Bei dieser Sendung handelt es sich um unsere Jubiläumssendung, denn barrierefrei aufgerollt gibt es schon 2 Jahre.
Zeichenprotokolle sind eine Möglichkeit schwierige Inhalte noch einmal verständlich mit Hilfe von Grafiken zusammenzufassen.
Wie genau so ein Zeichenprotokoll gemacht wird und wem es nützt, das erfahren Sie in dieser Sendung.
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Unser Gast
Petra Plicka, Moderatorin und Zeichnerin

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Diese Sendung wurde auf Radio ORANGE 94.0 am 2. Juni 2019 um 10:30 gesendet. Die Sendung kann auch auf o94.at live gehört werden. Am 16. Juni 2019 um 10:30 wurde sie auf Radio ORANGE 94.0 wiederholt.
Die Sendung zum Nachlesen
Katharina Müllebner: Herzlich Willkommen zur heutigen Sendung von barrierefrei aufgerollt von BIZEPS – Zentrum für Selbstbestimmtes Leben. Am Mikrofon begrüßt Sie Katharina Müllebner.
Die heutige Sendung ist etwas Besonderes, denn im Juni 2017 wurde unsere erste Sendung zum Thema Leichte Sprache veröffentlicht. Das ist sozusagen unsere Jubiläumssendung. Wir haben heute übrigens schon unsere 24. Sendung.
Wer kennt das nicht, schwierige Diskussionen oder Vorträge oft wünscht man sich da jemanden, der die Inhalte noch einmal leichter zusammenfasst. Eine solche Methode der Zusammenfassung von Inhalten sind die sogenannten Zeichenprotokolle. Ihnen widmen wir heute eine ganze Sendung. Wir haben Petra Plicka eingeladen, sie ist Moderation und Zeichnerin und fertigt eben diese Zeichenprotokolle an. Was sind Zeichenprotokolle? Wie werden sie gemacht? Und wem nützen sie eigentlich? Das und mehr erfahren Sie in dieser Sendung.
[Überleitungsmusik]Katharina Müllebner: Frau Plicka würden Sie sich bitte einmal vorstellen?
Petra Plicka: Ja, schönen guten Tag. Herzlichen Dank für die Einladung. Mein Name ist Petra Plicka.
Ich bin Wienerin, bin in Wien geboren, habe als Kind in der Türkei gelebt und bin aber waschechte Wienerin und bin Moderatorin und Zeichnerin und mache Zeichenzusammenfassungen in mehr oder weniger leichter Sprache.
Katharina Müllebner: Es geht da um das Thema Zeichenprotokolle. Was ist so ein Zeichenprotokoll?
Petra Plicka: Das ist eine Methode, die sich im amerikanisch- englischen Raum entwickelt hat … wurde dort, oder wird dort Graphic Recording genannt.
Also das heißt, grafisches Aufzeichnen. Und da geht es darum, dass man zum Beispiel bei einer größeren Veranstaltung die Inhalte hört und dann in Comics, Cartoons und kleinere Clip-Arts sozusagen zeichnet, damit die Menschen nachher nachlesen oder nachschauen können, worum es gegangen ist.
Katharina Müllebner: Können Sie uns erklären, wie so ein Zeichenprotokoll angefertigt sind. Wie arbeiten Sie?
Petra Plicka: Also, da gibt es sehr unterschiedliche Methoden. Die klassische Methode, die ich selber aber nicht so oft verwende, ist, dass man in einem großen Konferenzsaal eine ganz, ganz lange Leinwand oder Zeichenwand hat.
Und im Laufe des Tages hört man eben zu, was gesagt wird und zeichnet dann so die Wand entlang. Das muss man sich vorstellen wie so ein meterlanges Bild, von dem was da gesagt wurde. Das sind Maxerln und Symbole.
Es gibt sehr unterschiedliche Varianten. Also das ist die klassische Methode. Ich selber arbeite sehr gerne auf Papier, und zwar lege ich mir A4 oder A3 Papier auf einen Tisch und höre zu, was die Vortragenden sagen und mache dann so kleine Bilder wie bei einem Comic. Wie bei einem Mickey-Maus-Heft oder so, wo ich dann so Geschichte für Geschichte erfasse.
Wenn das dann alles gezeichnet ist, mache ich davon Fotos, damit man es eben auch im Saal herzeigen kann. Weil das Publikum kann ja natürlich nicht alles sehen, wenn das so kleingezeichnet ist. Und dann mache ich eben Fotos von den gezeichneten Bildern und die werden dann über die Projektionswand, über diesen Beamer, hergezeigt, damit das Publikum mitschauen kann.
Katharina Müllebner: Sie sagten, es gibt verschiedene Methoden. Können Sie ein bisschen mehr darauf eingehen?
Petra Plicka: Ja, also wie gesagt die eine ist diese klassische Methode mit der großen langen Wand.
Es gibt aber auch noch Kollegen, Kolleginnen, die arbeiten elektronisch, also die haben zum Beispiel einen Computer vor sich liegen, auf dem man zeichnen kann. Da gibt es inzwischen schon mehrere Marken auch.
Und die zeichnen zum Beispiel so mit, dass man live mitschauen kann, was gezeichnet wird. Also, dass sozusagen jemand spricht und gleich im Hintergrund sieht man, wie es gezeichnet wird. Die Methode verwende ich nicht. Ich zeichne immer unsichtbar sozusagen von/vom Publikum, weil meiner Meinung nach das davon ablenkt, was die Personen gerade sagen.
Also dann sind die Zuhörer, Zuschauer zu sehr abgelenkt und schauen auf die Zeichnung und deswegen zeichne ich sozusagen immer nebenbei mit. Und das kann eben sein auf einem elektronischen Gerät, auf einem Computer, wo man zeichnen kann, oder eben, wie ich vorher schon erzählt habe, auf Papier mit Stiften. Also mit so Flipchartstiften oder Zeichenstiften.
Katharina Müllebner: Gibt es irgendwelche Regeln, die man unbedingt beachten muss, wenn man Zeichenprotokolle macht?
Petra Plicka: Also für mich eine wichtige Regel ist, dass ich im Vorfeld schon genug Informationen habe, denn man muss sich vorstellen … also wir Zeichner, Zeichnerinnen sitzen dann mitten in der Veranstaltung und es werden Dinge gesagt, oft in sehr schwerer Sprache. Es werden Fachbegriffe benutzt. Und wenn man das zum ersten Mal hört und überhaupt nicht weiß, was das ist, kann man ja nicht im Kopf überlegen, wie zeichne ich das.
Also eine ganz wichtige Regel meiner Meinung nach ist die gute Vorbereitung und dazu muss man sich im Vorfeld mit den Vortragenden, mit den Veranstaltern, gut abstimmen.
Ich bekomme dazu meistens deren Folien. Weil viele Vortragende haben ja Foliensätze, so auf PowerPoint oder wie das halt heißt. Und die schicken mir das dann und dann kann ich mich darauf vorbereiten. Also das ist für mich eine der wichtigen Regeln, damit ich im Vorfeld mir schon Bilder überlegen kann, damit es dann schnell geht.
Katharina Müllebner: Gibt es so etwas wie eine Vorläufermethode oder einen Entwickler dieser Zeichenprotokolle?
Petra Plicka: Also ich kann keinen Namen nennen. Dazu muss ich ehrlich gestehen, habe ich auch noch nicht recherchiert. Das ist sehr interessant, dem vielleicht mal nachzugehen.
Ich weiß nur, dass es als Konferenzzusammenfassungsmethode vor allem in Amerika ursprünglich benutzt wurde. Also es kommt wirklich aus dem sogenannten angloamerikanischen Raum, also England, Amerika, und von der Szene her.
Also wir verwenden es ja jetzt, um Menschen mit Lernschwierigkeiten bei Konferenzen eine Möglichkeit zu geben, Dinge zu verstehen, aber die Ursprungsidee oder die Ursprungswelt war eigentlich die kreative Welt. Also Firmen wie Handyhersteller, ohne Namen zu nennen, haben bei ihren Konferenzen oft schon Menschen dabeigehabt, die einfach schnell mitzeichnen, um die Kreativität zu fördern und um eine andere Art der Kommunikation sicherzustellen. Also es kommt sicher aus dem Kreativbereich, aus dem Werb/aus der Werbebranche und eben aus der Elektronikindustrie, die halt sehr innovativ gearbeitet hat. Aber namentlich wüsste ich jetzt nicht, ob es da einen Schöpfer oder eine Schöpferin gibt.
Katharina Müllebner: Sie haben vorhin schon erwähnt, es nützt Menschen mit Lernschwierigkeiten. Wem nützt es noch, diese Methode der Zeichenprotokolle?
Petra Plicka: Meiner Meinung nach nützt es allen. Vor allem all jenen, die bei so einer Konferenz … also ich spreche jetzt immer von ganztägigen Konferenzen. Es gibt natürlich auch kürzere Veranstaltungen, wo man das verwendet. Aber es nützt eigentlich allen, die dabei waren, weil sich halt eine Person, oder manchmal ist man ja auch zu zweit, voll konzentriert und zuhört und dann noch mal eine Zusammenfassung macht.
Und denkt man nur darüber nach, wenn man selber in einer Veranstaltung sitzt. Manchmal schweift man geistig ab, oder man schaut kurz aufs Handy und dann hat man vielleicht genau die eine Botschaft nicht gehört und kann es dann nachher in einer leichten Zusammenfassung noch einmal präsentiert bekommen. Und ich kriege auch oft die Rückmeldung … also Menschen mit und ohne Lernschwierigkeiten, die dann zu mir kommen und sagen, super, danke, nach der Zusammenfassung war mir dann eigentlich erst klar, was so die Hauptbotschaft war der Vortragenden.
Also ich glaube, dass es allen Menschen nützt. Es nützt vor allem auch dort, wo nicht alle die gleiche Sprache sprechen. Ich nehme das Beispiel einer internationalen Konferenz, auf der Englisch gesprochen wird und wo nicht alle, die dort sind, wirklich gut Englisch können. Und dann gibt es halt eine Zusammenfassung in einfachem Englisch, damit die, die nicht so gut Englisch können, sagen, ach okay, ich glaube, jetzt habe ich es auch verstanden.
Katharina Müllebner: Sie sagten, es kommt bei Konferenzen zum Einsatz, aber es gibt auch andere Einsatzgebiete. Welche sind das?
Petra Plicka: Also ich persönlich verwende es ganz viel in der Arbeit mit Interessenvertretern und Selbstvertretern in Behinderteneinrichtungen. Also in Einrichtungen der Behindertenhilfe, um das richtige Wort zu verwenden. Das sind Personen, die gerade erst lernen, was es heißt, öffentlich ihre Meinung zu sagen oder eine Ausbildung machen zu, wie stelle ich mich vor, wenn ich eine Interessenvertreterin bin. Und dort benutze ich es, um die Informationen, die wir in dem Seminar zum Beispiel vermitteln möchten, so aufzubereiten, dass sie verstanden werden können, auch wenn die Person vielleicht nicht so gut lesen kann.
Es gibt ja doch einige Personen, die lesen können, aber vielleicht nicht sinnerfassend lesen oder sich halt mit Bildern leichter tun. Also ich verwende es viel für meine Schulungen, die ich abhalte. Ganz konkret eben behinderte Menschen in geschützten Einrichtungen. Das ist ein nicht sehr schönes Wort, ich weiß. Aber eigentlich auch in Seminaren, wo die angeblich … wie heißt es so schön, die chronisch Normalen dabei sind. Die freuen sich oft auch über solche Zusammenfassungen in Bildern.
Katharina Müllebner: Sie haben vorher das Wort Interessenvertreter erwähnt. Das kennen vielleicht nicht alle außerhalb der Community. Würden Sie uns erklären, was ist ein Interessenvertreter?
Petra Plicka: Also Interessenvertreterinnen, Interessenvertreter sind Personen, die zum Beispiel in einer WG, einer Wohngemeinschaft für Menschen mit Behinderungen, von den Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern gewählt wurden, um die Interessen der Bewohnerinnen und Bewohner zu vertreten.
Und da gibt es ja jetzt durch die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ganz starke Bestrebungen in ganz Österreich in allen Einrichtungen, dass es solche Interessenvertretungen, oder manchmal werden sie Wohnräte genannt, gewählt werden müssen. Und das ist in den letzten Jahren passiert und das ist natürlich eine Rolle, in die man erst hineinwachsen muss.
Und da gibt es eben Seminare für die Menschen. Sie werden unterstützt, sich zur Wahl zu stellen, mit der Wahl umzugehen, also damit klarzukommen, dass man jetzt gewählt ist, zu lernen, was es heißt, aha, ich bin jetzt Interessenvertreter, für wen spreche ich. Also das ist eine breite Aufgabe, die man aber auch als Mensch, der gewählt worden ist, erst lernen muss.
Katharina Müllebner: Wenn Sie jetzt ein Zeichenprotokoll machen, wie genau gehen Sie da vor? Wie kann man sich das vorstellen?
Petra Plicka: Also, wenn ich bei einer Konferenz bin zum Beispiel, also ich nehme jetzt einen Kongress, dann habe ich im Vorfeld ja schon die Unterlagen gehabt, also habe alles bekommen, was an dem Tag gesagt wird, habe dann für mich auf einem Schmierzettel schon Skizzen vorbereitet, also zum Beispiel für das Thema Unterstützung.
Also ich weiß, es kommt das Wort vielleicht persönliche Assistenz, oder es kommt das Wort Unterstützerin. Dafür habe ich mir dann schon was vorgezeichnet. Und dann habe ich diese Skizzen bei mir, habe mein ganzes Material liegen, habe meinen Fotoapparat bereit und meinen Computer. Und wenn es dann losgeht, muss ich komplett zuhören können.
Also wenn mich dann jemand stört, werde ich ganz böse. Da habe ich auch schon Leute böse weggeschickt und gesagt, lassen Sie mich in Ruhe, ich muss hier arbeiten. Weil ich da ganz konzentriert zuhören muss. Also am liebsten ist mir, wenn ich Kopfhörer aufsetzen kann, damit ich das, was gesagt wird, wirklich gut höre und dann geht es meistens recht schnell.
Also ich höre dann die gesprochenen Worte. Ich weiß ja schon in etwa, was kommen wird und zeichne dann die Symbole, die ich mir vorbereitet habe, kombiniert mit ein paar Zitaten.
Also es sind ja nicht nur Bilder, es sind ja schon auch Worte manchmal dabei. Also wenn jemand was besonders Lustiges sagt … ich erinnere mich einmal an einen damaligen Behindertenanwalt, der gesagt hat, wir sind auf dem Weg zum Ziel, aber es geht halt sehr langsam und es ist ein bisschen wie eine Schnecke. Und das war natürlich einfach zu zeichnen. Da habe ich dann einfach eine Schnecke gezeichnet, die in Richtung eines Ziels unterwegs ist und über so was freue ich mich dann.
Also wenn Menschen so Metaphern verwenden und so lustige Sachen sagen oder Sachen sagen, wo man sich was vorstellen kann. Ganz oft ist es nicht so und dann ist es, glaube ich, meine … das passiert in meinem Kopf irgendwie … dass ich mir denke, aha, das könnte man vielleicht so oder so zeichnen. Und wenn mir zu einem Wort überhaupt nichts einfällt, darum habe ich auch immer meinen Computer neben mir, dann gebe ich im Internet das Wort ein und schreibe dazu Icon, das ist englisch für kleines Symbol, und schaue, was das Internet ausspuckt. Und das inspiriert mich dann. Also ich zeichne das dann nicht ab, aber dann denke ich mir, ah ja, genau, so könnte man es auch zeichnen. Und dann zeichne ich das halt.
Ich versuche möglichst, mit wenig Farben zu arbeiten. Früher habe ich das alles sehr bunt gemacht. Ich bin draufgekommen, das ist viel zu voll dann auch für die Zusammenfassung. Das heißt, ich zeichne jetzt fast immer nur in Schwarz, also mit schwarzem Stift oder mit Schwarz auf meinem elektronischen Gerät. Wenn ich dann noch Zeit habe, mache ich Farbakzente. Also wenn etwas sehr bedeutsam ist, dann untermale ich das mit roter Farbe zum Beispiel, oder wenn man die Menschen … die sind ja wirklich nur Strichmaxerln, wenn man die irgendwie unterscheiden muss, dann gebe ich denen vielleicht eine Farbe, damit man sagt, okay, zum Beispiel Türkis ist für mich fast immer die persönliche Assistenz oder die Unterstützung. Die kriegt immer die Farbe Türkis, weil es für mich auch leichter ist, dass ich mir merke, wen ich da gemeint habe.
Also ich versuche da auch, schon Bilder zu entwickeln, die ich mir merken kann und die sich vielleicht durchsetzen auch als … quasi als Vokabel. Damit man es/damit es alle besser verstehen können, auf lange Sicht hoffentlich.
Katharina Müllebner: Was würden Sie als Expertin sagen, was sind so die Kennzeichen eines guten Zeichenprotokolls?
Petra Plicka: Ja, das ist eine gute Frage. Ich habe halt persönlich sehr hohe Ansprüche. Ich tausche mich ja zum Glück auch mit einer Kollegin aus, die in Linz tätig ist als Zusammenfasserin, also die auch wirklich genau das macht, was ich mache.
Und wir haben einmal so eine Besprechung gehabt, wo wir uns genau diese Frage gestellt haben. Was ist/was sind die Qualitätskriterien?
Und für mich ist es eigentlich immer der Blickkontakt mit Menschen im Publikum, von denen ich weiß, dass es für sie wichtig ist, dass ich zusammenfasse. Und wenn ich von dort eine Rückmeldung bekomme, dass es zu kompliziert ist, also nämlich ein … durch Augenkontakt … dann merke ich, ich habe es falsch gemacht. Also das ist mein/meine Erkennungsmöglichkeit. Ich glaube, wichtige Kriterien sind, dass man es sehr einfach hält.
Also nicht komplizierte Bilder zeichnet. Das muss nicht schön sein. Also Schönheit, von schönen Bildern bin ich lang weg. Also wie gesagt, ich wollte einmal Zeichnerin werden oder Malerin. Es muss nicht schön sein, sondern es muss irgendwie die Botschaft, die gesendet werden soll, oder die gesagt werden soll, muss irgendwie deutlich erkennbar sein. Das ist/da ist ein kleiner Nachteil, weil bei den gezeichneten Bildern muss man natürlich manchmal Klischees aufzeichnen.
Also wenn das Thema Menschen mit Behinderungen im Programm steht, dann zeichne ich natürlich fast immer zumindest eine Person, die im Rollstuhl sitzt. Ich versuche es aber auch zu kombinieren mit Gebärdenhänden. Mit einer Person, die vielleicht einen Blindenstock in der Hand hat. Wenn ich Zeit habe, dann zeichne ich vielleicht noch einen Blindenführhund dazu. Also damit man halt sieht, es geht nicht … es geht um viele Menschen, es geht um die Vielfalt der Menschen. Trotzdem, wenn es ganz, ganz schnell gehen muss, dann nehme ich mir halt eines dieser Symbole. Und das ist natürlich ein Nachteil, weil ich weiß ja, wir Menschen sind so vielfältig und das ist so ein Herunterbrechen auf Klischees. Also das ist ein bisschen ein Nachteil.
Aber ich glaube, ein wichtiges Qualitätskriterium ist auch, dass man in den Bildern sieht, dass man unterschiedliche Personen darstellt. Also mal eine Frau, einen Mann, ein Kind, einen alten Menschen, einen Menschen im Rollstuhl, eine Person, die blind ist, eine dicke Person, eine dünne Person, damit man einfach die Vielfalt sieht, auch wenn es nicht in jedem Bild erkennbar ist.
Katharina Müllebner: Sie haben erwähnt, dass Sie jetzt nicht mehr so viele Farben beim Zeichnen verwenden, wie Sie das früher getan haben. Was ist der Grund dafür?
Petra Plicka: Das hat vor allem praktische Gründe, weil es natürlich viel schneller geht, wenn ich nicht dauernd Farben wechseln muss. Aber es hat auch, glaube ich, Qualitäts/die Qualität der Bilder verbessert.
Durch die vielen bunten Farben war es, glaube ich, zu chaotisch auf diesen Zusammenfassungsbildern. Da war oft viel zu viel drauf. Das war auch eine der Rückmeldungen, die ich früher bekommen habe. Es ist sehr schön, aber es ist so viel. Und dadurch, dass ich jetzt die Farben reduziert habe und die wirklich nur mehr akzentuiert, also nur mehr für bestimmte Dinge verwende, sind die Bilder klarer geworden, glaube ich. Also, ich bin mir sogar sicher, dass es so ist. Ich habe es nur noch nicht überprüft mit der Zielgruppe. Da möchte ich jetzt bald einmal ein Treffen machen und das auch mit Menschen mit Lernschwierigkeiten abstimmen.
Katharina Müllebner: Sie haben oft Menschen mit Lernschwierigkeiten erwähnt. Für die ist das gut. Man kennt ja von Menschen mit Lernschwierigkeiten die leichte Sprache. Was haben Zeichenprotokolle mit leichter Sprache zu tun?
Petra Plicka: Das ist nicht unbedingt genau das Gleiche, weil man weiß ja, dass die Leichte Sprache einem ganz hohen Qualitätskriterium entspricht. Da werden ja Texte so lange von einer Prüfgruppe bearbeitet, bis sie wirklich von allen verstanden werden. Das geht sich rein zeitlich gar nicht aus in so einem Zeichenprotokoll.
Weil da geht es wirklich darum, ich bin vor Ort, ich höre zu, oder … das muss ja nicht ich sein, das kann ja auch jemand anderes sein, aber man ist eben vor Ort, man hört zu und muss sofort versuchen, etwas in einfachere Worte zu fassen und in einfachere Bilder.
Und ich werde auch bei den Konferenzen öfter mal gefragt, na, wie sollen wir Sie denn ankündigen? Ich würde sagen/also, dann kommt eine Moderatorin zu mir und sagt, na ja, ich würde Sie ankündigen als die, die die Zusammenfassungen in leichter Sprache macht.
Und ich sage dann immer, nein, das kann man so eigentlich nicht sagen. Es ist eben nicht leichte Sprache, es ist eine bildunterstützte Zusammenfassung in einfacheren Worten. Das ist es, glaube ich, eher. Und das ist eben … da ist ein Zusammenhang vielleicht mit Leichter Sprache, aber es ist nicht das Gleiche.
Katharina Müllebner: Wie kann man es lernen, ein Zeichenprotokoll zu machen?
Petra Plicka: Das werde ich oft gefragt. Danke für diese Frage. Ich kann es nur von mir beantworten. Ich selber habe einfach immer schon gern gezeichnet. Ich habe als Kind irgendwann auch die Fantasie gehabt, dass ich mal Künstlerin und Malerin werde und habe aber dann einen anderen Berufsweg eingeschlagen, habe das Zeichnen aber nie ganz vergessen.
Also ich mache das hobbymäßig und habe dann vor, ich schätze mal 20 Jahren, ein Buch in die Hand bekommen vom Tony Buzan. Das ist vielleicht ein Name, den ich nennen kann. Der hat so diese Mind-Mapping-Methode erfunden. Das ist eine Methode, nennen wir es … wie es ist auch englisch und heißt übersetzt Gehirn-Landkarte. Und diese Methode schlägt eben vor, dass man nicht nur mitschreibt, sondern, dass man sich eben auch kleine Bilder zeichnet, um sich Dinge zu merken.
Und das habe ich eben vor 20 Jahren irgendwie entdeckt und mach das seither. Und dadurch habe ich mir halt selbst beigebracht, Bilder zu zeichnen. Ich habe dann auch bisschen recherchiert, bin über Bücher gestoßen … es gibt anscheinend wirklich schon sehr viel Literatur, in Anführungszeichen.
Also Bücher über das Zeichnen von Protokollen, wo halt erklärt wird, wie man Maxerl zeichnet, wie man schneller mal ein Haus zeichnet, oder wie man bestimmte Themen grafisch darstellt.
Also das Erlernen in meinem Fall war, dass ich mir das selbst beigebracht habe und in der Arbeit bei der Moderation, egal wo, halt die Leute immer gesagt haben, ja Petra, du machst doch so schöne Flip Charts, könntest du das bitte zeichnen. Das ist mein Weg gewesen. Für andere gibt es sicher Ausbildungen und Lehrgänge, wo man das lernen kann. Aber ich/dort, wo ich selber Seminare halte, sage ich auch immer dazu: üben, üben, üben.
Katharina Müllebner: Gibt es so etwas wie eine Organisation der Zeichenprotokollare und Zeichenprotokollarinnen?
Petra Plicka: Nicht, dass ich sie kennen würde. Wir haben eine Branchenvereinigung im deutschsprachigen Raum. Das nennt sich einfach nur Branchentreff der Graphic Recorder, also der grafischen Erfasser, und da gab es letztes Jahr in Wien eine große Konferenz. Und da wird heuer im September in München auch wieder eine Veranstaltung sein, wo wir uns treffen und austauschen über Methoden, über Herangehensweisen, aber das ist keine Vereinigung, sondern das ist einfach eine freiwillige, von einer der Kolleginnen veranstaltete Konferenz, wo man hinfährt und halt die Kosten übernimmt und dann sich mit den Kollegen zwei, drei Tage lang austauschen kann.
Katharina Müllebner: Wie bekannt ist diese Methode generell hier in Österreich?
Petra Plicka: Ich glaube, dass Graphic Recording, also dieses klassische, wo halt jemand an einer Wand etwas zeichnet und man die Zusammenfassung dann anschauen kann, ist schon relativ bekannt.
Die Form, wie wir es verwenden in der Arbeit mit Menschen mit Lernschwierigkeiten, da nenne ich es ja eher so was wie bildgestützte Kommunikation. Ich glaube, das wird schon langsam bekannter. Mein Eindruck ist, anhand der Anfragen, die ich auch bekomme, dass es immer mehr gefragt wird. Aber ich kann es jetzt nicht in Zahlen fassen. Also ich kann nur sagen, bei allen Veranstaltungen, wo es darum geht, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten Zielgruppe sind, wird es von den Betroffenen selbst gefordert, dass es jemanden gibt, der Zusammenfassungen macht.
Also es ist quasi in der Szene besser bekannt, als bei Veranstaltern.
Katharina Müllebner: Was ist der Zusammenhang Ihrer Meinung nach zwischen Zeichenprotokollen und Inklusion?
Petra Plicka: Ich sehe einen ganz großen Zusammenhang, denn wenn ich den nicht sehen würde, würde ich es wahrscheinlich gar nicht so leidenschaftlich machen.
Ich glaube, es ist ein Weg, Sprache so herunterzubrechen, dass alle eine Chance haben, dabei zu sein und teilhaben zu können.
Ich merke es dann, wenn ich Vorträge von irgendwelchen sehr sympathischen, aber hochgebildeten und daher schwer sprechenden Universitätsprofessor/-innen zusammenfassen muss. Die sprechen in dermaßen schwierigen Worten. Also das sind Personen, die ganz viel wissen und superschlau sind und dann so kompliziert reden, dass es wirklich niemand verstehen kann. Oder/also, sagen wir nur ein Drittel vielleicht des Publikums. Und ich glaube, es gibt dann all jenen eine Chance, auch etwas zu verstehen, die nicht aufzeigen wollen und sagen wollen, Entschuldigung, ich habe Sie nicht verstanden. Weil das ist ja auch eine Hürde, dass man sagt, stopp, ich verstehe Sie nicht. Und so ist es eine Vergemeinschaftung von Wissen für alle.
Und ich glaube eine Basis der Teilhabe und der Partizipation die Grundlage ist, dass ich informiert bin und Informationen habe und verstehe, worum es geht. Und wie kann ich teilhaben, wenn es mir keiner erklärt. Und deswegen halte ich das Zeichnen für eine ganz wichtige Methode, um das sicherzustellen.
[Überleitungsmusik]Katharina Müllebner:Das war unser Ausflug in die Welt der Zeichenprotokolle. Zeichenprotokolle sind ein kreativer und interessanter Weg schwierige Inhalte möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen. An dieser Stelle möchte ich mich noch einmal ganz herzlich bei Petra Plicka für das Interview bedanken.
Sie hörten „Was ist ein Zeichenprotokoll?“ aus der BIZEPS Sendereihe barrierefrei aufgerollt. Alle Informationen zu dieser Sendung finden Sie auf www.barrierefrei-aufgerollt.at.
Sie hörten diese Sendung auf Radio ORANGE 94.0.
Es verabschiedet sich ihr Redaktionsteam Katharina Müllebner, Markus Ladstätter und Martin Ladstätter!
[Musik barrierefrei aufgerollt kurz, kompakt und leicht verständlich]