der Praxis aber hin und wieder freiwillig angeboten.
Katharina Müllebner: Was bedarf es an gesetzlichen Verbesserungen in den Wahlrechten?
Martin Ladstätter: Österreich hat im Jahr 2008 die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ratifiziert. Im Artikel 29 wird dort ganz dezidiert festgehalten, das Wahlrecht von Menschen mit Behinderungen muss gewährleistet sein. Barrierefreiheit ist sicherzustellen.
Es bedarf meiner Meinung nach unbedingt einer Arbeitsgruppe im Parlament die einen Änderungsvorschlag für die Wahlgesetze erarbeitet. Viele Dinge, die derzeit freiwillig oder teilweise schleißig angeboten werden, müssen endlich mit einer gesetzlichen Verpflichtung festgelegt werden.
Das heißt zum Beispiel eine fixe Vorgabe, wieviel Prozent der Wahllokale barrierefrei sein müssen. Das alle Informationen für eine Wahl, damit ich mich erkundigen kann wie ich wähle, barrierefrei sein müssen.
Alle diese Dinge gehören gesetzlich geregelt. Nur so können die Rechte, die gleichberechtigte Teilhabe an Wahlen von Menschen mit Behinderungen gewährleistet werden.
[Überleitungsmusik]Katharina Müllebner: Die Magistratsabteilung 62 der Stadt Wien beschäftigt sich mit der Organisation von Wahlen, Volksbegehren und Volksbefragungen.
Robert Minar ist Mitarbeiter der MA 62. Neben EDV und Öffentlichkeitsarbeit ist er seit rund 20 Jahren für die Zugänglichmachung von Wahlen zuständig. Er gibt einen Einblick in die Maßnahmen der Stadt Wien für barrierefreie Wahlen.
Welche Maßnahmen setzt die Stadt Wien, damit die Wahlen möglichst barrierefrei sind?
Robert Minar: Für die Gemeinde Wien sind Menschen mit Behinderungen eine sehr wichtige Wählergruppe, die wir speziell servicieren wollen und wir haben Maßnahmen für Blinde und Sehbehinderte.
Wir haben Videos in Gebärdensprache für gehörlose Menschen. Wir bieten spezielle Informationen für Rollstuhlfahrer. Wir haben Wahlinformationen in Leicht Lesen für Menschen mit Lernschwierigkeiten. Und diese Maßnahmen kommen natürlich auch älteren oder gebrechlicheren Personen zugute.
Wir informieren die Menschen mit Behinderungen auch mit einem eigenen Informationsblatt, das wir über die Interessenvertretung an die Organisationen der Menschen mit Behinderungen verteilen und die können das zielgerichtet an ihre Mitglieder weitergeben.
Katharina Müllebner: Was bieten sie zum Beispiel für sehbehinderte Menschen oder blinde Menschen an?
Robert Minar: Blinde Menschen können einmal prinzipiell mit ihrem Blinden- oder Begleithund ins Wahllokal kommen, können sich von einer Person helfen lassen, einer des Vertrauens.
Aber wir haben auch Stimmzettelschablonen, wo die Personen, die blinden und sehr stark sehbehinderten Personen, mit dieser Wahlhilfe auch eigenständig ihre Stimme abgeben können.
Zum ersten Mal bei dieser Wahl haben wir auch die Parteinamen, die Kurzbezeichnung der Parteinamen, auch erhaben auf die Stimmzettelschablonen gedruckt und die Listennummern, damit es noch einfacher ist für diese Personen eigenständig die Stimme abzugeben ohne eine Begleitperson zu benötigen.
Andererseits gibt es auch im Internet die Wahlinformationen nach den Richtlinien der WAI, also die sind barrierefrei und können dadurch auch auf den Geräten Zuhause vorgelesen werden.
Katharina Müllebner: Welche Servicemaßnahmen bieten sie für Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigung an?
Robert Minar: Wir bieten rund 740 barrierefreie zugängliche Wahllokale in Wien an, die für Rollstuhlfahrer eigenständig betreten werden können und in diesen 740 barrierefrei zugänglichen Wahllokalen, die sind auch alle mit Rollstuhlwahlzellen ausgestattet. Damit speziell auch Rollstuhlfahrer ihre Stimme bequem dort abgeben können, in breiteren Wahlzellen, die auch ein Schreibbrett haben, das für Rollstuhlfahrer geeignet ist, also tiefergelegt.
Katharina Müllebner: Woher weiß ich, welches Wahllokal barrierefrei zugänglich ist?
Robert Minar: Alle Wienerinnen und Wiener bekommen rund zwei Wochen vor der Wahl die amtliche Wahlinformation zugesendet. In dieser Wahlinformation steht wo mein zuständiges Wahllokal ist und in dieser Wahlinformation haben wir auch die Information stehen, ob das Wahllokal barrierefrei zugänglich ist oder nicht.
Unabhängig davon, sind alle Wahllokale die es in Wien gibt, aber auch im digitalen Stadtplan der Stadt Wien verzeichnet. Hier kann man auch nachsehen, wo barrierefreie Wahllokale sind.
Ist mein Wahllokal in Wien nicht barrierefrei, dann könnte ich eine Wahlkarte beantragen und mit dieser Wahlkarte gibt es verschiedene Wahlmöglichkeiten.
Eine davon wäre, ich kann ein barrierefrei zugängliches Wahllokal aufsuchen. Natürlich auch per Briefwahl wählen, dann brauche ich aber überhaupt kein Wahllokal aufsuchen, das wäre auch eine Möglichkeit eigenständig mein Wahlrecht auszuüben.
Katharina Müllebner: Wieviel Prozent der Wiener Wahllokale sind barrierefrei zugänglich?
Robert Minar: Aktuell sind rund 50 Prozent der Wiener Wahllokal barrierefrei zugänglich.
Wir bemühen uns jedes Jahr, von Wahl zu Wahl, mehr barrierefreie Wahllokale anbieten zu können. Der letzten Nationalratswahl im Jahr 2013, also vor vier Jahren, hatten wir noch 600. Bei der letzten Bundespräsidentenwahl, bei der Wiederholung der Stichwahl, waren es rund 700. Und jetzt nicht einmal ein Jahr später sind es 740.
Man sieht, wir bemühen uns, dass man immer zusätzliche barrierefreie Wahllokale anbietet. Wir bemühen uns als Stadt Wien auch mit, wenn es nur minimale Kleinigkeiten sind, die ein Wahllokale nicht barrierefrei macht, mobile Rampen zu bauen oder, zum Beispiel, einen Turnsaal, der die Größe hat, die optimal ist, dass man den mit speziellen Böden auslegt, dass die auch rutschsicher sind, dass man auch in diesen Räumlichkeiten barrierefreie Wahllokale anbieten kann.
Katharina Müllebner: Barrierefreiheit bedeutet natürlich mehr, als keine Stufen zu haben. Welche Serviceleistungen bieten sie für Menschen mit Lernschwierigkeiten an?
Robert Minar: Für Menschen mit Lernschwierigkeiten bieten wir eine Wahlinformation in Leicht Lesen an, also in einer leichteren Sprache. Im Sprachniveau A2.
Und die kann einerseits wird die der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderungen weitergegeben, die das an ihre Organisationen weitergeben kann. Wir bieten die aber auch auf unseren Internetseiten unter wahlen.wien.at an.
Katharina Müllebner: Sie sind schon seit rund 20 Jahren für Wahlen zuständig. Was hat sich in dieser Zeit verändert?
Robert Minar: Das Thema „Barrierefrei zugängliches Wählen“ ist in dieser Zeit sehr, sehr wichtig geworden. Ja und ist von mir auch aufgegriffen worden und wir haben versucht, dass wir den Service von Jahr zu Jahr verbessern und auszubauen.
Wie ich vor rund 20 Jahren zum ersten Mal dieses Thema bei uns angegriffen habe, da war das Thema „Barrierefreie Wahllokale, barrierefreie Wahlinformationen“ jetzt nicht nur für Menschen mit Behinderungen, sondern generell nicht so ein Thema.
In diesem Zeitraum haben wir unsere Informationsmaßnahmen nicht nur für Menschen mit Behinderungen, sondern generell für alle Wienerinnen und Wiener sehr ausgebaut und bieten auch jetzt ein umfangreiches Angebot an.
[Übergangsmusik]Katharina Müllebner: Stimmabgabe per Internet oder per Wahlcomputer. Ist das die Zukunft der Wahl?
E-Voting meint die elektronische Stimmabgabe und ist derzeit als Alternative zum Gang in die Wahlkabine und zur Briefwahl im Gespräch.
Würde E-Voting die Wahl barrierefreier machen? Wie sieht es mit der Beeinflussbarkeit von Wahlergebnissen aus?
Wir haben bei Barbara Ondrisek, Mitbegründerin der Initiative papierwahl.at, nachgefragt.
Erzählen Sie uns bitte, was papierwahl.at ist und wie Sie zu diesem Thema gekommen sind.
Barbara Ondrisek: Also papierwahl ist die Initiative, die ich mit Peter Purgathofer gegründet habe 2008, nachdem ich meine Dissertation geschrieben hab über Sicherheit von E-Voting-Systemen.
Ich hab damals an der TU-Wien promoviert und eben bei Peter Purgathofer im Institut für Gestaltungs- und Wirkungsforschung und wollte damals auch eine sehr kritische Arbeit zu E-Voting schreiben und hab dann, nachdem ich die Dissertation fertiggestellt hab, dann auch aufgrund der Erkenntnisse meiner Dissertation dann auch papierwahl.at gegründet als kritische, als Sammlung kritischer Texte und Artikel zu E-Voting.
Katharina Müllebner: Warum stehen Sie E-Voting kritisch gegenüber?
Barbara Ondrisek: Um das kurz zu definieren: Mit E-Voting ist jene Wahlmethode oder jene Wahlmethoden gemeint, um Stimmen auf elektronischem Weg abzugeben auch um sie zu sammeln zum Beispiel. Das können auch optische Scanner sein, das könnte Internetwahlsysteme sein oder auch Wahlcomputer.
Das Problem mit E-Voting selber ist, dass ein paar von den grundsätzlichen Wahlgrundsätzen gefährdet sind. Das Wahlrecht sagt, dass wir ein allgemeines, freies, gleiches, persönliches und unmittelbares Wahlrecht haben.
Und das Problem bei Online Voting oder Wahlcomputern ist, dass das freie, geheime und persönliche Wahlrecht gefährdet ist.
Katharina Müllebner: Gibt es schon Erfahrungen mit elektronischen Wahlen in Österreich oder im Ausland?
Barbara Ondrisek: Ja, in Österreich hatten wir damals 2009 den einen E-Voting-Versuch bei den ÖH-Wahlen, also bei den Uni Stellvertretungswahlen und da wurde ein E-Voting-System in Österreich eingesetzt. Das war ein System, ein Online-Voting-System für das man sich vorher registrieren musste und mit Bürgercard dann über eine Website seine Stimme abgeben konnte.
Das Problem mit dieser Wahl war damals, dass sie vom österreichischen Verfassungsgerichtshof für ungültig erklärt wurde weil das Wahlverfahren nicht transparent genug ist und nicht transparent im Sinne von einsehbar für den normalen Bürger.
Etwas sehr Ähnliches ist in Deutschland passiert. Da hat Deutschland allerdings Wahlcomputer eingesetzt. Bei der ÖH-Wahl wurde ein Internetwahlsystem eingesetzt. Und in Deutschland war das so, auch 2009, dass das Bundesverfassungsgericht einen Einspruch geltend gemacht hat. Genau aus den gleichen Gründen wie in Österreich.
Katharina Müllebner: Welche Probleme verursacht E-Voting?
Barbara Ondrisek: Ja, die Probleme von E-Voting sind sehr vielfältig, denn auf der einen Seite geht es um Sicherheit. Also Software ist nie 100 prozentig sicher. Also eine nicht triviale Software kann nie 100 Prozent fehlerfrei sein, auch Hardware kann manipuliert werden.
Software kann Fehler beinhalten aber sie könnte auch absichtlich manipuliert worden sein.
Dann abgesehen von den technischen Aspekten dahinter ist die Transparenz die ich schon erwähnt hab ein Problem, denn durch dieses System, diese Blackbox die wir dann gestalten mit dem E-Voting-System ist es schwer als normaler Bürger da Einblick zu erhalten. Es ist schwer da Wahlbeisitz zu machen oder das ganze System zu verstehen.
Im Gegensatz dazu haben wir ein total kinderleichtes System kann man fast sagen mit der Papierwahl. Es ist ein öffentliches System, es ist ein leichtes System und es ist auch insofern nicht so manipulierbar.
Das ist auch ein Problem von E-Voting, dass eine einzelne Person das Wahlergebnis verändern kann und zwar signifikant verändern kann. Und das auch noch ohne einen Nachweis einer Manipulation.
Katharina Müllebner: Wieso kann man Computern bei der elektronischen Stimmabgabe nicht so vertrauen wie Menschen?
Barbara Ondrisek: Wenn man sich die E-Voting-Systeme und auch die aktuelle Papierwahl anschaut, ist es so, dass bei einer Wahlkommission, zum Beispiel die Auszählung der Stimmen erfolgt in einer Wahlkommission wo mehrere, wo beteiligte mehrerer Fraktionen drinnen sitzen. Das heißt es ist nicht eine Person oder eine Gruppe von Menschen die genau ein bestimmtes Ergebnis gerne hätten. Das heißt wenn jetzt von verschiedenen Parteien Leute in dieser Wahlkommission drinnen sitzen, dann hat man damit auch automatisch, sichert man automatisch auch, dass es neutral ist, also dass es nicht in irgendeine Richtung dann kippen könnte, weil die Interessen unterschiedlich sind.
Beim Computer hat man das nicht, weil bei Internetwahlen oder bei Wahlcomputern ist es so, dass eine einzelne Person das Ergebnis manipulieren kann.
Katharina Müllebner: Ist E-Voting nicht sicherer als eine herkömmliche Wahl, bei der die Stimmzettel ausgezählt werden?
Barbara Ondrisek: Internetwahlen sind insofern nicht sicherer als konventionelle Wahlen.
Wenn ich eine Postkarte schicke, dann ist es so, dass ich die Stimme abgebe und ich schicke sie dann über den ominösen Postweg an und sie kommt dann hoffentlich einmal an.
Aber Bei WhatsApp, wie auch beim Onlinebanking, ist es so, dass die Texte, die Transaktion sozusagen, die Konversation, auf beiden Seiten gelogged wird. Es ist von beiden Seiten verschlüsselt. Das heißt man kann es auch sofort nachvollziehen. Wer wem was geschickt hat.
Und bei Internetwahlen oder bei Wahlcomputern im Allgemeinen ist es so, dass die Stimme ja anonym sein soll. Es muss geschützt sein, dass die Stimme auch noch unmanipuliert, das heißt unbeeinflusst, abgegeben wird und so weiter. Also auch Stimmenkauf ist bei Online-Voting oder Beeinflussung ist ein großes Problem weil ich nicht die Stimme in einer Wahlkabine abgebe, alleine.
Sondern es könnte sein, dass mich zum Beispiel ich sag jetzt mal mein Vater beinflussen könnte, weil er sagt: He, wir wählen immer DIE und ich schau dir jetzt zu ob du das wählst.
Katharina Müllebner: Kann E-Voting überhaupt sicher sein?
Barbara Ondrisek: Das Problem bei E-Voting ist, dass es eine fehlende Transparenz gibt auf der einen Seite, dass man eben bei Internetwahlen oder generell bei Distanzwahlen, hat man die Beeinflussung, die fehlende Manipulationssicherheit der Software.
Weil wer sagt, wenn zum Beispiel diese Software jetzt eingesetzt wird, dass das auch tatsächlich die Software ist, die eine Wahlkommission zur Einsicht bekommen hat.
Ich persönlich, glaube, oder wir glauben von papierwahl.at, dass Online-Voting oder E-Voting-Systeme nicht sicherer sein können als die bestehende Wahl.
[Übergangsmusik]Katharina Müllebner: Das war „Barrierefreie Wahlen – Unsere Stimme zählt!“ aus der BIZEPS-Sendereihe „barrierefrei aufgerollt“.
Alle Informationen zu dieser Sendung finden Sie auf unserer Internetseite barrierefrei-aufgerollt.at/sendung5
Diese Sendereihe ist auch auf Radio ORANGE 94.0 zu hören.
Redaktion: Martin Ladstätter und Katharina Müllebner
Technik: Markus Ladstätter