In dieser Sendung beschäftigen wir uns nochmal mit dem Thema Arbeit.
Genauer gesagt geht es um die Forderung „Lohn statt Taschengeld“ wie sie viele Werkstätten-Mitarbeiterinnen und Werkstätten-Mitarbeiter haben. In Deutschland sieht es ähnlich aus wie in Österreich. Auch hier gelten Werkstättenbeschäftigte nicht als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und haben somit auch kein Recht auf Mindestlohn oder gewerkschaftliche Organisierung.
Diesen Umstand möchte der deutsche Aktivist Lukas Krämer ändern. Er arbeitete früher auch in einer Werkstätte, schaffte aber den Sprung raus in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Heute arbeitet er für die deutsche Behindertensprecherin der Grünen Corinna Rüffer und betreibt seinen eigenen YouTube Kanal.
Barrierefrei aufgerollt hat mit ihm über seinen Weg raus in den allgemeinen Arbeitsmarkt und über seine Forderungen für Werkstättenbeschäftigte gesprochen.
Die Radiosendung zum Nachhören
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Unser Gast
Lukas Krämer, YouTuber und Aktivist aus Deutschland.
Interessante Links
- Lukas Krämer auf YouTube
- Lukas Krämer: Behindertenpolitik per YouTube
- Lukas Krämer will „Hungerlöhne“ in Behindertenwerkstätten abschaffen
- #StelltUnsEin – Ich fordere den Mindestlohn für Menschen in Behindertenwerkstätten!
- Arbeitsfähigkeit und geschützte Beschäftigung im internationalen Vergleich
- barrierefrei aufgerollt Sendung 16 (thematisch mehr auf Arbeitgeber fokussiert)
- Diplomarbeit „Beschäftigungstherapiewerkstätten in Österreich – ein Sprungbrett zum allgemeinen Arbeitsmarkt?“
- Der STANDARD: Neue Perspektiven für Menschen mit Behinderungen auf dem Arbeitsmarkt
- Marianne Schulze und Oliver Koenig: Inklusion in der Arbeitswelt
Die Sendung im Radio hören
Wien: Auf Radio ORANGE am 7. November 2021 um 10:30 Uhr. Die Sendung kann auch auf o94.at live gehört werden. Die Wiederholung gibt es am 21.November um 10:30 Uhr.
St. Pölten: Im campus & city radio am 11. November 2021 um 17 Uhr. Die Sendung kann auch auf cr944.at live gehört werden.
Graz: Im Radio Helsinki am 19. November 2021 um 17 Uhr. Die Sendung kann auch auf helsinki.at live gehört werden.
Salzburg: Auf radiofabrik am 8. November 2021 um 18 Uhr. Die Sendung kann auch auf radiofabrik.at live gehört werden.
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Die Sendung zum Nachlesen
Katharina Müllebner: Herzlich willkommen bei barrierefrei aufgerollt, der Sendung von BIZEPS Zentrum für Selbstbestimmtes Leben.
Es begrüßt Sie Katharina Müllebner.
In dieser Sendung geht es noch einmal um das Thema Arbeit. In unserer vorhergehenden Sendung haben wir uns schon mit dem Thema Werkstätten beschäftigt und was passieren muss, damit der Arbeitsmarkt inklusiver wird.
Heute geht es noch einmal um das Thema Werkstätten und insbesondere um die Forderung: Lohn statt Taschengeld. Wir werfen dazu einen Blick nach Deutschland.
Der Kampf um Inklusion und Arbeitnehmerrechte, findet nicht nur in Österreich statt, sondern auch in unserem Nachbarland Deutschland.
Auch dort müssen sich viele behinderte Menschen tagtäglich fragen, warum sie von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern nicht gewollt werden.
Warum Unternehmen nicht verpflichtet werden, behinderte Menschen aufzunehmen. Warum es Werkstätten gibt, in denen behinderte Menschen keine Arbeitnehmerrechte und keinen Anspruch auf gerechte Entlohnung oder Pension haben.
2016 versuchte ein Aktivist aus Halle namens André Thiel seinen Werkstättenträger auf den gesetzlichen Mindestlohn zu verklagen. Leider ohne Erfolg.
André Thiel ist nicht der Einzige, der sich für eine gerechte Entlohnung und gewerkschaftliche Vertretung in Werkstätten einsetzt. Einer, der das ebenfalls vehement fordert, ist Lukas Krämer.
Früher arbeitete er in einer Werkstätte für nur 1,35 Euro die Stunde. Er schaffte den Ausstieg und arbeitet für die deutsche Behindertensprecherin Corinna Rüffer und hat seinen eigenen YouTube-Kanal. Heute macht er sich dafür stark, dass Menschen mit Behinderungen, die in Werkstätten arbeiten, den Mindestlohn erhalten.
[Überleitungsmusik]Herzlich willkommen bei barrierefrei aufgerollt. Wir begrüßen heute Lukas Krämer. Herr Krämer, hallo, schön, dass Sie da sind.
Lukas Krämer: Hallo, freut mich.
Katharina Müllebner: Erzählen Sie uns bitte einmal was über die Zeit in der Werkstätte.
Lukas Krämer: Gerne. Ich kam ja direkt, nach meiner Förderschule für geistige Entwicklung in die Werkstatt. Eigentlich wollte ich von Anfang an lieber auf den ersten Arbeitsmarkt. Aber wie es so ist, viele Arbeitgeber und die Schule hatten mich nicht darauf gefördert, in dem Fall.
Das erste Praktikum durfte ich damals nur in der Werkstatt machen und dann später ein Praktikum, auf dem ersten Arbeitsmarkt. Aber trotzdem kam ich dann in die Werkstatt.
Dort habe ich dann erst mal zwei Jahre lang den Berufsbildungsbereich dort erlebt. Da habe ich dann Montage gemacht und Berufsbildungsbereich, dort hat der Betreuer auch mit mir gemeinsam geguckt, ob er mich für den ersten Arbeitsmarkt fördern kann.
Dann kam ich dann irgendwann in ein Altersheim. Da habe ich dann ein knappes Jahr ein Praktikum gemacht. Dann bin ich wieder in die Werkstatt zurückgegangen. Und dort habe ich dann im Durchschnitt so nach dem Berufsbildungsbereich so 200 Euro verdient. Und dort habe ich dann Wasserhähne montiert, Wasserhähne geprüft, ob die dicht sind, easy Boxen verpackt. Also easy Boxen, die Teile, die man zum Beispiel in Bädern findet.
Diese Arbeiten habe ich dann alle dort gemacht. Zum Beispiel Schrauben sortieren, Schrauben verpacken.
Da gab es so kleinere Arbeiten, die ich dann in der Zeit, wo ich in der Werkstatt war, gemacht habe.
Aber irgendwann wollte ich nicht mehr dort arbeiten. Dann habe ich angefangen, meinen YouTube-Kanal zu starten. Genau. Und dann habe ich über das Thema sehr viel berichtet.
Und der Werkstatt hat natürlich das Thema nicht so gefallen, wegen negativer Presse und so.
Dann habe ich irgendwann angefangen, sechs Wochen lang blauzumachen, weil ich aus dem System gerne raus wollte. Genau. Und dann wurde ich von der Werkstatt gekündigt.
Das war auch mein Ziel in dem Fall. Und dann arbeite ich heute für die grünen politische Sprecherin Corinna Rüffer.
Katharina Müllebner: Kommen wir noch mal zurück zu der Zeit in der Werkstätte, wie läuft so ein Arbeitstag in der Werkstätte ab?
Lukas Krämer: Also in der Regel wirst du erst vom Fahrdienst von zu Hause aus abgeholt, je nach dem wo man wohnen tut. Ich brauchte damals eine Stunde, bis ich dann auf der Arbeit gewesen bin, in der Werkstatt. Das lief so ab, man kommt morgens hin, dann wird da erst mal gesprochen, wer welche Tätigkeit hier zu erledigen hat. Dann gibt man die Arbeit und dann macht man das.
Und dann hat man um 9:30 Uhr, war es bei mir gewesen, hat man 15 Minuten Frühstückspause. Dann wird weitergearbeitet bis zur Mittagspause, die beginnt um zwölf Uhr, die ist dann circa eine Stunde. Und dann noch mal um 14:30 Uhr, gibt es noch mal eine kurze Pause von rund 15 Minuten. Und wenn der Arbeitstag dann vorbei ist, von Fahrdienst, so gegen 16 Uhr, war es bei mir auch gewesen, wird man dann wieder abgeholt und nach Hause gefahren.
Katharina Müllebner: Wer vertritt innerhalb der Werkstatt die Anliegen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?
Lukas Krämer: In der Regel ist der Werkstattrat dafür zuständig oder der Sozialdienst, wenn ich zum Beispiel auf den ersten Arbeitsmarkt möchte.
Katharina Müllebner: Und haben die viel Mitspracherechte der Werkstättenrat oder wie sehen Sie das?
Lukas Krämer: Also ich sehe es so, der Werkstattrat hat natürlich nur bedingt Mitspracherecht. Ganz oft kommt es mir vor, dass der Werkstattrat die Interessen von der Werkstatt eher vertreten muss und weniger die Menschen mit Behinderung.
Katharina Müllebner: Was sind die Unterschiede zwischen einer Werkstatt und dem ersten Arbeitsmarkt, was würden Sie sagen?
Lukas Krämer: Die Unterschiede sind ganz klar das Arbeitsverhältnis. Man hat dort ein Arbeitnehmer ähnliches Verhältnis. Das bedeutet einfach, über das Arbeitnehmer ähnliche Verhältnis, auf dem ersten Arbeitsmarkt hat man natürlich ein richtiges Arbeitsverhältnis. Und der Unterschied ist, zum Beispiel, man hat kein Streikrecht, man hat kein Recht auf einen Tarifvertrag und kein Recht auf den Mindestlohn, wie es auf dem ersten Arbeitsmarkt üblich ist.
Und das sind die primären Unterschiede, die man von dem ersten Arbeitsmarkt aus hat. Und natürlich verdient man nur um den Dreh 200 Euro im Monat. Das sind so die Unterschiede.
Katharina Müllebner: Was war für Sie der Grund, dass Sie nicht mehr in der Werkstätte arbeiten wollten?
Lukas Krämer: Der Grund war natürlich ganz klar, der Verdienst, muss man sich vor Augen halten. Man verdient dort nicht wirklich viel und man kann mit dem Geld eigentlich gar nicht leben. Und deswegen wollte ich dort nicht mehr arbeiten.
Da muss man sich die Fragen stellen, okay, lohnt es sich 40 Stunden die Woche zu arbeiten oder 35 Stunden die Woche zu arbeiten in der Werkstatt, mit so wenig Geld? Dann war für mich die Sache ganz klar, nein, will ich nicht. Ich will mich aber dann einsetzen für die Rechte von Menschen mit Behinderungen in den Werkstätten.
Katharina Müllebner: Wie hat die Werkstatt reagiert, als Sie gesagt haben, Sie möchten nicht mehr dort arbeiten, Sie möchten da raus?
Lukas Krämer: Die haben natürlich sehr negativ reagiert. Die wollten mich so lange, wie es geht, behalten. Wir hatten sehr, sehr viele Gespräche. Ich habe gesagt, ich will gerne auf den ersten Arbeitsmarkt. Die haben dann gesagt, ja, dann kommst du erst mal pünktlich und musst zeigen, dass du an dieser Arbeit Spaß daran hast. An dieser Arbeit habe ich aber keinen Spaß dran/ Dann, ja dann kann man auch keinen Spaß oder Interesse an dieser Arbeit zeigen, wenn mein Interessengebiet, wo ganz woanders liegen tut.
Katharina Müllebner: Also man wird nicht dabei unterstützt, die Werkstätte zu verlassen, sondern eher umgekehrt.
Lukas Krämer: Genau, umgekehrt.
Katharina Müllebner: Gibt es überhaupt eine Stelle, wo man sich in der Werkstatt hinwenden kann, wenn man sagt, man möchte etwas verändern oder man möchte die Werkstätte verlassen? Gibt es da einen Ansprechpartner in der Werkstätte?
Lukas Krämer: Ja, in der Werkstatt gibt es einen Ansprechpartner dafür, zum Beispiel der soziale Dienst ist dafür zuständig. Mit dem kann man sprechen, aber die Zahlen sprechen, glaube ich, für sich, dass weniger als ein Prozent auf den ersten Arbeitsmarkt gefördert werden. Deswegen, die brauchen so einen sozialen Dienst oder eine Werkstattrat, um mit dem zu sprechen. Weil, das ist ja eigentlich denen
ihre Aufgabe, um die Menschen mit Behinderung auf den ersten Arbeitsmarkt zu fördern. Aber das tun sie einfach nicht.
Katharina Müllebner: Also weniger als ein Prozent schaffen es auf den ersten Arbeitsmarkt? Unglaublich.
Lukas Krämer: Genau.
Katharina Müllebner: Sie arbeiten jetzt für eine Abgeordnete und haben einen YouTube-Kanal, obwohl Sie nicht so viel Unterstützung erhalten haben. Wie haben Sie das alles trotzdem geschafft?
Lukas Krämer: Also erst mal zu YouTube, die ganzen Dinge, wie man Videos schneidet, wie man mit der Kamera umgeht oder für Instagram jetzt neuerdings, wie man schöne Fotos aufnimmt, wie man die bearbeitet.
Das ist natürlich alles sehr viel Arbeit. Und das ganze Wissen über Videos schneiden, Bilder bearbeiten, was man so braucht für YouTube oder auf Instagram, habe ich mir selber angeeignet, selber trainiert, damit ich eben in dem Bereich bei Fotos zum Beispiel auch neuerdings, besser werde. Das hat natürlich dann ein Jahr gedauert, zwei Jahre, drei Jahre. Ich mache natürlich schon seit vielen, vielen Jahre YouTube. Und ich habe ja dann stetig verbessert, damit die Qualität auch deutlich besser ist.
Katharina Müllebner: Sie haben sich alles selber beigebracht?
Lukas Krämer: Genau. Ich habe mich über viele, viele Jahre, fünf, sechs, acht Jahre macht so ein bisschen länger YouTube, als es bei SakulTalks der Fall war, habe ich schon ein bisschen länger mit Technik, mit Ton und Bild auseinandergesetzt. Da habe ich schon mal ein kleines Vorwissen gehabt. Und was ich alles noch so brauchte dafür, habe ich mit dann auf jeden Fall noch angeeignet oder Tutorials angeguckt. Und dann habe ich eben probiert, das Beste da rauszuholen.
Katharina Müllebner: Und wie sind Sie zu der Abgeordneten Corinna Rüffer gekommen?
Lukas Krämer: Nach der Werkstatt, wo ich dort aufgehört habe, habe ich dort mal angefragt, für mich dorthin zu bewerben. Das Ganze hat dann circa drei, vier Monate gedauert, bis ich eine Meldung bekommen habe von denen.
Und jetzt übernehme ich die Social- Media- Kanäle wie zum Beispiel ihr Instagram-Kanal Profil, YouTube Kanal. Und da produzieren wir Inhalte.
Katharina Müllebner: Ihr Hauptanliegen ist ja, dass Menschen, die in Werkstätten in Deutschland arbeiten, Mindestlohn erhalten. Wie viel verdienen denn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Werkstätten im Moment? Sie haben es ein bisschen schon gesagt, aber können Sie es wiederholen?
Lukas Krämer: Gerne. Man verdient in die Werkstatt, wenn man das Gehalt 200 Euro im Monat im Durchschnitt als Stundenlohn berechnen würde, man sagt hier, in einer Werkstatt geht man 35 Stunden die Woche arbeiten, dann kommen wir da auf einen ungefähren Stundenlohn von ein 1,35 bis 1,50 Euro ungefähr.
Also primär unter 2 Euro verdient man dort in der Werkstatt. Und da muss sich einfach was verändern. Es kann doch nicht sein, wenn jemand voll arbeiten geht, dass der so wenig verdienen tut.
Katharina Müllebner: Wie kommt es zu so niedrigen Stundenlöhnen?
Lukas Krämer: Man hat dort nur ein Arbeitnehmer ähnliches Verhältnis und das ist das Problem. Man hat darüber nicht den Anspruch.
Und die Aufgabe der Werkstatt ist nicht die, gerecht zu bezahlen, also den Mindestlohn zum Beispiel, sondern denen sozusagen eine Tagesstätte zu geben. Und die dann auf den Übergang auf ersten Arbeitsmarkt zu fördern, das ist die eigentliche Aufgabe der Werkstatt. Aber der kommt sie, wie schon gesagt, überhaupt nicht nach. Und deswegen kommt es zu solchen geringen Stundenlöhnen.
Katharina Müllebner: Wie wird der Stundenlohn berechnet in einer Werkstätte?
Lukas Krämer: Also in dem Berufsbildungsbereich bekommt man ja 99 Euro Grundlohn.
Genau, aber alles, was man dann irgendwie mehr bekommt nach der Werkstatt/ Also folgendes, es wird folgendermaßen berechnet, es gibt den 99 Euro Grundlohn, 52 Euro Arbeitsförderungsgeld und dann gibt es einen Steigerungsbetrag. Das ist das Geld, was die Werkstatt erwirtschaftet.
So primär kann man sich das vorstellen, wie die Gelder sich in der Werkstatt verteilen. Und jeder Werkstattbetreuer kann dann ein Blatt holen und dann wird mit Eins bei einem Fünfstufensystem das ist auch bei jeder Werkstatt ein bisschen unterschiedlich, wird da eben geguckt, wie gut derjenige ist. Beispiel trägt er Stahlkappenschuhe? Ist der Umgang mit Kollegen nett, freundlich? Und da wird dann primär bestimmt, wie viel Geld er dann im Endeffekt bekommt.
Katharina Müllebner: Also das wird so richtig bewertet, wie sich jemand benimmt und dann kann er ein bisschen mehr bekommen? Habe ich das richtig verstanden?
Lukas Krämer: Genau, genau das ist richtig.
Katharina Müllebner: Und so Extrageld wie Weihnachten und Urlaub, wie bei normalen Arbeitsverhältnissen gibt es nicht, oder?
Lukas Krämer: Also Urlaubsgeld, davon weiß ich nichts, aber Weihnachtsgeld gibt es. Bei meiner Werkstatt war es damals so gewesen, man konnte sich entweder ein Geschenk aussuchen im Wert von 20 Euro, einmal im Jahr zu Weihnachten, oder man konnte sich die 20 Euro auszahlen lassen.
Und bei meiner Werkstatt war es damals so gewesen, ist aber mittlerweile anders, bekam man, wenn man 200 Euro verdienen tut, bekam man dann das Doppelte einmal im Jahr. Das war bei mir dann so 400 Euro.
Aber durch den ganzen Lohn, den man über die Jahre gar nicht erhalten tut. Nicht wirklich auffiel.
Katharina Müllebner: Deutschland und Österreich haben keinen Mindestlohn in Werkstätten. Ich habe Ihre Videos mir angeschaut und Sie haben auch von einem amerikanischen Bundesstaat erzählt, in der aber der Mindestlohn in Werkstätten eingeführt wurde. Könnten Sie näher darauf eingehen?
Lukas Krämer: Gerne. Ja, ich habe von Stern-TV gehört, die hatte da auch über mich berichtet, über meine Petition Stern-TV.
Die haben darüber erzählt, dass der Bundesstaat Hawaii den Mindestlohn eingeführt hat und dort arbeiten 26.000 Menschen mit Behinderungen in Werkstätten in dem Bundesstaat.
Ähnlich wie in Deutschland war es so gewesen, dass die keinen Mindestlohn bekommen können. Da gab es so eine Gesetzeslücke, teilweise haben sie sogar nur vier Cent die Stunde verdient. Genau. Aber diese Gesetzeslücke wurde von dem Gesetzgeber jetzt geschlossen.
Und das bedeutet, die müsste jetzt knapp ein bisschen mehr als zehn Euro Stundenlohn den Beschäftigten auszahlen.
Katharina Müllebner: Wenn das in Staaten wie Hawaii möglich ist, wieso dann nicht in Deutschland? Warum glauben Sie?
Lukas Krämer: Das habe ich ja auch in meinem Video angesprochen. Warum auch nicht in Deutschland? Das versteht man nicht.
Die Inklusion von Deutschland ist ganz, ganz, ganz, ganz hinterher. Die Politiker meiner Meinung nach, interessieren sich nur für ihren eigenen Lohn. Wie kann man am besten gewählt werden? Und das Thema Behinderung steht bei kaum jemandem im Fokus. Weil jeder weiß, mit dem Thema werde ich ja von so einer kleinen Zielgruppe gehört, die sogar teilweise selber eh nicht wählen dürfen, manche bestimmt, interessieren sich für das Thema nicht und deswegen haben sie das nicht im Fokus. Weil, denen bringt es ja nichts und deswegen tut sich da sehr lange nichts ändern.
Katharina Müllebner: Sie haben ja die Petition erwähnt. Können Sie uns ein bisschen mehr über die Petition noch erzählen?
Lukas Krämer: Gerne. Die Petition läuft ja unter dem Hashtag „stellt uns ein“. Damit fordern wir ganz klar einen Mindestlohn für Menschen mit Behinderungen in Werkstätten. Zum Beispiel ein Arbeitnehmerstatus und dann eben damit ein Mindestlohn. Und mittlerweile haben wir 130.000 Unterschriften gesammelt. Das ist ja eine ganze Menge. Und da hatten wir vor drei Wochen knapp eine Übergabe bei der Staatssekretärin gemacht.
Katharina Müllebner: Wie reagieren Politikerinnen und Politiker auf Ihre Anliegen? Gibt es da Verständnis, oder?
Lukas Krämer: Die Politiker ignorieren das Thema komplett.
Ich habe das letzte Mal vor knapp drei Wochen bei Instagram ein Video hochgeladen, das war die Übergabe, die Onlineübergabe, also die Übergabe mit der Staatssekretärin und das habe ich wie gesagt online hochgeladen, wo das fertig war.
Und dort habe ich sie gefragt, würde Sie für 1,35 Euro arbeiten gehen? Natürlich war mir klar, die würde meine Frage niemals beantworten. Sie hat immer drum herumgeredet.
Und ich habe sie dann jedes Mal unterbrochen, unterbrochen, unterbrochen und am Ende kam nur, es geht ja nicht um mich, ich arbeite ja nicht in der Werkstatt.
Und das ist so eine Äußerung. Na ja, findet man bei Instagram, das Beweisvideo gibt es auf meinem Kanal SakulTalks.
Katharina Müllebner: Wer profitiert Ihrer Meinung nach davon, dass Menschen mit Behinderungen in Werkstätten arbeiten?
Lukas Krämer: Also ganz klar die Unternehmen, die können da günstig Produkte herstellen. Die Werkstätten haben günstige Mitarbeiter, die auch noch viel arbeiten müssen. Deshalb profitiert dadurch die Werkstatt und natürlich die Unternehmen, die ihre Produkte herstellen lassen. Sonst müssen die Unternehmen einen deutlich höheren Stundenlohn bezahlen und damit profitiert das Unternehmen halt.
Katharina Müllebner: Wie viel erwirtschaftet denn so eine Werkstatt im Jahr? Lässt sich das irgendwie sagen?
Lukas Krämer: Ja, die Werkstatt erwirtschaftet oder macht einen Umsatz von rund acht Milliarden Euro. Da sind alle Werke in Deutschland mit eingestellt.
Katharina Müllebner: Außer der gerechten Entlohnung, welche Rechte sollten Menschen, die in einer Werkstatt arbeiten, noch haben?
Lukas Krämer: Also die sollten auf jeden Fall natürlich den Mindestlohn erhalten, den Arbeitnehmerstatus, die sollten die Rechte bekommen, dass sie auf dem ersten Arbeitsmarkt arbeiten können, auch ohne das Budget für Arbeit, wenn man das Budget für Arbeit auch nur Nachteile, als Beispiel kurz, man kann dort weder Arbeitslosengeld I noch II beantragen, Meganachteil.
Und man verdient über das Budget für Arbeit nie mehr als man eigentlich in der Werkstatt mit Grundsicherung alles was dazugehört, eigentlich hat, man verdient theoretisch immer weniger als seine KollegInnen.
Und das sind so die Punkte, die man auf jeden Fall rein rechtlich auf jeden Fall angehen muss. Und natürlich die Barrierefreiheit, die muss man natürlich da auch umsetzen.
Katharina Müllebner: Welche Argumente bringen denn andere Leute vor, wenn sie sagen, ja, gerechte Entlohnung, das braucht man ja nicht in Werkstätten. Welche Gegenargumente kriegen Sie da?
Lukas Krämer: Gestern bekam ich eine Facebook-Nachricht, da meinte diejenige, du redest in deinen Videos ja nur Mist, du redest Müll in deinen Videos.
Ich denke mir so, ich habe dann gefragt, hast du ein Beispiel oder hast du Argumente, außer zu sagen, dass meine Videos Müll sind? Die konnte kein Argument bringen. Ihr einziges Argument ist, ich diskutiere nicht mit dir.
Also es kommt sehr, sehr häufig von vielen Personen, die über die Videos schimpfen, kaum Argumente. Natürlich gibt es da ein paar andere Beispiele, die sagen dann ihre Argumente. Beispiel, das Basisgeld, das sagen sie, das ist ganz gut. Aber das erlebt man da immer noch viel zu selten, dass auch Argumente kommen.
Katharina Müllebner: Ein Argument ist ja, die Leute bekommen ja Sozialleistungen wie zum Beispiel Grundsicherung. Das ist oft ein Argument, das man hört. Was entgegnen Sie diesem Argument?
Lukas Krämer: Das Argument ist kompletter Bullshit. Ganz ehrlich.
Weil, die Grundsicherung ist ja, das sind ja Sozialleistungen. Und das hat mit dem eigentlichen Werkstattsystem gar nichts am Hut. Gar nichts. Weil die Grundsicherung und die ganzen anderen Gelder, um dein Leben zu finanzieren, auch deine eigene Wohnung, die bekommst du auch, wenn du nicht in der Werkstatt bist.
Deswegen ist dieses Argument für mich schon wieder überflüssig. Und wenn man dann den Mindestlohn erhalten tut in der Werkstatt, dann ist man ja nicht auf diese Grundsicherung angewiesen.
Oder wie paradox ist das denn, wenn ich 35 Stunden die Woche arbeiten gehe und dann bin ich noch auf andere Gelder angewiesen, nur um meinen Lebensunterhalt, die Kosten, die man so hat, wie Wohnung et cetera zu bewerkstelligen. Genau.
Katharina Müllebner: Sind Sie eigentlich dafür, dass Werkstätten abgeschafft werden?
Lukas Krämer: Ja, ich bin auf jeden Fall dafür, dass die Werkstätten jetzt langfristig abgeschafft werden.
Katharina Müllebner: Was müsste passieren, damit es mehr Menschen, so wie Sie, aus der Werkstatt in den ersten Arbeitsmarkt schaffen?
Lukas Krämer: Ich persönlich würde da bei der Bildung anfangen.
Viele Menschen mit Behinderung haben eine schlechtere Bildung, weil sie auf einer Förderschule etc. landen und haben deshalb in den meisten Fällen keinen Abschluss, weil in einigen Förderschulen, wie zum Beispiel die für geistige Entwicklung, kann man nicht den Abschluss machen unter anderem. Das sollte man verbessern, dass die Menschen mit Behinderung auf normale Schulen gehen können und einen Abschluss machen können, dann ist die Wahrscheinlichkeit vielleicht nicht so schwierig, die auf den ersten Arbeitsmarkt zu fördern.
Katharina Müllebner: Vielen Dank, das war ein großartiges Interview.
Lukas Krämer: Gerne, gerne, immer gerne.
[Überleitungsmusik]Katharina Müllebner: Es ist schade, dass begabte und talentierte Menschen in dem veralteten und längst überholten Werkstättensystem verkommen. Außerdem sollte Arbeit und gerechte Entlohnung für alle in einer aufgeklärten Gesellschaft selbstverständlich sein. Und seien Sie doch mal ehrlich, würden Sie für ein geringes Taschengeld arbeiten?
Das war unser Schwerpunkt zum Thema Arbeit. Wenn Sie sich weiter für das Thema interessieren. Wir hatten schon einmal eine Sendung zum Thema Teilhabe am Arbeitsleben. Es war unsere sechzehnte Sendung.
Alle Informationen zu dieser Sendung und weiterführende Links finden Sie auf unserer Internetseite www.barrierefrei-aufgerollt.at.
Bis zum nächsten Mal. Ihr Redaktionsteam Katharina Müllebner, Markus Ladstätter und Martin Ladstätter.
[Musik mit Text: barrierefrei aufgerollt – kurz, kompakt und leicht verständlich.]
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