Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kämpft für eine Welt, in der Menschen in Würde und Freiheit leben können und ihre Rechte von den Staaten garantiert werden.
In dieser Sendung sprechen wir mit Annemarie Schlack, sie ist seit 2016 Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich, schon davor war sie jahrelang in internationalen Non-Profit Organisationen tätig. Zu ihren Arbeitsschwerpunkten zählen Menschenrechte, Entwicklungspolitik und globale Vernetzung. Sie erzählt über die Arbeit der Menschenrechtsorganisation.
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Wien: Auf Radio ORANGE am 5. Jänner 2020 um 10:30 Uhr. Die Sendung kann auch auf o94.at live gehört werden. Die Wiederholung gibt es am 19. Jänner 2020 um 10:30 Uhr.
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Katharina Müllebner: Herzlich willkommen zu unserer heutigen Sendung von barrierefrei aufgerollt von BIZEPS – Zentrum für Selbstbestimmtes Leben.
Am Mikrofon begrüßt Sie Katharina Müllebner.
Eine Welt, in der die Menschen in Würde und Freiheit leben können und in der ihre Rechte von den Staaten garantiert werden. Dafür kämpft die Menschenrechtsorganisation Amnesty International.
Annemarie Schlack ist seit 2016 Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich. Davor arbeitete sie bereits in diversen gemeinnützigen Organisationen. Sie konnte schon damals Erfahrungen in den Arbeitsschwerpunkten Menschenrechte, Entwicklungspolitik und globale Vernetzung sammeln.
In dieser Sendung wird sie uns mehr über die Arbeit von Amnesty International Österreich erzählen. Einblick in die Arbeit von Amnesty International Österreich, so der Titel der heutigen Sendung. Sie hören meinen Kollegen Martin Ladstätter im Gespräch mit Annemarie Schlack.
[Überleitungsmusik]Martin Ladstätter: Wie sind Sie zu Amnesty International gekommen und warum?
Annemarie Schlack: Ich bin ganz einfach über eine Jobausschreibung zu Amnesty International Österreich gekommen. Damals wurde eine Geschäftsführerin gesucht. Und ich habe mich beworben und habe den Job bekommen und das war für mich mein Traumjob und ist es auch immer noch.
Martin Ladstätter: Was sind konkret Ihre Aufgaben bei Amnesty?
Annemarie Schlack: Ich bin eine von zwei Geschäftsführerinnen. Wir haben eine Doppelgeschäftsführung und zusammen mit meiner Kollegin, der Frau Brita Wilfling, vertreten wir den Verein nach außen, planen Strategie und Umsetzung und haben praktisch auch die Gesamtverantwortung für Amnesty International in Österreich über.
Ich konkret kümmere mich spezieller um die Kampagnen, um die inhaltliche Arbeit. Ich mache Pressearbeit und gebe Interviews wie heute dem BIZEPS. Und auch für die Menschenrechtsbildung bin ich grundsätzlich eher zuständig.
Jedoch haben wir das Prinzip der gemeinsamen Geschäftsführung und so, genau, haben wir die gemeinsame Geschäftsführung über Amnesty über.
Martin Ladstätter: Was war Ihr persönlicher Antrieb, sich für das Thema Menschenrechte einzusetzen?
Annemarie Schlack: Oh, also ich bin wirklich, was Ungerechtigkeiten betrifft, extrem sensibel.
Schon als Kind habe ich mich eingesetzt für andere Kinder. Ich habe eine Schulzeitung gegründet. Ich habe damals im Bosnienkrieg Spenden gesammelt.
Ich hatte auch in Indien viel Gelegenheit, vor allem damals mit Kindern in Slums zu arbeiten und mir wurde schon sehr früh klar, dass es mich einfach dort hinzieht, wo ich auch wirklich etwas bewegen kann in der Welt.
Ich bezeichne mich selbst als pragmatische Idealistin und sehe da bei Amnesty einfach einen irrsinnig großen Hebel. Meine persönliche Vision einer Welt, die für alle Menschen die gleichen Chancen bietet, ist dort am besten umgesetzt.
Martin Ladstätter: Wie schaut ein Tag der Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich eigentlich aus?
Annemarie Schlack: Jeder Tag ist anders, was es sehr spannend macht. Es könnte zum Beispiel beginnen so wie heute mit einem Interview für eine Zeitung oder eine Organisation.
Dann könnte, geht es vielleicht weiter im Büro mit einem Treffen zur aktuellen Kampagne, was das eben gerade ist mit dem Team. Dann kommt zum Beispiel eine Anfrage aus dem Büro, aus der Spenderinnen-Abteilung, wo eine Spenderin mit mir sprechen will und dann gibt es vielleicht ein kurzes, nettes Telefonat.
Dann könnte das Nächste ein Treffen sein im Parlament mit einer Nationalratsabgeordneten zu einem aktuellen Thema, wo wir eine Stellungnahme dazu abgeben. Und enden kann das Ganze mit einem Treffen von Aktivistinnen. Die treffen sich auch eben bei uns im Büro, sogenannte Gruppentreffen, wo ich dann eingeladen bin, jetzt bei Frauenrechten zum Beispiel, oder beim Treffen der Gruppe Wien, wo ich dann auch eben die engagierten Menschen treffen kann, wo wir uns austauschen.
Oft dauert eben so ein Tag dann auch bis 20, 21 Uhr.
Das Tolle daran ist wirklich, dass ich extrem viel Motivation und Energie für mich daraus gewinne, mich mit anderen zu treffen und auszutauschen, die Lebenswelten besser zu verstehen und auch zu verstehen, wo Amnesty hier einen Mehrwert liefern kann und beitragen kann, dass es uns allen, dass es den Menschen in Österreich, auf der ganzen Welt besser geht.
Ich fühle mich sehr, sehr glücklich und es ist eine große Ehre, für Amnesty arbeiten zu können und diesen Job machen zu dürfen.
Martin Ladstätter: Sie setzen sich ja für Menschenrechte ein. Was sind eigentlich Menschenrechte?
Annemarie Schlack: Jede Person, jeder von uns, jeder und jede hat von Geburt an die gleichen Rechte. Das bedeutet, dass allein durch die Tatsache, dass wir Menschen sind, einen Anspruch darauf haben, dass wir mit Würde und Respekt behandelt werden, und das unabhängig von unserer Herkunft, von unserem Alter, von unseren Fähigkeiten, unserer Religion oder Hautfarbe.
Das ist das Konzept weltweit, das die Basis für unsere Gesellschaft ist. Es hängt nicht ab von irgendwelchen Wohltätigkeitsansehen oder ob ich arm bin oder ob ich etwas verdiene, sondern ich habe einen Anspruch darauf, dass diese Rechte respektiert und umgesetzt werden.
Martin Ladstätter: Steht das irgendwo?
Annemarie Schlack: Das steht in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Die gibt es ja jetzt schon seit 70 Jahren. Amnesty wurde kurz danach gegründet und setzt sich eben seither für diese Menschenrechte ein.
Ganz konkret heißt das zum Beispiel, allein, dass ich in eine Schule gehen kann, Nahrung habe, dass ich wählen gehen kann in Österreich, dass ich als Frau arbeiten gehen kann, dass ich lieben kann, wen ich will.
Das sind alles Freiheiten, die durch die Menschenrechte auch garantiert werden. Und Österreich hat sich hier auch dazu bekannt, so wie alle anderen Staaten auf der Welt auch, diese Menschenrechte für uns alle einzuhalten.
Martin Ladstätter: Wie ist Amnesty entstanden und warum hat sich Amnesty gegründet?
Annemarie Schlack: Amnesty International wurde von Peter Benenson gegründet. Der hat damals die Verhaftung von portugiesischen Studenten, die auf die Freiheit angestoßen haben, zum Anlass genommen, Amnesty zu gründen.
Also er war auch praktisch von dieser Ungerechtigkeit so abgestoßen, hat gesagt, das darf nicht sein, dass hier Menschen, nur weil sie auf die Freiheit anstoßen, verhaftet werden, und hat Amnesty grundsätzlich in England gegründet.
Aber sehr bald auch durch die Notwendigkeit damals, dass in sehr vielen Ländern sehr schwere Menschenrechtsverletzungen, hat sich Amnesty in vielen Ländern auch verbreitet.
Amnesty International in Österreich ist 50 Jahre alt und wurde hier in Österreich auch von Freiwilligen gegründet. Also das vielleicht auch noch zur Erklärung: Amnesty International ist eine Bewegung, die von sehr vielen Aktivistinnen getragen wird, weltweit derzeit sieben Millionen.
Das heißt, das sind Menschen, die in ihrem Alltag sich freiwillig für Menschenrechte engagieren und auch hier in Österreich ist der Verein grundsätzlich von diesen Freiwilligen gegründet worden.
Dann hat es auch die Gründung des Büros gegeben und mittlerweile befinden sich hier im Büro in Wien, das für ganz Österreich zuständig ist, über 40 Mitarbeiterinnen und wir zählen in Österreich über 60.000 Unterstützerinnen, die entweder durch ihr freiwilliges Engagement oder durch ihre Spende die Arbeit für Menschenrechte unterstützen.
Martin Ladstätter: Mit welchen Aktionen setzt sich Amnesty für Menschenrechte ein?
Annemarie Schlack: Amnesty fängt dort an, wo Menschenrechtsverletzungen passieren. Dann gehen wir oder meine Kolleginnen eben aus London, die machen direkte Menschenrechtsrecherche vor Ort.
Das heißt, unsere Erfahrung ist, wir gehen dorthin, wo etwas passiert. Wir suchen dort Beweise. Wir reden mit Leuten.
Wir können diese Menschenrechtsverletzungen ganz konkret dokumentieren. Und die stimmen dann auch 100 Prozent.
Also das sind dann wirklich auch Fakten, mit denen wir eben nach außen gehen können.
Wenn wir dann eben diese Berichte haben von Menschenrechtsverletzungen, dann versuchen wir, Druck aufzubauen auf die, die dafür verantwortlich sind. Und das geht einerseits über die Menschen, die sich dann engagieren mit uns, oder auch über die Regierungen, mit denen wir dann verhandeln, wo wir auch einen Druck aufbauen können.
Und wir erreichen dann wirklich auch, dass Menschenrechtsverletzungen geahndet werden, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden, dass Menschen aus dem Gefängnis entlassen werden. Das ist wirklich ein schöner Moment, zu sehen, dass diese Arbeit auch etwas bewirkt.
Martin Ladstätter: Wie erhalten Sie Kenntnis von Menschenrechtsverletzungen?
Annemarie Schlack: Auf der einen Seite durch die Betroffenen vor Ort, das heißt, durch die Menschen, die entweder im Gefängnis sitzen oder ihre Familien, die sich auch bei uns melden.
Derzeit erhalten wir zum Beispiel auch Informationen über Satelliten oder Drohnen. Das heißt, auch hier hat Amnesty eine zusätzliche Möglichkeit, wie im Südsudan mit Drohnen Dörfer auszumachen, die zerstört wurden. Das heißt, wir haben eine breite Palette von Möglichkeiten, wie wir von Menschenrechtsverletzungen erfahren und können danach entscheiden, welche wir uns genau anschauen.
Martin Ladstätter: Und wie wird entscheiden, welcher Themen sich Amnesty annimmt?
Annemarie Schlack: Menschenrechte sind ja sehr breit. Unsere Vision ist, wir wollen alle Menschenrechte für alle auf der ganzen Welt respektiert sehen. Man muss natürlich irgendwo anfangen und wir entscheiden uns dann für die größte Wirksamkeit.
Das heißt, wie schauen: Wo ist etwas ganz schwerwiegend? Das heißt, wo sind wirklich Menschen von ganz massiven Menschenrechtsverletzungen betroffen? Wo betrifft es vielleicht auch viele? Was ist ein Problem, wo sich auch sonst niemand kümmert?
Das heißt, wir schauen auch in Kooperation mit anderen Organisationen: Wo können wir einen Mehrwert haben? Wo können wir etwas bewirken? Und entscheiden dann, dass wir etwas tun.
Martin Ladstätter: Da gibt es doch sicher Herausforderungen beim Einsatz für Menschenrechte. Welche sind das?
Annemarie Schlack: Ich würde mal so sagen, der Einsatz für Menschenrechte ist wichtiger denn je.
Menschenrechte waren früher oder sind eigentlich ein Konzept, das alle Staaten respektiert haben oder auf sich genommen haben.
Aber wir sehen in letzter Zeit, dass dieses Bekenntnis zu den Menschenrechten auch gerade wieder abnimmt.
Und da würde ich sagen, die Herausforderungen sind, dieses Bekenntnis für Menschenrechte wieder ins Bewusstsein zu rufen, und auch hier in Österreich zu sagen, das sind hart erkämpfte Rechte und wir sind jetzt vielleicht uns nicht mehr so bewusst, dass wir sie haben, aber es muss uns wichtig sein, dass diese Menschenrechte auch in Zukunft für uns garantiert werden.
Martin Ladstätter: Welche Möglichkeiten gibt es, dass ich mich als Bürgerin oder Bürger für Menschenrechte einsetze?
Annemarie Schlack: Ganz konkret kann das sein, indem Sie bei einem rassistischen, sexistischen Kommentar in der U-Bahn aufstehen und sich hier auch äußern.
Das heißt, für Menschenrechte einstehen kann ich jederzeit auf der Straße, in der U-Bahn, in der Schule.
Über Amnesty gibt es die Möglichkeit, auf www.amnesty.at mit einem Klick sich für Menschenrechte einzusetzen.
Wir haben derzeit zum Beispiel eine Petition auch zu Hong Kong, wo derzeit bei den Studierenden Protesten massiv gegen diese Menschen vorgeschritten wird durch die Polizei. Das heißt, hier kann ich einfach sagen: Ich mache hier mit. Ich gebe meine Stimme ab, und zusammen mit 100.000 anderen Stimmen weltweit habe ich einen Hebel als Bürger und als Bürgerin, dass ich Menschenrechten zur Geltung verhelfe.
Auf der anderen Seite vielleicht noch als Beispiel: Bei Amnesty können Sie auch Menschenrechtsbildung einerseits geben. Also ich lade auch die Zuhörer und Zuhörerinnen herzlich ein. Sie können sich bei uns als Menschenrechtsbildnerin, als Ehrenamtliche, ausbilden lassen.
Oder wenn Sie in einer Schule tätig sind, Sie können auch bei uns einen Menschenrechtsbildungsworkshop anfragen. Das heißt, da kommt dann jemand zu Ihnen in die Schule, in den Kindergarten, in die Lehrlingsausbildung und Sie können praktisch hier sich weiterbilden und auch Ihre, genau, die Schülerinnen und Schüler zu Menschenrechten.
Es gibt viele Möglichkeiten, sich für Menschenrechte zu engagieren und wir brauchen auch, also jede und jeder einzelne ist gefragt, hier mitzutun.
Martin Ladstätter: Sie haben vorher erwähnt, dass Sie 60.000 Unterstützerinnen in Österreich haben. Wie organisiert man 60.000 Menschen?
Annemarie Schlack: Ja, wir haben sehr tolle Kolleginnen im Büro, die sich natürlich hier kümmern. Es gibt auf der einen Seite, es gibt Aussendungen über Briefe. Es gibt E-Mail-Verteiler.
Menschen erhalten das Amnesty Magazin. Sie können sich über die Webseite informieren. Wir sind auf den Social Media Seiten, auf Facebook, Twitter, Instagram präsent.
Uns geht es einfach darum, diese Bewegung lebendig zu halten, die Menschen, die uns unterstützen, hier gut zu informieren auch, welchen Hebel sie haben, zu welchen Erfolgen sie auch beitragen, und auch zu schauen, dass es noch mehr Menschen werden. Es können nie genug Menschen sein, die sich hier einsetzen.
Martin Ladstätter: Man hat immer den Eindruck, dass Amnesty sich nur im Ausland aktiv einsetzt. Jetzt setzt sich Amnesty auch für die Menschenrechte in Österreich ein. Wie kam es dazu?
Annemarie Schlack: Unser Auftrag ist, egal, wo Menschenrechtsverletzungen passieren, hinzuschauen. In Österreich, auch wenn es uns hier gut geht und Österreich ein schönes Land ist, ist auch nicht das perfekte Land.
Es gibt kein Land auf der ganzen Welt, wo Menschenrechte 100 Prozent umgesetzt werden.
Das heißt, hier haben wir auch schon über die letzten Jahre immer wieder auf Missstände hingewiesen.
Ich erwähne den Fall Traiskirchen oder auch Omofuma, wo Amnesty sehr aktiv war.
Man muss auch sagen, in den letzten Jahren gab es hier auch in Österreich Rückschritte. Das heißt, wir haben gesehen, dass Menschenrechte, die wir schon umgesetzt geglaubt haben, wieder aufgemacht wurden, dass hier, dass es hier Rückschritte auch von der letzten Regierung gab.
Und da haben wir beschlossen, auch in Österreich wieder verstärkt hinzuschauen und den Menschen hier zu ihren Menschenrechten zu verhelfen.
Martin Ladstätter: Und was sind die größten menschenrechtlichen Baustellen in Österreich?
Annemarie Schlack: Große menschenrechtliche Baustellen in Österreich sind auf der einen Seite der ganze Bereich Asyl und Migration. Hier bräuchte es eine komplette Neuregelung des gesamten Bereiches im Sinne der Menschen auf der Flucht.
Es gibt einen großen Bedarf auch im Bereich Polizei, zum Beispiel eine unabhängige Kontrollstelle, falls es zu Beschwerden über Polizeiangriffe kommt. Auch die Kennzeichnungspflicht der Polizei ist schon seit langem ein Thema bei Amnesty. Genau, auch im Bereich Überwachung haben wir in den letzten Jahren darauf hingewiesen, dass es sehr bedenkliche Menschenrechtseinschränkungen gibt.
Wir reden da, also es soll diesen Bundestrojaner geben, der einfach Menschen überwacht.
Das heißt, ja, es gibt genug zu tun, auch in Österreich.
Martin Ladstätter: Wie darf man sich die interne Koordination bei Amnesty International vorstellen?
Annemarie Schlack: Wir haben ein internationales Sekretariat in London, das die ganze Arbeit der Föderation organisiert.
Wir sind ja praktisch mehr als 60, Entschuldigung, mehr als 80 Länder mittlerweile sogar, wo Amnesty als nationaler Verein arbeitet. Und mit diesem Sekretariat arbeiten wir eng zusammen. Das bietet Services, zum Beispiel die Planung von globalen Kampagnen. Das kann gehen vom Thema Klimakrise über Menschenrechtsverteidigerinnen bis zu Asyl.
Das heißt, hier arbeiten wir sehr abgestimmt zusammen, bekommen dann auch ganz aktuelle Berichte immer zu Menschenrechtsverletzungen aus allen Ländern. Und wir beteiligen uns auf der anderen Seite eben mit einem Mitgliedsbeitrag. Das heißt, wir zahlen praktisch für die Services, die auch wir bekommen, und auch als Solidaritätsbeitrag für die Arbeit in anderen Ländern einen Beitrag an die Föderation.
Martin Ladstätter: Wie arbeitet Amnesty in Österreich mit anderen Organisationen zusammen? Und welche sind das?
Annemarie Schlack: Es ist immens wichtig, dass Amnesty hier in der Zivilgesellschaft sich vernetzt, damit wir eben auch besser verstehen, was die Anliegen von Menschen sind. Und konkret sind wir zum Beispiel Mitglied im Netzwerk Asylanwalt. Wir sind auch durch den Heinz Patzelt im Menschenrechtsbeirat der Volksanwaltschaft präsent.
Wir haben sehr viel Kontakt und Austausch mit Organisationen im Asyl- und Fluchtbereich, aber auch im Bereich wirtschaftlich-soziale und kulturelle Rechte, zum Beispiel von der Arbeiterkammer über den Österreichischen Frauenring, auch mit BIZEPS haben wir ab und zu Kontakte, wo wir uns über Stellungnahmen austauschen.
Im Bereich Klima, derzeit arbeiten wir auch sehr viel mi Fridays For Future zusammen, die wir sehr schätzen. Das heißt, da gibt es ein, genau, ein gutes, eine Vielfalt an Organisationen, wo wir versuchen, auch zu verstehen: Was sind die Themen? Und wo können wir mit, genau, mit wem beitragen zu einem Thema?
Martin Ladstätter: Gibt es Strategien, um das Thema Menschenrechte präsent zu machen?
Annemarie Schlack: Menschenrechte müssen wieder für uns in Österreich in unserem Alltag ein Thema sein.
Das heißt, hier gibt es die Strategie, über Menschenrechte zu sprechen: Was heißt es in Ihrem, in meinem Leben? Was heißt es für eine junge Person? Für eine Person? Für Männer? Für Frauen? Und wir wollen hier eine einfachere Kommunikation, das heißt, hier eine leichte Sprache einsetzen.
Und eine weitere Strategie, die ich schon erwähnt habe, ist die Bildung. Wir wollen, dass jedes Kind in Österreich einmal in der Schullaufbahn über Menschenrechte gehört hat.
Martin Ladstätter: Und welche Strategie ist die erfolgreichste?
Annemarie Schlack: Die erfolgreichste Strategie ist, wenn ich Sie begeistern kann über das Thema, und Sie dann mit Ihren Freunden und Ihrer Nachbarin und Nachbarn wieder über die Wichtigkeit reden.
Martin Ladstätter: Beim Thema Menschenrechte kommt auch immer das Thema Angst. Politiker werden ja häufig durch Angst getrieben, Menschenrechte einzuschränken. Wie kann man dem begegnen?
Annemarie Schlack: Mit Hoffnung. Ich verstehe auch, dass sehr viele Menschen sich verunsichert fühlen, die Herausforderungen, denen wir uns gerade stellen, von Klimakrise über wachsende Ungleichheit, die sind wirklich groß. Und die Politik ist hier gefordert, den Menschen Hoffnung und Mut zu machen und Lösungen für diese Herausforderungen anzubieten.
Und auch bei Amnesty gibt es sehr viel Hoffnung. Auch wenn es große Menschenrechtsverletzungen gibt, so stellen wir doch fest, dass sich die Welt in den letzten 50 Jahren sehr verbessert hat.
Ich, zum Beispiel das Thema Todesstrafe, das war eines der Startthemen von Amnesty, wird derzeit nunmehr in einer Hand voll von Ländern praktiziert. Und noch vor 50 Jahren waren es Dutzende Länder. Also ja, die Welt kann besser werden. Wir können sie besser machen und jeder, jede einzelne von uns kann einen Beitrag leisten.
Martin Ladstätter: Was sind denn die größten Herausforderungen für die Zukunft im Menschenrechtsbereich?
Annemarie Schlack: Die größten Herausforderungen sehe ich derzeit im Bereich Klima. Die Klimakrise stellt uns wirklich vor große Herausforderungen. Das ist auch eine Menschenrechtskrise.
Ich sage immer: Dem Klima ist es wurscht! Also es ist keine Klimakrise, es ist eine Menschenrechtskrise, eine Menschenkrise.
Und wir müssen sie bewältigen, und zwar bald. Ein weiteres großes Thema, das ich auch sehe, das wir sehen, ist das Thema neue Technologien und Menschenrechte. Auf der einen Seite bieten sie uns große Chancen, uns besser zu vernetzen und besser zu organisieren.
Auf der anderen Seite ist es auch sehr bedenklich, wie sie bereits gegen Menschen eingesetzt werden.
Martin Ladstätter: Haben Sie da ein Beispiel für uns?
Annemarie Schlack: Zum Beispiel künstliche Intelligenz und die Algorithmen. Man hat keine Einsicht mehr, wie da Entscheidungen getroffen werden und das hat, genau, kann zum Ausschluss an Teilhabe führen.
Es kann dazu führen, dass ich diskriminiert werde, ohne genau zu wissen, was da dahintersteht.
Martin Ladstätter: Was wollen Sie als Geschäftsführerin in den nächsten Jahren erreichen?
Annemarie Schlack: Meine Vision in Österreich und auch insgesamt ist, dass wir ein Bewusstsein haben, dass wir wissen, dass die Menschenrechte uns durch unser Leben begleiten und dass in Österreich wieder ein Land des Miteinanders herrscht, wo jede und jeder so leben kann, wie sie oder er will. Und ich denke mir, in den nächsten Jahren wird uns das gut gelingen, indem wir das Thema Klimakrise, aber auch andere Themen, breit kommunizieren, viele Menschen dafür gewinnen und auch Hoffnung machen, dass wir eine Lösung finden können.
Martin Ladstätter: Ich habe Sie eigentlich gefragt, was Sie persönlich in den nächsten Jahren erreichen wollen.
Annemarie Schlack: Ich persönlich. Was ich persönlich erreichen will. Ich möchte Menschen ansprechen, dass sie Menschenrechte, dass sie sich für Menschenrechte engagieren. Ich möchte, ich weiß nicht, ich möchte auch für mich und meine Kinder auch in diesem Land eine Zukunft schaffen, auch für meine Nachbarinnen und Nachbarn.
Da gibt es viel zu tun, aber es gibt ein sehr tolles Team bei Amnesty. Es gibt tolle Organisationen wie BIZEPS, mit denen wir zusammenarbeiten. Da will ich einfach, dass wir noch verstärkt uns zusammentun und dieses Land noch besser machen.
Martin Ladstätter: Wir danken für das Interview!
Annemarie Schlack: Danke auch, und schön, dass ich da sein konnte.
[Überleitungsmusik]Katharina Müllebner: Wenn auch Sie sich für Menschenrechte engagieren wollen, bekommen Sie weitere Informationen auf unserer Webseite www.barrierefrei-aufgerollt.at. Wie Sie vielleicht schon wissen, sind wir ab jetzt nicht mehr nur auf Radio ORANGE 94.0 zu hören. Alle Infos zu unseren weiteren Sendeterminen finden Sie auf www.barrierefrei-aufgerollt.at/sendetermine. Es verabschiedet sich Ihr Redaktionsteam Katharina Müllebner, Marcus Ladstätter und Martin Ladstätter.
[Musik mit Text: barrierefrei aufgerollt – kurz, kompakt und leicht verständlich]