Im März 2022 heißt es Happy Birthday bei BIZEPS. Denn die BIZEPS Peer-Beratungsstelle feiert ihren 30. Geburtstag! Ein besonderes Datum ist es auch für barrierefrei aufgerollt, denn wir dürfen uns über unsere 50. Sendung freuen. Deshalb ist dies eine Jubiläumssendung.
Mit unserer Kollegin Cornelia Scheuer sprechen wir über die Peer Beratung von BIZEPS und über ihren Alltag als Peer-Beraterin. Danach geben Markus Ladstätter und Katharina Müllebner einen Einblick in die Arbeit von barrierefrei aufgerollt und lassen miteinander tolle Momente und Lieblingssendungen noch einmal aufleben.
Die Radiosendung zum Nachhören
Hier kannst du die Sendung anhören:
Hier kannst Du die Sendung Nachlesen.
Interessante Links:
Hier ein paar Links zum Peer Beratung Jubiläumsteil der Sendung:
- BIZEPS-Peer-Beratung
- Der exklusive BIZEPS-Song
- Infos zum Thema Peer-Beratung
- Interview zur Entstehung von BIZEPS
- Endlich ist es soweit. BIZEPS startet durch!
Anlässlich unseres Rückblickes 50 Sendungen barrierefrei aufgerollt gibt es hier die Links zu den in der Radiosendung genannten Lieblingssendungen:
- Sendung 1: Leichte Sprache und Partizipation
- Sendung 32: Driss Mareoudi zum Thema Flucht
- Sendung 34: Barrierefreiheit in Museen
- Sendung 8: Im Gespräch mit Yetnebersh Nigussie
- Sendung 47. Teilhabe am Arbeitsleben – Teil 2
- Sendung 29: Barrierefreiheit von Haushaltsgeräten
Themenvorschläge
Sollten Sie finden, dass wir ein Thema noch nicht behandelt haben, dass Sie aber absolut interessant finden, dann schreiben Sie uns und werden sie Teil der Programmgestaltung von barrierefrei aufgerollt. Themenvorschläge können Sie gerne an unsere E-Mail-Adresse thema@barrierefrei-aufgerollt.at schicken.
Die Sendung im Radio hören
Wien: Auf Radio ORANGE am 6. März 2022 um 10:30 Uhr. Die Sendung kann auch auf o94.at live gehört werden. Die Wiederholung gibt es am 20. März 2022 um 10:30 Uhr.
St. Pölten: Im campus & city Radio am 10. März 2022 um 17 Uhr. Die Sendung kann auf cr944.at live gehört werden.
Graz: Im Radio Helsinki am 11. März 2022 um 17 Uhr. Die Sendung kann auch auf helsinki.at live gehört werden.
Salzburg: Auf Radiofabrik am 14. März 2022 um 18 Uhr. Die Sendung kann auch auf radiofabrik.at live gehört werden.
Hier findest Du alle unsere Sendetermine in den verschiedenen Radiosendern.
Die Sendung zum Nachlesen
Katharina Müllebner: Herzlich willkommen zur heutigen Sendung von barrierefrei aufgerollt vom BIZEPS Zentrum für Selbstbestimmtes Leben. Die heutige Sendung ist etwas Besonderes, denn im März 2022 haben wir unser BIZEPS-Peer-Beratung 30 Jahre Jubiläum und diese Sendung heute ist auch unsere 50. Sendung von barrierefrei aufgerollt.
Deshalb ist die heutige Sendung eine Jubiläumssendung. Im ersten Teil unserer Sendung stellen wir Ihnen die Peer-Beratungsstelle vom BIZEPS vor und erklären das Konzept der Peer-Beratung, nach dem wir arbeiten.
Im zweiten Teil unserer Sendung widmen wir uns barrierefrei aufgerollt. Mein Kollege Markus Ladstätter und ich erzählen über die Anfänge unserer Sendereihe, geben einen Einblick in die Arbeit von barrierefrei aufgerollt und lassen unsere schönsten Momente und Lieblingssendungen noch einmal aufleben. Also viel Spaß bei diesem Blick hinter die Kulissen.
[Überleitungsmusik]Happy Birthday, BIZEPS Beratungsstelle. Die BIZEPS Beratungsstelle gibt es seit dem Jahr 1992. Sie ist eine Beratungsstelle für Menschen mit Behinderungen und ihre Angehörigen, welche nach dem Konzept der Peer-Beratung arbeitet.
Bevor Ihnen meine Kollegin, Cornelia Scheuer, die langjährige Peer-Beraterin bei BIZEPS ist und deren schöne Stimme Sie aus dem Jingle von barrierefrei aufgerollt kennen, Ihnen etwas über die Beratungsstelle und über ihre Erfahrungen als Beraterin erzählt, gebe ich Ihnen einen Einblick in das Konzept der Peer-Beratung.
Das Wort Peer bedeutet übersetzt, seinesgleichen. Im Falle der Peer-Beratung bedeutet das, dass Beratung durch Menschen durchgeführt wird, die sich in einer vergleichbaren Lebenssituation befinden. Zum Beispiel in unserem Fall auch eine Behinderung haben.
Das Konzept der Peer-Beratung orientiert sich an den Fähigkeiten und Ressourcen der Person, die in die Beratung kommt. Es geht davon aus, dass die ratsuchende Person Experte oder Expertin in eigener Sache ist. Auch wenn es der Ausdruck Beratung vielleicht vermittelt, geht es nicht darum, der ratsuchenden Person Ratschläge zu erteilen oder Lösungen vorzuschlagen, es geht darum, sie dabei zu unterstützen eigene, für sie passende Lösungsansätze zu finden und ihre eigenen Ressourcen zu entdecken. Das Konzept der Selbstbestimmung steht dabei im Mittelpunkt.
Das Konzept der Peer-Beratung, auch Englisch Peer-Conseling genannt, wurde in den 60er-Jahren von dem amerikanischen Psychologen Carl Rogers entwickelt. Es beruht auf dem Konzept der klientenzentrierten Gesprächstherapie.
Der klientenzentrierten Gesprächstherapie liegt das Menschenbild zugrunde, das davon ausgeht, dass der Mensch eine angeborene Selbstverwirklichungs- und Selbstverkommnungstendenz besitzt. Das heißt, einfacher gesagt, wir tragen alle Ressourcen, die wir zur Weiterentwicklung und zur Überwindung von Krisen brauchen, bereits in uns und können sie dazu nutzen, uns weiterzuentwickeln und Probleme zu lösen.
Bevor wir mit unserer Kollegin Cornelia Scheuer über Ihre Tätigkeit als Peer-Beraterin sprechen, haben wir mit unserem Obmann Martin Ladstätter gesprochen, wie und warum aus BIZEPS eine Beratungsstelle wurde.
Hallo Martin. Schön, dich zu hören. Kannst du uns etwas dazu erzählen über die Anfänge der Peer-Beratungsstelle?
Martin Ladstätter: BIZEPS wurde 1990 als Selbsthilfegruppe gegründet und im Laufe der Zeit sind wir draufgekommen, dass jeder von uns Informationen hat, die er mit anderen tauschen könnte. Und so begannen wir uns gegenseitig zu beraten.
Und 1992, konkret am 12. März, haben wir unser erstes Beratungszentrum, Peer-Beratungszentrum, in einem Behinderten-Heim im dritten Wiener Gemeindebezirk gegründet.
Am Anfang waren es vier, fünf Beraterinnen und Berater und die Beratungsstelle ist sehr schnell, sehr bekannt geworden, weil wir anfangs das Glück hatten, einen großen ORF-Bericht über uns zu bekommen.
Und die ersten Wochen war bei uns dauernd der Anrufbeantworter voll. Damals war es üblich, dass unter Beratung verstanden worden ist, dass Mediziner und Sozialarbeiterinnen Menschen mit Behinderungen beraten haben.
Neu war das Konzept der Peer-Beratung, dass wir aus Amerika importiert haben und auch in Deutschland gesehen haben, dass das sehr erfolgreich war. Wir wurden also die ExpertInnen in eigener Sache und haben gesagt, wir probieren das auch in Österreich.
Aus dieser Peer-Beratungsstelle, die wir ab März 1992 gegründet haben, wurde dann das erste Österreichische Zentrum für Selbstbestimmtes Leben im Jahr 1994, das heutige BIZEPS.
Katharina Müllebner: Danke Martin, für diesen Einblick in die Geschichte von BIZEPS. Jetzt übergebe ich das Wort weiter an Cornelia Scheuer, die bei uns Conny genannt wird, die wir heute ausnahmeweise auch duzen, weil sie unsere Kollegin ist.
Liebe Conny, schön, dass du da bist. Fangen wir mit etwas Persönlichem an. Wie bist du zur Peer-Beratung bei BIZEPS gekommen?
Cornelia Scheuer: Ja, hallo. Zur Peer-Beratung. Ich habe mich eigentlich für einen Job beworben als Beraterin bei BIZEPS und das war schon sehr lange her. Das war 2006.
Ich hatte ein bisschen Erfahrung mit Beratung, weil ich vorher Referentin am damaligen Bundessozialamt war für ein Jahr und dort bin ich aber weggegangen. Und dann habe ich wieder Arbeit gesucht und BIZEPS hat da auch gerade jemanden gesucht und dann habe ich mich beworben und wurde genommen.
Katharina Müllebner: Und hast du für die Tätigkeit als Beraterin eine Ausbildung gemacht?
Cornelia Scheuer: Ja, ich habe, das war Bedingung, um beim BIZEPS als Beraterin arbeiten zu können. Das heißt, mein erster Auftrag/ mein erster Arbeitsauftrag war eigentlich, such dir eine Ausbildung, wo du Peer-Beratung Ausbildung machen kannst.
Ich habe dann damals nur eine gefunden bei Bifos e.V.. Das ist ein deutscher Verein, der schon jahrelang diese Peer-Beratungsausbildungen anbietet. Und bin dann einfach im drauffolgenden Jahr für sechs Module nach Berlin gefahren und habe dort die Ausbildung gemacht.
Katharina Müllebner: Was sind denn so die wichtigsten Qualifikationen und Kompetenzen, die man für diesen Beruf mitbringen muss, deiner Meinung nach?
Cornelia Scheuer: Ich glaube, man muss sehr offen sein für andere Lebenswünsche und Lebenskonzepte. Man muss zuhören können. Und auch in dem Bewusstsein die Beratung machen, dass der eigene Weg nicht zwingend der Beste ist für alle und auch die eigenen Grenzen kennen.
Katharina Müllebner: Was macht das Besondere an der Peer-Beratungsmethode aus? Was unterscheidet sie von anderen Beratungsmethoden?
Cornelia Scheuer: Ich glaube, ein ganz wichtiger Punkt oder ein ganz wichtiger Punkt dabei ist die Vorbildwirkung, dass andere Menschen mit Behinderungen Menschen mit Behinderungen beraten.
Das heißt, das sind Role-Models, die ganz wichtig sind, die ein sehr selbstbestimmtes Leben führen und damit allein dadurch, dass sie Beraterin sind, schon einmal einen sehr großen Effekt erwirken.
Die zweite Geschichte ist, dass die Erfahrungswelt eine ähnliche oder eine gleiche ist, die natürlich Persönlichkeitsstrukturen auch ausbildet mit Erfahrungen der Diskriminierung, der Ausgegrenztheit, also der Vorurteile, die man auslöst, ja?
Ich glaube, das ist ganz ein wichtiger Punkt, man muss in der Beratung schon einmal viel weniger jammern, wenn man jemanden vor sich hat, wo man das Gefühl hat, der hat dieselben Erfahrungen wie ich, bei dem muss ich nicht alles dreimal erklären und da kann ich mich gleich auf das konzentrieren, was ich mir eigentlich wünsche oder was mein Problem ist.
Also das ist etwas, obwohl ich da noch keine Peer-Beratung gemacht habe, auch in der Situation am Bundessozialamt schon gemerkt habe. Wenn ich jemanden beraten habe, haben die Leute viel weniger gejammert, als bei meinem Kollegen, der keine Behinderung hatte, weil die gewusst haben, ich bin in derselben Situation oder ich kenne die Situation und dadurch waren sie schon mal viel entspannter bei mir.
Und ein ganz wichtiger Aspekt bei der Peer-Beratung ist auch so dieser Aspekt des, die eigenen Fehler machen dürfen, nicht die ganze Zeit bevormundet zu werden und erklärt zu bekommen, was das Beste für einen ist, sondern sich selbst ausprobieren zu dürfen, seine Träume zu formulieren oder seine Lebenswünsche und ich habe jemanden, der mir zuhört und das überhaupt nicht absurd findet, sondern eher mich dabei noch unterstützt.
Also ich glaube das ist ganz wichtig und deswegen ist die Methode auch so, deswegen kommt die auch so an oder ist die auch so unterstützend.
Katharina Müllebner: Also du hast gesagt, dass man versuchen soll, die Leute zu ihrem eigenen Weg kommen zu lassen und auch keine direkten Ratschläge geben. Das stelle ich mir manchmal schwierig vor. Wie macht man das?
Cornelia Scheuer: Durch Fragen stellen. Also ich weiß, ich stelle in Beratungen einfach ganz viele Fragen und es ist ja auch in der Methode, die beinhaltet ja auch so dieses Prinzip, dass jeder Mensch eigentlich seine Lösungen selber weiß, nur manchmal kann er sie noch nicht so formulieren oder weiß nicht, wie er sie umsetzen kann.
Und durch Fragen und durch dann noch einmal formulieren oder nachfragen und konkretisieren, passiert das dann, dass die Leute plötzlich auf ihre eigenen Lösungen kommen.
Katharina Müllebner: Wie läuft jetzt konkret so eine Beratungssituation ab, wie kann man sich das vorstellen?
Cornelia Scheuer: Also die Menschen, die KundInnen wenden sich an uns meistens per Telefon oder per E-Mail und fragen um eine Beratung an.
Wir machen dann einen Termin aus und dann kommen sie entweder ins Beratungszentrum für eine Face-to-Face-Beratung oder wir machen sie per Video. Gerade jetzt in diesen Zeiten der Pandemie sind wir ja auch im Homeoffice und müssen da andere Medien auch einsetzen dafür, dass die Beratung stattfinden kann.
Manchmal rufen sie auch einfach nur an und wir reden am Telefon lange mit ihnen.
Und dann in der Beratungssituation frage ich halt einmal, wie es ihnen geht, warum sie da sind, und dann entwickelt sich das. Also es entwickelt sich dann auch, wie oft die Leute kommen oder eben bei der Antragstellung für Persönliche Assistenz sind das auf jeden Fall einmal mehr Termine.
Für andere Fragen, die sie haben, kommen sie halt einmal und setzen das dann um und dann ist es auch gut so.
Katharina Müllebner: Was sind denn so die besonderen Herausforderungen eines Beratungsgespräches?
Cornelia Scheuer: Man muss sehr aufpassen, dass man nicht die eigenen Wünsche und Projektionen auf die andere Person projiziert, ja? Also man muss echt gut zuhören und sich in der Persönlichkeit zurücknehmen ein bisschen, dass man die andere Person gut wahrnehmen kann.
Herausforderungen sind für mich dann, wenn sich die Leute in ihrer Opferrolle wohlfühlen und diese Opferrolle auch als Machtinstrument gegenüber ihrer Umwelt verwenden. Da wird es für mich ganz eng. Also da wird es für mich wirklich schwierig als Beraterin.
Da spüre ich, dass ich wütend werde, dass ich verzweifelt werde, weil ich nicht weiß, was ich tun soll. Also das ist für mich eine der herausforderndsten Situationen, wenn ich das Gefühl habe, da will jemand die Situation überhaupt nicht ändern, in der er ist, sondern der will einfach nur quasi seine Opferrolle da etablieren und in dieser Situation gut stecken bleiben, dass er alle anderen quasi auch manipulieren kann.
Katharina Müllebner: Man kommt in den Beratungen mit persönlichen Geschichten in Kontakt, da ist vielleicht auch mal Trauriges oder Schweres dabei. Wie lernt man sich da abzugrenzen, aber trotzdem noch empathisch zu sein?
Cornelia Scheuer: Für mich ist das kein Widerspruch, also Empathie und Abgrenzung als Beraterin, ist für mich kein Widerspruch.
Es hilft nicht, wenn ich mitleide, ja, sondern es ist auch immer gut und das versuche ich dann auch immer mit den schon sehr persönlichen, aber auch sensiblen Fragen halt irgendwie zu machen in der Beratung, dass ich aber auch eine, ich weiß nicht, aus dieser Glasglocke ein bisschen einen Perspektivenwechsel für die Person schaffe, einfach nur mit den Fragen.
Und was für mich sehr wichtig ist, ist dieser Glaube an die Selbstbestimmung, die jeder Mensch hat und jeder Mensch lernen kann, auch wenn sie ihm von Anfang an aufgrund der Behinderung oder aufgrund von seiner Lebenssituation nicht zugesprochen wurde.
Also dieser Glaube an die Selbstbestimmung und die Möglichkeit der Selbstbestimmung, jeder Mensch weiß, was er will, ja, und kann immer ja oder nein sagen und das meine ich auch ganz wirklich nämlich auch, wenn die Menschen jetzt nicht verbal kommunizieren können, ja? Oder sage ich mal, eine Lernschwäche oder eine Lernbehinderung haben, dann können die das. Die wissen, was ihnen guttut und was sie nicht mögen.
Und das kann jeder Mensch auf seine eigene Art und Weise kommunizieren. Und als Peer-Beraterin, ich kann es halt so am besten beschreiben, dass ich sage, okay, ich kann jemanden, der in einem Sumpf steckt, ein Seil zuwerfen, aber das Seil nehmen und sich daran herausziehen, das muss er schon selber wollen. Und das ist auch ein bisschen so meine Abgrenzung.
Ich kann niemanden retten. Der muss das schon selber wollen. Dann kann ich das unterstützen und dann kann ich dieses Seil zuwerfen. Und das funktioniert auch meistens, dass wir da auch dieses Seil haben und diese Unterstützung auch geben können.
Katharina Müllebner: Wieso ist das Beratungskonzept so wichtig für die Selbstbestimmt-Leben-Bewegung und die Inklusion?
Cornelia Scheuer: Es ist deswegen wichtig, weil wir, wenn ich jetzt einmal sage, man kommt in ein Gesellschafts- oder Sozialsystem als Mensch mit Behinderung und wenn man dann Hilfe sucht, dann sind das immer Menschen ohne Behinderungen, die immer alles besser wissen für einen.
Man muss die eigenen Fehler machen dürfen, um Erfahrungen zu machen, was kann ich? Was kann ich nicht? Was ist möglich, was ist nicht möglich, auch um ein glücklicher Mensch zu werden und das ist das Wichtige an der Peer-Beratungssituation, ja?
Wir wissen nicht, was gut ist für den anderen Menschen, das weiß er selbst. Wir finden nur heraus zusammen, wie das umsetzbar ist. Das ist das Spannende dran.
Und da habe ich wirklich wahnsinnige schöne Erlebnisse in den Beratungen erlebt, wo ich mir gesagt habe, das sind so spannende Menschen und die sind so stigmatisiert und von der Umwelt kriegen sie immer nur, das kannst du nicht, das darfst du nicht, dass sollst du nicht, weil, ich weiß alles besser als du.
Und das ist fatal. Und deswegen mag ich diese Beratungsmethode so und deswegen finde ich es auch gut, dass es sie gibt und ich finde, es sollte sie viel öfter geben.
Wir sind da, damit die Leute das selber verwirklichen können und selber herausfinden können, was sie wollen und wie sie es wollen.
Katharina Müllebner: Stichwort schöne Erlebnisse. Was ist dir besonders in Erinnerung geblieben. Gibt es da irgendeinen Moment, der besonders schön war?
Cornelia Scheuer: Ja, wie gesagt, es gibt mehrere und ich muss da jetzt natürlich auch die Verschwiegenheit, zu der wir ja verpflichtet sind als BeraterInnnen wahren.
Aber es gibt zum Beispiel, und das war eine sehr frühe Beratung von mir, die Dame habe ich sehr früh kennengelernt in meiner Beratungstätigkeit und der hat niemand was zugetraut, niemand. Alle haben gedacht, die kriegt ihr Leben nicht auf die Reihe. Sie war auch, sie hat nicht Hochdeutsch gesprochen und ihre Schulbildung war keine Universitätsbildung, ja?
Aber die war so eine starke Persönlichkeit, ja, und das ganze BIZEPS hat sich für sie eingesetzt und jetzt hat sie einfach schon seit Jahren persönliche Assistenz und führt ein super selbstbestimmtes und tolles Leben, ja? Und wenn man sie aber gesehen hat, hat sich jeder nur gedacht, die Frau gehört in ein Heim.
Und das finde ich fatal, ja? Und das ist eins meiner schönsten Erlebnisse, wo ich mir gedacht habe, ja, das ist Peer-Beratung, ja, die hat es echt geschafft.
[Überleitungsmusik]Katharina Müllebner: In dieser Sendung geht es ja nicht nur um das Jubiläum vom BIZEPS, sondern auch um die 50. Sendung von barrierefrei aufgerollt.
Wir haben damals am 4. Juni 2017 auf Radio ORANGE 94.0 gestartet. Bei unserer ersten Sendung ging es um Leichte Sprache und Partizipation. Unsere Kollegin Magdalena Scharl, unsere hauseigene Expertin für leichte Sprache war damals zu Gast.
Der Herr Oswald Föllerer vom Selbstvertretungszentrum Wien und der Staatsanwalt Peter Barth. Seit dieser Sendung gibt es jetzt schon 49 weitere Sendungen. Markus, was ist deine Lieblingssendung aus all unseren Sendungen und warum?
Markus Ladstätter: Hallo Katharina. Ja. 49 Sendungen. Also kann man sich jetzt nachdenken. Es sind ja doch schon 50 Sendungen, aber was mir stark im Gedächtnis geblieben ist, ist zum Beispiel unsere Sendung 32.
Da hatten wir den Herrn Driss Mareoudi zu Gast. Es ging um das Thema Flucht. Also Herr Mareoudi ist damals aus Marokko geflohen, weil er dort eben aufgrund seiner Behinderung geschlagen wurde und auch sonst sehr schlecht behandelt wurde und er ist ganz alleine von Marokko bis nach Österreich eben geflohen. Und hat uns erzählt über seine Erfahrungen, wie er das geschafft hat, ohne zu sehen die ganze Reise durchzustehen.
Es war eine sehr eindrückliche Sendung finde ich. Ja, Katharina, hast du irgendwelche Lieblingssendungen gehabt in den letzten 50 Sendungen?
Katharina Müllebner: Ja, auch mir ist es schwergefallen was auszuwählen. Das mit dem Herrn Mareoudi war natürlich sehr berührend.
Eine meiner Lieblingssendungen, die mir sofort einfällt, wenn man mich nach Lieblingssendungen fragt, ist die Museumssendung, weil es unsere erste Sendung war, wo wir sozusagen aus BIZEPS rausgegangen sind, oder du besser gesagt, und wirklich barrierefrei Führungen begleitet hast, die Leute dort befragt hast.
Da hört man auch, wie die Bilder beschrieben werden. Also man hat mancher Orts das Gefühl man ist sozusagen akustisch dabei bei der Führung und das war was ganz was Neues diese Sendungsart.
Markus Ladstätter: Es war auch für mich sehr interessant diese Sendung zu gestalten. Also besonders den Teil mit den Führungen in dem kunsthistorischen Museum, weil ich mir halt selber die Frage gestellt habe, also da habe ich Führungen begleitet für blinde Menschen unter anderem, wie kann man jetzt gemalte Gemälde beschreiben für blinde Menschen und das dann aber auch so aufbereiten, dass es für unsere Zuhörerinnen und Zuhörer im Radio, ja, verständlich ist.
Also dass man weiß, okay, was kann man da überhaupt sehen. Das fand ich spannend.
Katharina Müllebner: Für mich macht eben auch eine gute Sendung aus, die Gäste, die kommen. Beeindruckend fand ich, dass wir die alternative Nobelpreisträgerin Yetnebersh Nigussie zu Gast hatten.
Das war auch ein Interview, was wir auf Englisch geführt haben und das fand ich ganz toll, weil sie wirklich eine starke Person ist, die die Rechte von blinden Menschen in ihrem Heimatland und auch sonst vertreten hat und dafür eben auch mit dem alternativen Nobelpreis ausgezeichnet wurde.
Dann hatten wir auch einen Gast aus Deutschland, der mich sehr beeindruckt hat, den Herrn Lukas Krämer. Er hat über das Werkstätten-System in Deutschland gesprochen und wie sehr das eigentlich Menschen mit Behinderungen einschränkt, dass sie dort nicht bezahlt werden, dass sie dort nur für einen Hungerlohn quasi schuften.
Und der hat so eine richtige Power und Energie gehabt. Also das Interview hat sich quasi von selbst geführt. Ja, wir hatten eine große Variation von Sendungen. Wir haben Themen, die eher so Fakten basiert sind und auch immer wieder lockere Themen, wie zum Beispiel Poetry Slam oder E-Rolli-Fußball.
Markus Ladstätter: Katharina, was ist eigentlich so für dich/ was macht für dich eine gute Sendung aus?
Katharina Müllebner: Eine gute Sendung ist, ja, wenn man ein, das muss schon ganz früh beginnen, das Konzept.
Wenn ich das Konzept schreibe, ich schreibe oft Konzepte für Sendung, muss ich mich schon irgendwie packen.
Und dann ist natürlich, die Sendungen fallen und stehen mit guten Gästen, also mit guten Interview-Gästen, die wirklich gut reden können. Mit gut reden, meine ich jetzt nicht, dass sie perfekt ausgebildet sind, wie im Fernsehen, sondern, da meine ich wirklich, dass man merkt, dass sie für ein Thema brennen, dass die Antworten von selbst kommen.
Aber wenn man einfach merkt, dass die Leute für ein Thema brennen, dass sie antworten, dass sich das Interview quasi von selbst macht und ja, das merkt man. Also wenn man merkt, dass die Interview-Gäste Spaß haben, also Spaß oder davon überzeugt sind, das spürt man auch in der Radio-Sendung, glaube ich.
Markus Ladstätter: Also auf jeden Fall, ja? Was mir auch besonders gefällt bei unseren Sendungen ist eben diese Vielfalt. Ich finde es auch sehr wichtig, dass wir so Sendungen machen, wie Barrierefreiheit bei Haushaltsgeräten, wo es darum geht, wie können Blinde und sehbehinderte Menschen ihre Haushaltsgeräte bedienen und was sind gerade in letzter Zeit die immer wiederkehrenden Probleme dabei?
Aber genauso spannend und interessant finde ich, wenn wir Interviews machen, wo wir nur einen Gast oder Gästin haben und dann uns wirklich eine knappe halbe Stunde Zeit nehmen können und ein tiefgründiges Interview führen können.
Katharina, wenn du so an die Zukunft denkst für unsere Radio-Sendung. Wie soll es weitergehen? Was sind so deine Wünsche?
Katharina Müllebner: Ich wünsche mir natürlich, dass wir noch viele weitere Sendungen machen und ja, dass wir vielleicht, ja, also wieder so Sendungen haben, wo wir rausgehen können, vielleicht auch mal was besuchen. Und dass uns natürlich die Leute weiterhin gerne zuhören.
Markus Ladstätter: Und wenn Sie Themenvorschläge oder Themenwünsche haben, dann senden Sie uns doch bitte einfach an thema@barrierefrei-aufgerollt.at.
Katharina Müllebner: Ganz genau. Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge. Apropos, alle Sendungen, die wir jetzt erwähnt haben, finden Sie bei diesem Beitrag verlinkt, dass Sie noch mal reinhören können oder falls Sie noch nicht reingehört haben.
Das war unser Jubiläumsbeitrag von barrierefrei aufgerollt. An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Leuten bedanken, die uns unterstützen, unseren Kundinnen und Kunden, die uns ihr Vertrauen in den Beratungen schenken und vor allem von barrierefrei aufgerollt, natürlich unseren Zuhörerinnen und Zuhörern und unserem Stammsender Radio ORANGE 94.0, die unsere Arbeit immer wieder unterstützt und bereichert haben.
Und auch all den anderen Radiosendern, auf denen wir jetzt zu hören sind. Ein herzliches Dankeschön auch an all die interessanten Gäste, die wir im Lauf der Zeit begrüßen durften.
In Feierlaune verabschiedet sich Ihr Redaktionsteam Katharina Müllebener, Markus Ladstätter und Martin Ladstätter.
[Musik mit Text: barrierefrei aufgerollt – kurz, kompakt und leicht verständlich.]