Durch eine Krankheit in ihrer Kindheit wurde sie blind. Doch sie wollte nicht als Telefonistin arbeiten, sondern wie viele andere Frauen ihres Alters studieren. Das hat sie auch geschafft.
Heute engagiert sich Barbara Levc dafür, dass Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen barrierefrei studieren können. Sie ist Leiterin des Zentrums Integriert Studieren der Universität Graz. Sie unterrichtet und ist Mitbegründerin des Vereins „Uniability – Arbeitsgemeinschaft zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen an Österreichs Universitäten und Hochschulen“.
Auch in anderen Zusammenhängen kämpft sie für die Gleichstellung und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen. 2018 erhielt sie für ihr vielfältiges Engagement den Dr. Elisabeth Wundsam-Hartig Preis.
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Unser Gast
Barbara Levc, Leiterin des Zentrums Integriert Studieren und Mitbegründerin des Vereins Uniability
Interessante Beiträge zum Thema
- Interview mit Barbara Levc auf bidok
- Artikel von Barbara Levc auf BIZEPS
- Zentrum Integriert Studieren
- Uniability
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Wien: Auf Radio ORANGE am 1. Dezember 2019 um 10:30 Uhr. Die Sendung kann auch auf o94.at live gehört werden.
St. Pölten: Im campus & city radio am 12. Dezember 2019 um 17:00 Uhr. Die Sendung kann auch auf cr944.at live gehört werden.
Graz: Im Radio Helsinki am 20. Dezember 2019 um 16:30 Uhr. Die Sendung kann auch auf helsinki.at live gehört werden.
Salzburg: Auf radiofabrik am 9. Dezember 2019 um 18:00 Uhr. Die Sendung kann auch auf radiofabrik.at live gehört werden.
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Die Sendung zum Nachlesen
Katharina Müllebner: Herzlich Willkommen zu der heutigen Sendung von barrierefrei aufgerollt von BIZEPS, Zentrum für Selbstbestimmtes Leben. Am Mikrophon begrüßt sie Katharina Müllebner.
In dieser Sendung haben wir wieder ein barrierefrei aufgerollt Portrait für Sie. Barbara Levc ist in Graz geboren. Eine Krankheit während ihrer Kindheit ließ sie erblinden.
Zunächst sah es so aus, als würde sie den für blinde Menschen häufigen Berufsweg einschlagen und Telefonistin werden. Doch Barbara Levc wollte, wie andere Frauen ihres Alters auch, studieren. Das hat sie auch geschafft.
Heute ist sie Leiterin des Zentrums Integriert Studieren der Universität Graz. Sie unterrichtet und hat den Verein uniability für Personen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen an Österreichs Universitäten mitbegründet. Auch sonst setzt sie sich in unterschiedlichen Belangen für die Gleichberechtigung und Selbstbestimmung von behinderten Menschen ein. 2018 wurde sie für ihr Engagement mit dem Dr. Elisabeth Wundsam-Hartig Preis für die Förderung des selbstbestimmten Lebens von Menschen mit Behinderungen ausgezeichnet. Sie hören nun meinen Kollegen Martin Ladstätter im Gespräch mit Barbara Levc.
[Überleitungsmusik]Martin Ladstätter: Erzählen Sie uns ein wenig über sich. Was waren die wichtigsten Stationen in Ihrem Leben?
Barbara Levc: Also ich bin in Graz geboren und aufgewachsen und so im Alter zwischen drei oder vier Jahren, also eigentlich als ich im Kindergarten war, ist aufgefallen, dass ich mich irgendwie sehr zurückziehe und irgendwie anders verhalte als die anderen Kinder. Parallel ist meiner Familie aufgefallen, dass ich anfange, über Dinge zu stolpern in Dinge hineinzulaufen. Und da ist dann von einem Augenarzt die Diagnose gestellt worden, Retinopathia pigmentosa, das ist eine Netzhauterkrankung, wo die Netzhaut sich mit ihren eigenen Abfallprodukten quasi zumüllt und dementsprechend dann das Sehvermögen immer weniger wird. Die Diagnose Retinopathia pigmentosa heißt, allmähliche Erblindung.
Und das hat meine Familie im Moment natürlich schockiert und überfordert und nach einem ersten Versuch, mich in einer Regelschule unterzubringen quasi, der gescheitert ist, weil die Schulleiterin irgendwie gemeint hat, mich kann man diese Schule nicht zumuten.
Bin ich dann mal im Grazer Odilien-Institut für sehbehinderte und blinde Menschen, also die Pflichtschule, Volksschule, Hauptschule und dann nach Wien gewechselt für so eine Art Berufsausbildung, Büroausbildung. Also eigentlich einmal so den damals vorgezeichneten Weg für blinde, sehbehinderte Menschen gegangen, der dann auch in die Richtung geführt hat, in meinem Fall eben in einer Telefonvermittlung zu arbeiten beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung.
Und ich habe aber in der Zeit, wo ich so aus der Blindenschule heraus bin und so eineinhalb Jahre auf meinen Job habe warten müssen, Gleichaltrige kennengelernt, die zu dem Zeitpunkt gerade maturiert haben und irgendwie ist in mir so der Wunsch entstanden, ich will das auch.
Und habe es mit so einer Art Fernkurs versucht, nur, da kriegt man halt Unmengen von bedrucktem Papier zugeschickt, dass dann, weil mein Sehvermögen immer schlechter geworden ist, dann schon bald einmal nicht mehr zu bewältigen war. Und dann habe ich eher durch Zufall entdeckt, es gibt ein Abendgymnasium für Berufstätige.
Ich habe damals schon gearbeitet in der Telefonvermittlung und habe dann dort einmal so ganz schüchtern angerufen und die Reaktion der Direktorin dort war für mich sozusagen zukunftsentscheidend, weil auf meine Frage, ob sie sich das vorstellen kann, hat sie geantwortet, ja, das ist ein interessantes Experiment.
Hätte sie ablehnend reagiert, hätte ich mich wahrscheinlich nicht getraut. Und als interessantes Experiment bin ich dann dort im Abendgymnasium gewesen und habe dort viereinhalb Jahre jeden Abend die Schulbank gedrückt.
Und dann 1989 maturiert und dann Erziehungswissenschaften studiert. Und damals so auch sehr stark selbstorganisiert mit den Lehrenden, mit den Professoren, immer einzeln ausgemacht, wie ich die Prüfungen machen kann. Und auch mit/ Es gab damals in Deutschland einen Vorlesedienst für wissenschaftliche Literatur. Da habe ich dann meine Bücher hingeschickt, die haben das auf Tonkassette gelesen.
Und während meiner Studienzeit ist ungefähr in Graz und auch in anderen Unis über die Hochschülerschaft, über die ÖH Vernetzung von Studierenden mit Behinderung entstanden.
Und das ist dann auch ist auch in Graz an der Uni ein Behindertenreferat der ÖH entstanden. Da bin ich dann das erste Mal mit anderen Studierenden mit Behinderungen in Kontakt gekommen, da hat das Referat in Graz dann eine Ringvorlesung organisiert zum Thema Leben mit Behinderung. Und da sind dann auch Leute aus anderen Bundesländern dazu angereist und eigentlich Ziel war dann, an den Universitäten Ansprechpersonen, Servicepersonen zu haben, damit nicht jeder als Einzelkämpfer anstatt studieren, sich hauptsächlich seine Rahmenbedingungen organisieren muss, um barrierefreie Zugänge kämpfen muss.
Martin Ladstätter: Und was waren da so Ihre persönlichen Erfahrungen in Ihrer Studienzeit?
Barbara Levc: In meiner Studienzeit war es/ ich habe mir einiges mit den Professoren sozusagen vereinbaren können und auch so ein bisschen mit selbstorganisierter Hilfe. Ein Freund, den ich während des Studiums kennengelernt habe, der ist dann zum Beispiel mit mir in die Statistikvorlesungen gegangen und hat für mich mitgeschrieben und mir das nachher alles noch einmal erklärt.
In den meisten Lehrveranstaltungen hat zuhören und auf einem der ersten computerartigen Geräte für blinde Menschen mitschreiben, durchaus gereicht oder auch Aufnahmen machen. Also Kassettenaufnahmen machen und es dann nachhören.
Aber Statistik war dann doch eine Überforderung und da ist eben dieser Freund, sozusagen als Persönlicher Assistent, obwohl wir den Begriff damals dafür nicht gehabt haben, mit mir in die Vorlesung gegangen, hat selber mitgeschrieben und hat mir das dann nachher noch einmal alles erklärt und so weiter. Und eben zum Beispiel die Statistikklausuren habe ich dann im Büro vom Professor geschrieben, der hat mir die Fragen angesagt, die haben mir das in Brailleschrift, auf einer Brailleschrift-Maschine aufgeschrieben, ich habe mir die Lösungen auch in Brailleschrift gemacht und dann das Ganze auf einen PC quasi noch übertragen oder auf einer mechanischen Schreibmaschine.
Da bin ich mir jetzt gar nicht mehr so sicher. Der Professor ist inzwischen sogar mit meinem Blindenhund Gassi gegangen. Es war alles relativ improvisiert und selbstorganisiert. Aber ich habe wenig jetzt wirklich echte Widerstände erlebt.
Was die Professoren damals oft nicht verstanden haben, war, dass ich meine Bücher oder die Studienliteratur schon sehr früh gebraucht hätte, um sie eben auflesen zu lassen. Da sind die Seminare immer so abgelaufen, dass ein Tisch mit Büchern am ersten Termin irgendwo gestanden ist und dann hat es geheißen, so jeder sucht sich jetzt dort ein Buch aus, über das er ein Referat macht. Dann sind natürlich alle gerannt, dass sie die besten Themen erwischen. Irgendwas ist für mich dann auch noch übriggeblieben.
Bis ich das dann eben adaptiert bekommen habe, war das oft zeitlich dann schon ein bisschen knapp. Das waren so meine Erfahrungen. Wobei ich es aber eigentlich schon so empfunden habe, dass es im Großen und Ganzen ganz gut funktioniert.
Martin Ladstätter: Sie haben einmal in einem Interview gesagt, dass UN-Jahr der Behinderten 1981 bleibt Ihnen länger in Erinnerung. Warum eigentlich?
Barbara Levc: Damals war ich noch im Internat in Wien, im damaligen Bundes-Blindenerziehungsinstitut und ich war in diesem Jahr gerade Schulsprecherin und was mir in Erinnerung geblieben ist, ist einfach, dass wir in diesem Jahr ganz, ganz häufig zu irgendwelchen Veranstaltungen eingeladen worden sind oder halt dort waren, wo wir irgendwie – ja, irgendwann habe ich es wirklich so empfunden – vorgeführt worden sind.
Ich habe damals eben gerade die Ausbildung gemacht zur Bürokraft, wo es auch um Stenografie und schnelles Maschineschreiben gegangen ist und sozusagen die Lieblingsvorführung war dann immer, dass uns irgendjemand ein Diktat gibt und wir das in Blindenstenografie schreiben und dann nachher vorlesen.
Und das hat die Schule grundsätzlich immer wieder einmal gemacht, das war auch so ein bisschen in die Richtung, um den Leuten dann auch später Jobs zu verschaffen, indem man zeigt, was alles möglich ist.
Aber in dem Jahr ist es mir dann irgendwann schon einmal zu viel geworden. Ich bin mir wirklich vorgeführt vorgekommen. Und es gab dann auch einen Club 2 zum Thema Behinderung, in den ich dann auch mit eingeladen war und auch dort, glaube ich, drei Sätze gesagt habe. Aber mit 16 war ich eigentlich eher überfordert und auch mit den Themen Selbstbestimmung und auch sozusagen mit Behindertenpolitik noch nicht wirklich vertraut.
Martin Ladstätter: Sie haben ja Ihr Studium erfolgreich abgeschlossen und Ihre Diplomarbeit war „Soziale Reaktionen auf Mütter mit sichtbaren Behinderungen“. Wie kamen Sie zu dem Thema?
Barbara Levc: Wohl irgendwie so aus meinem eigenen Kinderwunsch heraus. Also ich habe damals schon in einer festen Partnerschaft gelebt und irgendwie war das schon so Thema.
Und es war dann ein Artikel in einer Zeitschrift, den eine blinde Mutter geschrieben hat, der mich dann endgültig motiviert hat, mich damit ein bisschen genauer zu beschäftigen. Und bei der Literaturrecherche und beim Lesen bin ich dann aber auch wirklich erstmalig so auf das Thema Geschlecht und Behinderung gestoßen. Also in dem Fall halt überhaupt so die Wahrnehmung von Frauen mit Behinderung.
Der damalige Klassiker, das erste wirkliche Buch zu dem Thema Geschlecht Behinderung besonderes Merkmal Frau, hat mich sehr beeindruckt und einiges Drumherum und das ist dann irgendwie so mein Thema geblieben eigentlich, auch weiter, das mich immer weiter beschäftigt hat.
Das Thema Zusammenhang Geschlecht und Behinderung und jetzt ganz generell der Bereich Intersektionalität, also Behinderung und andere, sagen wir mal, Diversitätsbereiche in Verbindung miteinander. Das hat damals irgendwie begonnen.
Und die Diplomarbeit hat mich dann schon auch ein bisschen in die Richtung vorbereitet, was vielleicht alles auf mich zukommen kann, wenn ich wirklich selber Mutter werde. Das war einerseits recht gut, weil ich dann schon ein paar Antworten parat hatte, als mich dann einmal während der Schwangerschaft ein Arzt gefragt hat, woher meine Augenerkrankung kommt und ob das eventuell vererbbar sein könnte. Da habe ich dann sozusagen schon die Antwort parat gehabt, dass ich keine Pränataldiagnostik machen möchte, weil ich damals einfach gesagt habe ich weiß, wie gut man mit der Behinderung leben kann, außerdem ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering. Ich finde mein Leben lebenswert. Da ist eine Killerphrase, da kann dann eigentlich keiner mehr was drauf sagen.
Und es ist schon mir auch ein bisschen mitgegeben, weil schon aber auch, was ich da selber erlebt habe, ein bisschen den Druck hatte, dann auch wirklich zu beweisen, dass ich das kann und dass ich voll kompetent bin und sozusagen als Mutter, also wirklich meine Rolle voll ausfüllen kann. Das habe ich davon schon auch ein bisschen mitgenommen.
Martin Ladstätter: Sie sind ja, wie Wenige, nach dem Studium auf der Universität geblieben und leiten jetzt erfolgreich das Zentrum „Integriert studieren“. Ist das zufällig passiert, oder wie kam es dazu?
Barbara Levc: Ich habe eben noch studiert in der Phase, wo eben diese Vernetzung stattgefunden hat, in der Studierende mit Behinderung so über die ÖH und über diese damaligen, sogenannten Krüppeltreffen, die der Vorläufer der Selbstbestimmt Leben Bewegung waren. Das war Abtsdorf am Attersee.
Das war wahrscheinlich irgendwie das einzige einigermaßen barrierefreie Gasthaus irgendwo in der Mitte von Österreich, das von allen Seiten leicht erreichbar war. Wo eben da regelmäßige Treffen stattgefunden haben und ich bin eben über die ÖH als Studentin dann erstmalig dazugestoßen, weil sich da eben auch irgendwie eine Gruppe von Leuten zusammengefunden hat, die alle studiert haben.
Und da war dann eben das Ziel, an den Unis fix angestellte Personen zu haben, die eben als Ansprechperson für Studierende mit Behinderung da sind, die sich vor allem, was damals wirklich – das war Anfang der 90er-Jahre – noch ein ganz großes Thema war, sich um die bauliche Barrierefreiheit kümmern.
Und da waren dann auch zwei Personen, die schon an Universitäten gearbeitet haben, das war der Volker Schönwiese, der in Innsbruck schon gelehrt hat und ein Jurist von der Uni Graz, der Gerfried Förster, die das sozusagen von der Seite auch unterstützt haben.
Und irgendwie war die Situation vielleicht gerade günstig und der damalige Wissenschaftsminister Busek hat die Idee aufgegriffen und nach einem Fünf-Minuten-Gespräch, von dem eigentlich alle eher enttäuscht waren, weil er sie so schnell abgefertigt hatte, solche Stellen, einmal fünf für Universitäten freigegeben hat, dass eben dort Personen angestellt werden können.
Und dann bin ich für die Uni Graz quasi ins Bewerbungsverfahren gegangen und habe mich um die Stelle beworben. Und bin damals mit im Bereich, zum Beispiel, Barrierefreiheit noch mit wenig Hintergrundwissen in das Ganze hineingegangen. Aber einfach mit dem Plan, ich will jetzt einfach mit allen Beteiligten reden und mit dem einzelnen Betroffenengruppen und dann schauen, was sie brauchen und das versuche ich dann zu verwirklichen.
Und die Uni Graz hat quasi meine Anstellung dann, das war auch gerade ein Rektor, der in der Hinsicht sehr aktiv und initiativ war, hat das so zum Anlass genommen, einmal mit dem Architekten die Uni auf Barrierefreiheit testen zu lassen, so wie sie damals war. Und da sind wirklich einige Dinge, einige größere Umbauprojekte passiert, die dann doch einiges einmal grundsätzlich verbessert haben.
Und ja, ich habe eigentlich mit den Studierenden und mit den Situationen, die dann gekommen sind, meinen Job gelernt, sozusagen Schritt für Schritt mit/ und natürlich auch ganz stark mit dem Kontakt zur Selbstbestimmt Leben Bewegung. Bin dann regelmäßig bei den Treffen in Abtsdorf gewesen und habe dann dort ganz viele Menschen kennengelernt, von denen ich sehr viel erfahren und sehr viel gelernt habe, dass ich dann wieder habe mitnehmen können.
Martin Ladstätter: Wenn Sie sich zurückerinnern, was für ein Selbstverständnis hatte die Behindertenbewegung damals in Ihrer Erinnerung?
Barbara Levc: Ich bin da ja sozusagen sehr unbedarft hineingekommen und war auch dort weit und breit die einzige blinde Person oder stark sehbehinderte Person.
Ich war dort umgeben von vielen Rollis und es war sehr/ ich habe das Ganze als sehr energiegeladen, auch kämpferisch empfunden. So in der Zeit war gerade die Initiative und der Kampf um die Antidiskriminierungsbestimmung in der Verfassung, wo wir dann Unterschriften gesammelt haben unter dem Titel: Bus und Bahn für alle.
Das war für mich auch immer/ diese Treffen und wenn ich da dort war, ich bin da immer sehr, mit sehr viel Energie wieder rausgegangen und habe mir da eigentlich immer sehr viel mitgenommen für die eigene Arbeit an Selbstbestimmungsverständnis, Gleichberechtigungsdrive sozusagen. Ich habe die Phase eigentlich wirklich als sehr, sehr positiv und kraftvoll erlebt von der Bewegung her.
Martin Ladstätter: Was waren die größten behindertenpolitischen Erfolge, die damals erreicht wurden, außer dieser Bestimmung?
Barbara Levc: Also, es war sicher daneben noch das Pflegegeld. Da kann ich mich an die Diskussionen in Abtsdorf erinnern, wo es wirklich ganz stark darum gegangen ist, dass die Selbstbestimmt Leben Bewegung wirklich ihr Verständnis von, was das Pflegegeld bringen soll und wie es funktionieren soll gegenüber den etablierten Behindertenvereinen auch ganz klar abgegrenzt hat und eben die Ausrichtung da ganz klar definiert worden ist.
Martin Ladstätter: Wie unterscheiden sich diese Bewegungen, weil Sie gerade von Unterschieden gesprochen haben?
Barbara Levc: Ich habe eine kurze, eher versehentliche/ also sozusagen die Erfahrung gemacht, die war eher kurz und ich bin da eher reingestolpert einmal im Vorstand vom Steiermärkischen Blindenverband, der eben auch eine sehr schon lange etablierte Organisation war, und habe das es eher so aus den Erzählungen von anderen Verbänden auch so, das ist doch sehr stark eher in die Richtung gegangen ist. Ich würde nicht sagen als mitleiderregend dastehen, aber doch eher sozusagen das hervorzukehren, dass es halt um Unterstützung geht, um eben zu helfen und um…
Ja, es war dieses Selbstbewusstsein von, wir haben die gleichen Rechte, wir sollen und müssen die gleichen Lebenschancen haben, die gleichen Zugänge, in einer selbstbewussten Weise das zu vertreten. Das ist dort nicht transportiert worden, sondern eher, wir bitten um was und wenn wir dann vielleicht ein bisschen davon kriegen, sind wir auch alle ganz lieb dankbar.
Martin Ladstätter: Sie sind ja eine der tragenden Säulen der Selbstbestimmt Leben Bewegung und haben Ja auch Preise gekriegt, wie zum Beispiel den Dr. Elisabeth Wundsam-Hartig Preis. Wie sehen Sie Ihre eigene Person in der Selbstbestimmt Leben Bewegung?
Barbara Levc: Ich bin jetzt von meiner Persönlichkeit her, oder von meinem eigenen Zugang, bin ich jetzt keine sehr kämpferische Natur. Ich bewundere das immer an den Personen in der Selbstbestimmt Leben Bewegung, die sich wirklich auch dort gegen großen Widerstand hinsetzen und mit anderen Leuten wirklich heftig diskutieren.
Ich habe für mich einfach, so mir/ eher so ein bisschen den Weg der Diplomatie gewählt und versuche eben da so mit auf dem Weg sozusagen, steter Tropfen höhlt den Stein, Dinge zu verändern und Dinge weiter zu bringen und habe auch schon den Eindruck, dass mittlerweile ganz viele Bereiche in der Gesellschaft durchaus sehr bereit sind, da mitzutun und zu lernen.
Und eben das, was die Selbstbestimmt Leben Bewegung erkämpft hat doch wirklich in vielen Bereichen jetzt so angekommen ist. Das ich sage, was der Unterschied zwischen dem Anfang meiner Arbeit an der Universität und jetzt ist, dass ich bei neuen Bauvorhaben nicht mehr um die Frage eines barrierefreien Zugangs diskutiere oder um die Frage, dass ein barrierefreies WC da sein muss, sondern um Dinge, wie optische Markierungen, Akustisches zum Beispiel Induktionsanlagen. Also gewisse Dinge sind einfach angekommen mittlerweile in der Gesellschaft und andere, an denen ist noch ziemlich massiv zum Arbeiten. Aber…
Martin Ladstätter: Was sind Ihre Ziele für die Zukunft? Als abschließende Frage.
Barbara Levc: Wie ich zu arbeiten angefangen habe, habe ich mir ein Ziel gesetzt, ich möchte überflüssig werden. Ich möchte, dass die Universität so barrierefrei, so inklusiv ist, dass es eigentlich niemanden mehr braucht, der speziell Dinge für Menschen mit Behinderung durchsetzt oder berät.
Mittlerweile ist die Realität bei mir angekommen, dass sich das bis zu meiner Pension nicht mehr ausgehen wird. Und mein Ziel und das versuche ich jetzt auch in/ Ich unterrichte auch an der Pädagogischen Hochschule und da ist es einfach so, dieses Verständnis von Inklusion – von einer wirklichen Inklusion, nicht einer, die nur so heißt – weiterzugeben und mein Wissen weiterzugeben und auch in gewisser Weise Modell zu sein für eine gewisse Selbstverständlichkeit, dass Menschen mit Behinderungen einfach selbstverständlich überall dabei sind.
Und dass eben Rahmenbedingungen da sind, um dieses selbstverständlich dabei sein, zu ermöglichen. Dass nicht groß irgendwie spezielle Überlegungen oder jemand erst nachträglich irgendwas kriegt oder um irgendwas extra bitten muss, damit irgendwas barrierefrei ist. Sei es eine Veranstaltung, sei es ein Buch, was auch immer, was es für ein Studium oder so braucht, sondern dass diese Dinge einfach selbstverständlich mitgedacht werden. Und dann wäre ich vielleicht irgendwann wirklich einmal überflüssig.
[Überleitungsmusik]Katharina Müllebner: Das war unser Portrait von Barbara Levc aus der BIZEPS Sendereihe barrierefrei aufgerollt. Das Gespräch führte Martin Ladstätter. Wir bedanken uns an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich bei Barbara Levc für die interessanten Einblicke in ihr Leben.
Wir sind jetzt nicht mehr nur auf Radio ORANGE zu hören, sondern auch auf anderen Sendern. Alle Infos zu unseren Sendeterminen gibt es auf barrierefrei-aufgerollt.at/sendetermine.
Zum Schluss möchten wir Sie noch auf etwas ganz Besonderes hinweisen. Diese Sendung ist schon die Nummer 30. Wir freuen uns, dass wir schon so viele Sendungen geschafft haben. Viele weitere spannende Sendungen sind bereits in Arbeit. Bleiben Sie auch weiterhin dran! Bis zum nächsten Mal, Ihr Redaktionsteam Katharina Müllebner, Markus Ladstätter und Martin Ladstätter.
[Musik mit Text: barrierefrei aufgerollt – kurz, kompakt und leicht verständlich]