Barrierefreiheit ist länger ein Thema, als man denkt. Eine Wissenschaftlerin aus den USA hat festgestellt, dass es Rampen schon bei altgriechischen Tempeln gab. Vor allem bei jenen, die Gottheiten der Heilung gewidmet waren. Das lässt darauf schließen, dass die Rampen dazu gedacht waren, um Menschen mit eingeschränkter Mobilität beim Betreten der Tempel zu unterstützen.
Barrierefreiheit ist heute wichtiger denn je und eine zentrale Voraussetzung für ein Selbstbestimmtes Leben von Menschen mit Behinderungen. Wenn es um die Barrierefreiheit von Gebäuden geht, wird der Denkmalschutz, der eigentlich dazu dient, historische Gebäude oder andere Artefakte zu schützen, gerne als Argument verwendet, wenn es darum geht, etwas nicht barrierefrei gestalten zu können.
Schließen Barrierefreiheit und Denkmalschutz also einander aus? Was bedeutet überhaupt Denkmalschutz? Und wie kann man ein Gebäude barrierefrei gestalten und den Denkmalschutz trotzdem erhalten? In dieser Sendung behandeln wir das Thema Denkmalschutz.
Die Radiosendung zum Nachhören
Hier kannst du die ganze Sendung anhören:
Hier findest Du die Sendung zum Nachlesen.
In der Sendung
Wolfgang Salcher, stellvertretender Leiter der Wiener Abteilung der Bundesdenkmalamtes.
Interessante Links
- Süddeutsche Zeitung: Ohne Hindernis zu den Göttern
- Standard-Artikel: Herr über Wiens Denkmäler: „Es gibt keine Käseglocke“
- Bundesdenkmalamt: Verzeichnis mit Denkmälern
- Liste der Baudenkmäler in Wien (Wikipedia)
- Liste der Kulturdenkmäler in Wien (Wikipedia)
- BIZEPS-Artikel: Das Weltmuseum denkmalgeschützt und trotzdem barrierefrei
- BIZEPS-Artikel: Salzburg: Barrierefrei in den Burghof der Festung
- BIZEPS-Artikel: Wotruba-Kirche: Barrierefreier Zugang wird endlich verwirklicht
- BIZEPS-Artikel: Endlich eine Rampe beim Theseustempel
Die Sendung im Radio hören
Wien: Auf Radio ORANGE am 1. November 2020 um 10:30 Uhr. Die Sendung kann auch auf o94.at live gehört werden. Die Wiederholung gibt es am 15. November 2020 um 10:30 Uhr.
St. Pölten: Im campus & city radio am 12. November 2020 um 17 Uhr. Die Sendung kann auch auf cr944.at live gehört werden.
Graz: Im Radio Helsinki am 20. November 2020 um 16:30 Uhr. Die Sendung kann auch auf helsinki.at live gehört werden.
Salzburg: Auf radiofabrik am 19. November 2020 um 18:00 Uhr. Die Sendung kann auch auf radiofabrik.at live gehört werden.
Hier findest Du alle unsere Sendetermine in den verschiedenen Radiosendern
Die Sendung zum Nachlesen
Katharina Müllebner: Herzlich willkommen zu dieser Sendung von „barrierefrei – aufgerollt“ vom BIZEPS Zentrum für Selbstbestimmtes Leben. Am Mikrofon begrüßt Sie Katharina Müllebner.
Im heutigen Beitrag geht es um das Thema Denkmalschutz. Haben Sie gewusst, dass Rampen historisch gesehen noch vor Treppen da waren? So gab es zum Beispiel in altgriechischen Tempeln Rampen. Forschungen haben ergeben, dass diese Rampen dazu genutzt wurden, um Menschen mit eingeschränkter Mobilität beim Betreten von Tempeln zu unterstützen.
Im 6. Jahrhundert vor Christus gab es zum Beispiel im Heiligtum von Asklepios elf Steinrampen, auf neun individuelle Gebäude verteilt. Das Heiligtum von Asklepios ist dem Thema der Heilung gewidmet. Die große Anzahl der Rampen bei einem Heiligtum, das einer Gottheit der Heilung gewidmet ist, sehen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen als Beweis dafür, dass diese spezifisch für Menschen mit Gehbehinderungen gedacht waren.
In der Gegenwart gibt es historische Gebäude, die man bewahren möchte wie sie waren. Deshalb werden sie unter Denkmalschutz gestellt. Oft wird der Denkmalschutz als Argument gebraucht, wenn es darum geht historische Gebäude nicht barrierefrei gestalten zu können.
Was ist dran an diesem Argument? Sind barrierefreiheit und Denkmalschutz wirklich nicht vereinbar? Aber wenn doch, wie muss ein Gebäude gestaltet sein, damit es denkmalgeschützt und trotzdem barrierefrei ist?
Zu diesen und anderen Fragen befragen wir Wolfgang Salcher. Er arbeitet für das Bundesdenkmalamt und ist dort stellvertretender Leiter der Wiener Abteilung. Die Audioqualität des Interviews ist etwas anders. Das liegt daran, weil wir das Interview per Videokonferenz geführt haben. Herr Salcher, guten Tag.
Wolfgang Salcher: Grüß Gott. Ich freue mich, dass ich dazu eingeladen wurde und freue mich auf das Interview. Vielen Dank.
Katharina Müllebner: Zu Anfang, was ist eigentlich ein Denkmal?
Wolfgang Salcher: Ja, ein Denkmal kann in Österreich sehr viel sein. Wir haben bewegliche Denkmäler, zum Beispiel Dokumentensammlungen, Kelche, Lokomotiven, Dampfschiffe und so weiter. Wir haben aber auch unbewegliche Denkmäler.
Das sind die Bauten, die klassischen, mit denen wir in unserer Abteilung sehr viel zu tun haben.
Das sind eben Burgen, Schlösser, Almhütten, Berghütten, Pallais, Kirchen, Parlament und so weiter. Sie sehen, die Vielfalt in der österreichischen Denkmallandschaft ist sehr breit. Und das ist natürlich für unseren Job toll, weil, da wird einem nie langweilig, weil es immer sehr, sehr unterschiedlich ist und die Herausforderungen jeden Tag andere sind.
Und man natürlich mit ganz, ganz tollen Objekten, wie zum Beispiel der Sezession oder dem Stephansdom oder mit der Hofburg in Innsbruck oder auch eben, wie gesagt schon, mit einer denkmalgeschützten Berghütte zu tun haben kann. Das ist natürlich schon eine tolle Herausforderung.
Katharina Müllebner: Wieso bekommt ein Gegenstand, ein Schriftstück oder ein Gebäude, wieso bekommt es Denkmalschutz?
Wolfgang Salcher: Der Denkmalschutz wird ausgesprochen aufgrund der gesetzlichen Grundlage unseres Denkmalschutzgesetzes. Das ist sehr positiv, dass wir ein sehr gutes und sehr starkes Denkmalschutzgesetzt in Österreich haben im internationalen Vergleich. Und aufgrund dieses Gesetzes wird untersucht auf wissenschaftlicher Methode, vom Bundesdenkmalamt, ob etwas geschichtliche, künstlerische oder sonstige kulturelle Bedeutung besitzt.
Und, was auch wichtig ist, ob es im öffentlichen Interesse ist. Das ist auch wesentlich. Ist es im öffentlichen Interesse? Das heißt, ist es für uns alle in Österreich wichtig etwas zu erhalten?
Und dann gibt es ein Prüfverfahren und die Eigentümer werden dann verständigt für eine Stellungnahme. Das ist ein ganz normales Verfahren, wo auch die EigentümerInnen einbezogen werden. Und dann ist etwas, wenn eben die Wissenschaftler für Meinung zu diesem Ergebnis kommt unter Denkmalschutz.
Katharina Müllebner: Nach welchen Kriterien wird das genau entschieden?
Wolfgang Salcher: Die Kriterien sind bei uns auch im Denkmalschutzgesetz genannt. Ob es geschichtlich, künstlerisch oder sonstige kulturelle Bedeutung aufweist. Dann ist es ein Denkmal. Und das wird von amtssachverständigen Gutachtern untersucht. Da wird zuerst einmal die Geschichte des Objekts, die Unterlagen die es gibt, Pläne und so weiter herangezogen.
Dann muss man es natürlich vergleichen mit anderen Objekten. Gibt es schon sehr viele dieser Objekte in Österreich? Ist es da herausragend oder weniger herausragend?
Und das wird eben im Zuge einer Untersuchung festgestellt. Und wenn das dann den Kriterien entspricht, dann wird es unter Denkmalschutz gestellt. Und es kann auch vorkommen, dass es eben in dieser Gesamtschau nicht entspricht. Dann wird es eben nicht unter Denkmalschutz gestellt.
Katharina Müllebner: Seit wann gibt es historisch gesehen eigentlich das Verfahren des Denkmalschutzes in Österreich?
Wolfgang Salcher: Das Denkmalschutzgesetz stammt aus dem Jahr 1923. Und bereits seit damals haben wir diese Kriterien, die sich seither nicht wesentlich verändert haben. Und seit 1923 haben wir dieses Denkmalschutzgesetz.
Katharina Müllebner: Kann man ungefähr sagen, wie viele Gebäude in Wien oder wie viele Dinge in Wien Denkmalschutz besitzen? Oder ist das schwierig?
Wolfgang Salcher: Nein. Hier in Wien ist es relativ gut erfasst oder genau erfasst. Wir haben eine Denkmal Datenbank, wo alle Objekte erfasst sind. Es sind ungefähr 4.000 Objekte in Wien. Natürlich auch ganz unterschiedlicher Art. Und diese Objekte, wenn man sich das genauer anschauen will, die sind einerseits auf unserer Webseite abrufbar und andererseits gibt es auch eine Kooperation mit Wikipedia.
Da gibt es auch entsprechende Listen, wo alle Objekte abrufbar sind. Und ein Weiteres, also für die EigentümerInnen ist es auch interessant, steht das auch im Grundbuch eingetragen.
Es ist sehr transparent, welche Objekte unter Denkmalschutz stehen oder nicht. Und wenn man sich gar nicht weiterhilft oder wenn einem das zu kompliziert ist, dann kann man immer noch bei uns anrufen und bei der zuständigen Referentin oder beim zuständigen Referenten nachfragen, ob ein Objekt unter Denkmalschutz steht oder nicht.
Katharina Müllebner: Was bedeutet das jetzt, wenn ich Umbauten an einem Gebäude vornehmen möchte, das denkmalgeschützt ist? Was heißt das? Wie wirkt sich da der Denkmalschutz aus?
Wolfgang Salcher: Das österreichische Denkmalschutzgesetz zielt ja eigentlich auf die Nichtveränderung ab, dass etwas bewahrt wird, geschützt wird für unsere Nachwelt, für uns und so weiter. Aber natürlich will der Gesetzgeber und wir auch nicht, als vollziehende Behörde, dass etwas leer steht oder ungenutzt ist.
Deshalb ist im Denkmalschutzgesetz schon ein wichtiger Paragraf eingebaut, der mögliche Veränderungen möglich macht. Das heißt, bei einer Begründung, zum Beispiel die Barrierefreiheit ist eine wesentliche Begründung, dann kann man sogar Denkmäler, die eigentlich keine Veränderung haben sollten, kann man dann auch verändern.
Und das ist ein wesentlicher Punkt, mit dem zum Beispiel ich in unserer Abteilung oder auch die Kolleginnen und Kollegen unserer Abteilung sehr viel zu tun haben, weil natürlich auch bei denkmalgeschützten Objekten sehr viele Veränderungen notwendig sind.
Das fängt an einerseits bei den Fassadenrestaurierungen, bei Wohnungsumbauten, wenn man eine Sicherheitstüre einbauen will, Brandschutz. Und natürlich Barrierefreiheit ist ein wichtiger Punkt. Wir haben zum Beispiel, circa sechs bis sieben Prozent unserer gesamten Bescheide, und das ist ein sehr, sehr hoher Wert, umfasst die Barrierefreiheit und die Nutzungssicherheit. Das Thema Barrierefreiheit ist bei uns sehr, sehr groß auf der Agenda.
Katharina Müllebner: Sie haben den Begriff Nutzungssicherheit verwendet. Was bedeutet das?
Wolfgang Salcher: Bei uns läuft diese Evaluierung dieser Bescheide unter dem Begriff Nutzungssicherheit und Barrierefreiheit. Das ist bei uns zusammengefasst, weil es natürlich im Prinzip das Ähnliche meint und die Nutzungssicherheit, da geht es natürlich auch um Fragen der Geländerhöhen und so weiter. Der Rutschfestigkeit am Boden. In diesen Bereichen ist das anzusiedeln.
Katharina Müllebner: Das Argument des Denkmalschutzes wird ja auch benutzt als Gegenargument, wenn es darum geht angeblich etwas nicht barrierefrei machen zu können. Was sagen Sie zu dieser Aussage?
Wolfgang Salcher: Ja, das kommt manchmal vor, dass man sagt: Der Denkmalschutz erlaubt das nicht. Da ist es dann manchmal gut, wenn die Mieterinnen oder Mieter bei uns anrufen.
Das kommt manchmal vor, aber eher selten. Und nachfragen, ob das wirklich stimmt? Und dann prüfen wir das und schauen nach. Und meistens ist es so, dass es dann nicht zutrifft, sondern dass man eigentlich dann sich das genauer anschaut. Und wir haben eigentlich, vor allem was Thema Barrierefreiheit anbelangt, immer Lösungen gefunden, die auf jeden Fall eine Verbesserung darstellen und eine größtmögliche Annäherung oder wirklich maßgebliche Verbesserung darstellen und sogar meistens auch die Anforderungen komplett erfüllen.
Nicht nur, dass wir Beispiele haben, wo das funktionell erfüllt ist, sondern es gibt auch einige Beispiele, wo das wirklich elegant gelungen ist, wo dann die Rampe oder der Lift nicht nur funktionelle Zutat ist, sondern wo das auch durchaus eine schöne Zutat ist.
Katharina Müllebner: Können Sie beschreiben, wie muss etwas gestaltet sein, damit es zum Beispiel barrierefrei ist und trotzdem dem Denkmalschutz nicht widerspricht?
Wolfgang Salcher: Die Herangehensweise ist natürlich immer, dass die Anforderungen, die normgemäß gelten, auch erfüllt sind für die Barrierefreiheit.
Und deshalb ist es auch immer gut, dass wir tolle Planungsteams haben, Architektinnen, Architekten, die dann auch darauf schauen, dass diese funktionelle Erfüllung dieser Barrierefreiheit auch noch mit einer architektonischen Gestaltung einhergeht. Und das hilft uns natürlich sehr dann in der Genehmigung der Maßnahme, weil das Denkmal dadurch ja dann nicht beeinträchtigt ist.
Katharina Müllebner: Können Sie ein Beispiel nennen von etwas, was gut gelungen ist? Wo man das gut vereinbaren konnte? Ein Gebäude, wie das dann ausgesehen hat?
Wolfgang Salcher: Ja, natürlich. Wir haben sehr, sehr viele, zahlreiche, positive Beispiele aus meiner Sicht. Wir haben zum Beispiel, erst kürzlich ist in der Sezession der weltberühmte Beethoven Fries von Gustav Klimt endlich barrierefrei erschlossen mit einem neuen Lift. Das ist, glaube ich, ein schönes Beispiel dafür, wie man das eingefügt hat ohne der Sezession weh zu tun.
Dann haben wir natürlich die Hofburg, ist auch ein riesen Ensemble. Wir haben zum Beispiel, im Schweizer Hof gibt es seit einigen Jahren einen neuen Lift, der die Burghauptmannschaft und das Bundesdenkmalamt, wo wir auch unsere Büros haben, erschließt. Funktioniert wunderbar. Endlich auch barrierefrei erreichbar.
Jetzt im Moment wird gerade der zweite Lift eingebaut, der dann auch die Hofburgkapelle und andere Stockwerke erschließt.
Es geht durchaus und funktioniert gut.
Ein ganz schönes Beispiel, finde ich, ist der Verfassungsgerichtshof bei der Freyung in Wien in der Renngasse 2. Da hat es zwar vorher schon eine barrierefreie Lösung vom Tiefen Graben aus gegeben, aber der Anspruch ist natürlich, dass man auch beim Haupteingang barrierefrei rein kann. Und da ist eine sehr, sehr elegante Lösung geglückt. Heute kann man sich das gar nicht mehr vorstellen, wie das vorher ausgesehen hat.
Aber das ist eine sehr, sehr elegante Rampenlösung, auch beim Haupteingang des Verfassungsgerichtshofs, geworden.
Auch beim Belvedere haben wir ein schönes Beispiel. Da ist 2009 die Verbindungsrampe vom Westflügel des unteren Belvederes gebaut worden, eine verglaste Pergola, die das untere Belvedere mit der Orangerie verbindet. Das hat das Architekturbüro Kuehn Malvezzi gemacht. Und das ist, aus meiner Sicht auch, eine sehr, sehr elegante Lösung, die sich da im Weltkulturerbe sehr schön einfügt.
Katharina Müllebner: Wie sieht das dann konkret aus? Da schaut man dann, dass das architektonische hineinpasst?
Wolfgang Salcher: Die wichtigste Herangehensweise ist natürlich immer die Grundlagenermittlung. Grundrisspläne. Schauen, welche Bauteile haben eine Bedeutung? Gibt es vielleicht einen Bereich, der schon mal umgebaut worden ist? Wo die Möglichkeiten größer sind? Die Abwägungen bei manchen Objekten ist es sinnvoller eine Rampe vielleicht außerhalb anzusiedeln? Bei manchen Objekten ist es besser das innen zu machen. Das Gleiche gilt beim Lift. Manchmal ist es weniger Eingriff, wenn man es in den Hof ansiedelt, den Lift. Oder manchmal ist es auch möglich den im Inneren anzusiedeln.
Das ist eben diese Abwägung bei jedem Objekt und es ist interessanterweise bei jedem Objekt wichtig einzeln zu entscheiden. Es gibt keine Grundregel, man macht da immer gleich. Sondern das ist dann auch das Spannende und Herausfordernde, dass man bei jedem Objekt schauen muss: Wie können wir hier den absolut sinnvollen Mix machen? Rampe, automatische Türen, die aufgehen, ein Lift dazu? Das ist natürlich ein Austarieren verschiedener Abwägungen. Aber das Ziel muss natürlich immer sein, dass man dann barrierefrei von A nach B kommt.
Katharina Müllebner: Gibt es eigentlich irgendwelche Gebäude, wo man sagt: Da ist es nicht möglich, dass man barrierefreie Umbauten macht?
Wolfgang Salcher: Manchmal denkt man sich, das würde nicht gehen. Aber wenn man es sich dann genauer betrachtet und wir gehen davon aus, es muss gehen. Und unser Ansatz ist immer: Wir müssen eine Lösung finden.
Und ich darf noch ein Beispiel nennen: Zum Beispiel beim Theseus Tempel im Wiener Volksgarten, da würde man sich auch denken, das ist ein klassizistischer Tempel, wie man ihn auch in Italien oder in Griechenland sieht. Und da ist eine so perfekte Symmetrie und so weiter.
Da würde man auch denken: Da geht das überhaupt nicht, weil der sitzt auf so einem Stufensockel mit vielen Stufen. Da kommt man irgendwie schlecht rauf. Und auch beim Theseus Tempel ist es uns gelungen eine Rampe zu machen.
Und das war auch wichtig, weil, der Theseus Tempel wird eben vom Kunsthistorischen Museum temporär als Ausstellungsgebäude benutzt, für schöne Ausstellungen. Und da ist es natürlich klar, dass es auch einen barrierefreien Zugang geben muss. Und auch bei solchen Objekten ist es uns bisher eigentlich immer gelungen eine Lösung zu finden.
Katharina Müllebner: Sie sagen, es gibt kein Gebäude, wo gar nichts möglich ist?
Wolfgang Salcher: Ich würde es jetzt nicht ausschließen, aber ich sage mal: Wo ein Wille, da ein Weg.
Und manchmal kann es natürlich schon sein, bei kleineren Geschäften, die beim Eingang drei Stufen haben und wenn man sich das genauer anschaut, da müsste man dann die ganze Decke absenken. Das kostet hunderttausende Euro. Das ist ein statischer Eingriff und so weiter. Da kann es manchmal schon sein, dass es in der Gesamtbeschau für den Nutzer oder für den Pächter oder so nicht finanzierbar ist.
Und dann versucht man halt über Ersatzmögllichkeiten, zum Beispiel mit einer Klingel oder dass man über das Stiegenhaus irgendwie hinten reinfährt oder so. Irgendwie eine Verbesserung, sage ich mal, muss immer möglich sein. Aber es wird natürlich manchmal Objekte geben, die nicht so ganz einfach umzusetzen sind, weil es manchmal am Geld liegt. Aber wir haben das auch schon gemerkt, das ist auch eine Entwicklung.
Bei Objekten, wo man vor 20 Jahren vielleicht noch gesagt hätte: Da kommt kein Lift oder keine Rampe in Frage. Das hat sich auch gewandelt und mittlerweile sagt man: Da gibt es Lösungen. Und ich bin ein Freund davon mit positiven Beispielen zu arbeiten.
Und wenn man in Österreich und international schaut gibt es manchmal wirklich tolle Beispiele, wo man dann sagen kann: Die haben das so gelöst und wir könnten das auch so lösen.
Ein Beispiel ist zum Beispiel, auf der Berliner Museumsinsel gibt es das Bode-Museum und die haben dort einmal so eine Treppenanlage, die haben das damals schon sehr früh eingebaut, eine Treppe, die sich dann in eine Plattform verwandelt und dann praktisch ein Hebelift ist, wo man mit dem Rollstuhl einfach diese Treppen dann überwinden kann.
Und so was haben wir dann auch in Wien öfters jetzt schon angewandt. Und so was ist sehr praktisch. So mit positiven Beispielen lernen. Da ist es dann ganz gut, wenn es jemanden gibt der sagt: Das geht nicht. Da ist es immer gut, wenn man ein positives Beispiel hat: Na ja, aber in Berlin oder woanders ist es gegangen. Und das ist dann immer ganz gut.
Dann kommt man über diese Nein-Mauer hinweg und arbeitet dann an einer konstruktiven Lösung.
Katharina Müllebner: Mir ist gerade noch was eingefallen. Sie haben ja vorher auch diesen Theseus Tempel erwähnt mit der Rampe, die Sie gemacht haben. Da gab es ja auch mal in der Bevölkerung, dass man gesagt hat: Die Rampe passt gar nicht dazu. Da gab es ein bisschen eine Diskussion. Was sagen Sie dazu? Oder inwiefern schaut man noch mal, dass etwas designmäßig passt?
Wolfgang Salcher: Ob jetzt etwas dazu passt oder nicht, dafür gibt es diese ArchitektInnenteams, die das dann schön planen.
Und beim Theseus Tempel hat das der Architekt Töpfer elegant geplant. Beim Theseus Tempel ist auch noch ein bisschen ein Spezialfall, weil diese Rampe dann aufgebaut wird, wenn eben diese Ausstellung des Kunsthistorischen Museums stattfindet. Wenn im Winter diese Ausstellungen nicht stattfinden, dann ist diese Rampe wieder weg und dann steht der Theseus Tempel sowieso wie eh und je da.
Und im Sommer, wenn diese Ausstellungen stattfinden, ist die Rampe da. Und ehrlich gesagt, mein Eindruck ist, wenn man vorbei geht und nicht wirklich drauf achtet, das fällt niemandem auf. Von daher glaube ich nicht, dass das jemanden wirklich massiv stören kann.
Katharina Müllebner: Das heißt, man kann diese Rampe dann auch wieder entfernen?
Wolfgang Salcher: In dem Fall schon, ja. Das ist jetzt nicht das Ziel, dass man immer Rampen baut, die man wieder entfernen kann. In dem Fall war es so, weil diese öffentliche Nutzung des Theseus Tempels eben nur temporär ist, wenn diese Ausstellungen stattfinden und da war das eine sehr gute Lösung mit dieser temporären Rampe.
Katharina Müllebner: Warum ist Barrierefreiheit auch bei denkmalgeschützten Gebäuden wichtig?
Wolfgang Salcher: Denkmäler sind zum Bewohnen, zum Leben da und zum Nutzen da. Und wenn etwas nicht barrierefrei ist, dann ist es nicht zu 100 Prozent nutzbar. Und deshalb ist das eine wichtige Funktion.
Man muss ja auch dazu sagen, diese Barrierefreiheit ist ja oft nicht nur für Rollstuhlfahrer wesentlich, sondern die Profiteure sind ja wir alle. Ich merke es zum Beispiel auch bei uns da in der Hofburg.
Seit der Lift da ist, ist das natürlich ein Komfortgewinn, ein großer. Wenn man etwas Schweres zu tragen hat oder wenn man keine Lust hat, die drei Stockwerke die Treppen hochzugehen. Das ist natürlich schon ein großer Gewinn, den man meistens erst merkt, wenn es dann wirklich umgesetzt ist.
Aber so Rampen für Kinderwägen und so weiter, das ist einfach eine tolle Sache. Und das gehört heutzutage irgendwie dazu. Und wenn es auch in einem Denkmal machbar ist, ist das natürlich eine tolle Geschichte.
Katharina Müllebner: Es ist auch wichtig, dass ein Denkmal erlebbar ist? Man könnte auch sagen: Ein Denkmal, das nicht erlebbar ist, ist das dann überhaupt ein Denkmal?
Wolfgang Salcher: Ja. Natürlich. Es ist nicht das Ziel Denkmäler irgendwo versteckt zu halten, sondern natürlich sollen die genutzt werden. Und die Objekte sind ja für eine gewisse Nutzung gebaut und da schauen wir natürlich schon drauf, dass das auch weiterhin möglich ist. Eben, wie gesagt, mit Architektenteams, die da wirklich tolle Lösungen erarbeiten. Es ist manchmal wirklich so, dass es nicht einfach ist.
Es sind ja dann andere Faktoren auch noch, wie Brandschutz, Statik, Haustechnik, Klimaschutz, Sonnenschutz, Sicherheitstechnik und so weiter, zu erfüllen. Das ist natürlich schon immer eine große Herausforderung, das alles unter einen Hut zu bekommen.
Aber interessanterweise ist das nach einem längeren Prozess und Abwägungen und so weiter oft möglich. Ich denke jetzt nur an die Wiener U-Bahnen, wo die alten Stadtbahnstationen von Otto Wagner auch umgerüstet worden sind. In Wien haben wir ja wirklich das Privileg, solche U-Bahn Systeme gibt es ja weltweit nicht so viele, die 100 Prozent barrierefrei sind. Wenn man da jetzt zu anderen Städten schaut, wie Paris, Moskau oder Budapest, die werden das wahrscheinlich in 100 Jahren noch nicht haben.
Wir haben da schon sehr, sehr viele Beispiele, wo das sehr, sehr gut geglückt ist, was aber nicht selbstverständlich ist. Muss man auch sagen. Wenn man nach Venedig schaut. Die sind jetzt in den letzten Jahren auch sehr dran da Verbesserungen zu machen mit provisorischen Rampen und so weiter. Aber es ist eben nicht selbstverständlich, sondern da muss man schon dahinter sein.
Und natürlich war das auch 2006 ein wichtiger Schritt mit dem Bundesbehindertengleichstellungsgesetz. Das haben wir schon gemerkt, dass das dann bei öffentlichen Gebäuden schon eine sehr positive Wirkung gehabt hat, weil man dann wirklich das umgesetzt hat. Wir haben dann auch 2010 einmal mit einem Vortrag teilgenommen bei so einer Tagung und damals war das Thema noch unlösbarer Wiederspruch oder kreative Lösungen. Diesen unlösbaren Wiederspruche, den sehen wir heute eben nicht mehr, sondern das Ziel ist kreative Lösungen zu finden und diese Barrierefreiheit herzustellen.
Katharina Müllebner: Sie haben meine nächste Frage schon vorweggenommen. Welche konkreten Auswirkungen hat das Bundesbehindertengleichstellungsgesetz auf das Thema Denkmalschutz?
Wolfgang Salcher: Das Bundesbehindertengleichstellungsgesetz ist insofern wichtig, weil es für die EigentümerInnen, für die AchtitektInnen und alle Beteiligten die Richtschnur ist, dass das umzusetzen ist. Da gibt es kein Herumeiern mehr, sondern Ziel ist die Umsetzung und die größtmögliche Annäherung an das Ziel. Und deshalb arbeiten da alle sehr, aus meiner Sicht, sehr konstruktiv und sehr positiv daran. Die Frage ist jetzt weniger, ob man es macht, sondern einfach wie man es macht. Und das ist schon mal ein großer Schritt.
Katharina Müllebner: Was passiert eigentlich, wenn jemand gegen die Auflagen des Denkmalschutzes verstößt?
Wolfgang Salcher: Das ist eine gute Frage, weil das kommt aus unserer Sicht nicht so oft vor, dass wir dann wirklich mit der gesetzlichen Grundlage, da mit Strafen und so weiter, kommen müssen. Weil es eigentlich immer Lösungen gibt und wir eigentlich immer einen Konsens finden mit Eigentümern und Eigentümerinnen.
[Überleitungsmusik]Katharina Müllebner: Denkmäler sind Kulturgüter, zu denen alle Zugang haben sollten. Deshalb ist Barrierefreiheit, wie bei allen anderen Gebäuden auch, auch bei denkmalgeschützten Gebäuden unverzichtbar.
Wie uns diese Sendung gezeigt hat, ist Barrierefreiheit und Denkmalschutz durchaus vereinbar. Das war unsere Sendung zum Thema Barrierefreiheit und Denkmalschutz. Wir danken Herrn Salcher für seinen sehr interessanten Beitrag.
Alle Informationen zu dieser Sendung finden Sie wie immer auf unserer Internetseite www.barrierefrei-aufgerollt.at Es verabschiedet sich Ihr Redaktionsteam, Katharina Müllebner, Markus Ladstätter und Martin Ladstätter.
[Musik mit Text: barrierefrei aufgerollt – kurz, kompakt und leicht verständlich.]