
Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ist ein internationaler Vertrag.
Die Staaten, die ihn unterzeichnen, verpflichten sich, die Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten. Im März 2007 hat Österreich die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen unterzeichnet. Im Oktober 2008 wurde sie dann ratifiziert, das heißt verbindlich angenommen.
In dieser Sendung beschäftigen wir uns näher mit diesem wichtigen Handwerkszeug für die Durchsetzung unserer Rechte. Was fordert die UN-Behindertenrechtskonvention konkret und was muss passieren, damit die Forderungen auch tatsächlich in der Praxis umgesetzt werden? Diese und andere Fragen möchten wir in unserer Sendung beantworten.
Die Radiosendung zum Nachhören
Hier kannst du die ganze Sendung anhören:
Hier findest Du die Sendung zum Nachlesen.
In der Sendung
Christina Wurzinger, sie ist ausgebildete Juristin und hat einen Master in Menschenrechte und Demokratiearbeit. Von 2015 – 2018 war sie Vorsitzende des Monitoringausschusses zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Jetzt ist sie Referentin für europäische und internationale Angelegenheiten beim Österreichischen Behindertenrat. Seit 2014 ist sie auch im Vorstand des europäischen Behindertenforums vertreten.
Interessante Links
- 18. Sendung von barrierefrei aufgerollt über die Arbeit des Monitoringausschuss
- Leicht-Lesen-Version der UN-Konvention
- Interview mit Theresia Degener, ehemalige Vorsitzende des UN-Fachausschusses zur Überwachung der UN-Konvention.
- Handlungsempfehlungen der UNO anlässlich der Staatenprüfung Österreich 2013
- UN-Behindertenrechtskonvention zweiter und dritter Staatenbericht Österreichs (2019)
- Artikel über die Forderung von Indikatoren zur Messbarkeit der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention
- Artikel Aus der Krise lernen: UN-Behindertenrechtskonvention konsequent umsetzen
Die Sendung im Radio hören
Wien: Auf Radio ORANGE am 4. Oktober 2020 um 10:30 Uhr. Die Sendung kann auch auf o94.at live gehört werden. Die Wiederholung gibt es am 18.Oktober 2020 um 10:30 Uhr.
St. Pölten: Im campus & city radio am 8. Oktober 2020 um 17 Uhr. Die Sendung kann auch auf cr944.at live gehört werden.
Graz: Im Radio Helsinki am 23. Oktober 2020 um 16:30 Uhr. Die Sendung kann auch auf helsinki.at live gehört werden.
Salzburg: Auf radiofabrik am 12. Oktober 2020 um 18:00 Uhr. Die Sendung kann auch auf radiofabrik.at live gehört werden.
Hier findest Du alle unsere Sendetermine in den verschiedenen Radiosendern
Die Sendung zum Nachlesen
Katharina Müllebner: Herzlich willkommen bei einer neuen Sendung von barrierefrei aufgerollt von BIZEPS – Zentrum für Selbstbestimmtes Leben. Es begrüßt Sie Katharina Müllebner.
Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen kann als einer der größten Meilensteine gesehen werden.
Sie ist ein internationaler Vertrag, die Staaten, die die UN-Behindertenrechtskonvention unterzeichnen, verpflichten sich damit die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten.
Im März 2007 hat Österreich die Konvention unterzeichnet, 2008 hat Österreich die Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ratifiziert, das heißt rechtsgültig angenommen.
Österreich hat sich damit verpflichtet die Bestimmungen, die in der UN-Behindertenrechtskonvention festgeschrieben sind, auch tatsächlich umzusetzen, der Vertrag beinhaltet auch, dass die Einhaltung der Konvention in regelmäßigen Abständen überprüft wird, so etwas nennt man Staatenprüfung.
Die letzte Staatenprüfung von Österreich fand 2013 statt. Der Monitoringausschuss überwacht die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich.
Über den Monitoringausschuss haben wir schon mal eine eigene Sendung gemacht. Wenn Sie sie nachhören wollen, hören Sie sich unsere Sendung 18: Was macht der Monitoringausschuss an.
In dieser Sendung widmen wir uns aber ausschließlich der UN-Behindertenrechtskonvention. Was ist die UN-Konvention? Warum ist sie so wichtig? Wie ist sie entstanden? Und wie funktioniert die Anwendung in der Praxis?
Unser Gast ist Christina Wurzinger. Sie ist Referentin für europäische und internationale Angelegenheiten beim Österreichischen Behindertenrat.
Wurzinger ist ausgebildete Juristin und hat einen Master in Menschenrechte und Demokratiearbeit.
Von 2015-2018 war sie Vorsitzende des Monitoringausschusses zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.
Außerdem ist sie seit 2014 im Vorstand des Europäischen Behindertenforums vertreten. Das ist eine Dachorganisation der europäischen Behindertenverbände. Sie wird mit uns über die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich sprechen.
Die Audioqualität des Interviews ist etwas anders, das liegt daran, weil wir das Interview per Videokonferenz geführt haben.
[Überleitungsmusik]Katharina Müllebner: Hallo Frau Wurzinger, schön dass sie da sind.
Christina Wurzinger: Hallo, vielen Dank für die Einladung!
Katharina Müllebner: Was ist die UN-Behindertenrechtskonvention?
Christina Wurzinger: Die UN-Behindertenrechtskonvention ist ein völkerrechtlicher Vertrag, den Österreich unterzeichnet hat. Das war 2008. Da hat sich Österreich zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet.
Es ist ein Vertrag, ein Menschenrechtsvertrag. Das heißt, da werden grundlegende Menschenrechte und Grundfreiheiten festgeschrieben. Es ist eine Menschenrechtskonvention, die jetzt keine neuen Rechte, keine neuen Menschenrechte erfindet, sondern sie formuliert die allgemeinen Menschenrechte, die es ja jetzt schon sehr lange gibt, formuliert sie für Menschen mit Behinderungen oder auf Menschen mit Behinderungen zugeschnitten, neu.
Warum macht sie das? Es ist so, dass sich in der Geschichte gezeigt hat, dass es zwar viele oder einige Menschenrechtskonventionen schon gibt, dass aber immer wieder Menschen mit Behinderungen vergessen werden.
Menschen mit Behinderungen waren immer mitgemeint, und es hat sich gezeigt, dass bestimmte Rechte besonders ausformuliert werden müssen, damit sie auch von allen Menschen wahrgenommen werden können.
Deswegen sind jetzt in der UN-Behindertenrechtskonvention auch Begriffe wie Inklusion, Partizipation, also Teilhabe und diese Art von Begriffen werden da Barrierefreiheit zum Beispiel auch, werden da ganz oft und extra noch mal definiert, was jetzt in anderen Menschenrechtskonventionen so nicht drinnen ist.
Katharina Müllebner: Was fordert denn die UN-Behindertenrechtskonvention genau?
Christina Wurzinger: Die UN-Behindertenrechtskonvention hat sehr viele Artikel, in denen sie unterschiedliche Rechte von Menschen mit Behinderungen festlegt. Man kann sagen, dass das übergeordnete Ziel der Konvention die volle und gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen mit Behinderungen, auch ohne Behinderungen, an der Gesellschaft ist.
Ja, es geht ja viel um Chancengleichheit. Es geht sehr viel um Selbstbestimmung. Es geht viel um Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung. Es geht viel um Barrierefreiheit und eben um Partizipation und Teilhabe als solches.
Und das ist dann aufgegliedert in unterschiedliche Artikel. Da wird zum Beispiel das Recht auf Bildung, auf inklusive Bildung festgelegt. Es wird das Recht auf Arbeit festgelegt, das Recht auf Barrierefreiheit. Es gibt einzelne Bestimmungen für Frauen mit Behinderungen, es gibt einen Artikel zu Kindern mit Behinderungen. Es gibt einen Artikel zur Bewusstseinsbildung. Ganz, ganz viele zur Selbstbestimmung und Deinstitutionalisierung zur freien Meinungsäußerung. Da gibt es ganz, ganz viele Artikel, die unterschiedliche Bereiche regeln.
Was besonders ist an dieser Konvention? Das haben jetzt andere Konventionen so nicht drinnen stehen. Es regelt auch im Artikel 33, wie die Konvention im Staat selber durchgesetzt werden muss beziehungsweise regelt es, dass die Umsetzung überwacht werden muss. Muss ein eigener Überwachungsmechanismus eingeführt werden, der dafür sorgt, oder das beobachtet und überwacht, dass diese Rechte, die da drinnen stehen in der Konvention, auch tatsächlich umgesetzt werden.
Bei uns ist das der unabhängige Monitoring Ausschuss zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und dann auch die Länder Monitoring Gremien, die das überwachen. Das gab es in der Form so noch nicht in einer UN-Konvention. Das ist eine Besonderheit.
Katharina Müllebner: Wir haben den Begriff Artikel verwendet, was heißt das?
Christina Wurzinger: Ja, Artikel, das sind einzelne Absätze. Das sind Absätze mit einer bestimmten Überschrift, wo drinnen steht, welches Recht da jetzt geregelt ist.
Zum Beispiel, wenn man sich den Titel her nimmt von, Artikel 24, da ist die Überschrift Bildung. Der Artikel 24 regelt die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Zusammenhang mit Bildung. Und so regelt jeder Artikel ein eigenes Thema.
Katharina Müllebner: Hängen die Artikel auch untereinander zusammen?
Christina Wurzinger: Ja, alle Menschenrechte hängen untereinander zusammen. Das gilt für alle Menschenrechtskonventionen.
Ich kann mein Recht auf, sagen wir, Arbeit nur dann tatsächlich ausüben, wenn barrierefrei, wenn meine Umwelt halbwegs barrierefrei ist und wenn ich auch barrierefrei zur Arbeit gelangen kann, wenn mein Arbeitsplatz halbwegs barrierefrei ist.
Das heißt, die Artikel sind gegenseitig voneinander abhängig und alle Artikel sind gleichermaßen wichtig und alle Artikel müssen umgesetzt werden. Das gilt jetzt aber nicht nur für die Behindertenrechtskonvention, das gilt für alle Menschenrechte. Es gibt auch eine Menschenrechtskonvention für Frauen, eine Menschenrechtskonvention über die Rechte von Kindern, eine Menschenrechtskonvention gegen Rassismus zum Beispiel. Und nur wenn alle Menschenrechte umgesetzt werden, dann kann ich wirklich meine einzelnen Menschenrechte auch ausüben.
Katharina Müllebner: Es ist ja die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Welches Verständnis von Behinderung liegt der Konvention zugrunde?
Christina Wurzinger: Die Konvention legt fest das soziale Modell von Behinderung. Im Gegensatz zum sozialen Modell von Behinderung steht das medizinische Modell von Behinderung. Und da sagt die Konvention, da müssen wir weg davon.
Wir müssen weg vom medizinischen Modell von Behinderung und müssen hin zum sozialen Modell von Behinderung. Was heißt das? Das medizinische Modell von Behinderung schaut immer darauf, was kann jemand nicht oder was fehlt? Und so wird Behinderung dann festgelegt.
Aber das soziale Modell von Behinderung sagt, es ist jetzt nicht ein Fehlen, an einer Person, an einem Menschen, das eine Behinderung ausmacht, sondern Behinderung entsteht erst durch eine gewisse Einschränkung oder eine Beeinträchtigung in irgendeiner Form und Weise in Kombination, in Verbindung mit den Barrieren, auf die man in der Umwelt stößt.
Das heißt, erst durch diese Barrieren in der Umwelt, und das können ganz unterschiedliche Barrieren sein, erst dadurch entsteht eine Behinderung. Das heißt, ich bin nicht behindert, sondern ich werde behindert durch diese Barrieren, die es in meiner Umwelt gibt.
Und da sprechen wir von ganz unterschiedlichen Barrieren. Das können jetzt sein, bauliche Barrieren. Es können aber auch sogenannte einstellungsbedingte Barrieren sein. Einstellungsbedingte Barrieren bedeutet, dass es Vorurteile gibt gegen Menschen mit Behinderungen. Dass Menschen mit Behinderungen zu wenig zugetraut wird, dass Ängste auch bestehen im Zusammenhang mit Menschen mit Behinderungen oder dass man glaubt, Menschen mit Behinderungen müssen beschützt werden.
Das sind einstellungsbedingte Barrieren. Und ich glaube, dass gerade diese Barrieren, also die Barrieren in den Köpfen, die einstellungsbedingten Barrieren, die größten Barrieren sind, die es gibt, und sehr schwierige Barrieren, die zu bekämpfen. Aber auch da sagt die UN-Behindertenrechtskonvention, dass diese Barrieren abgebaut werden müssen.
Katharina Müllebner: Gibt es jetzt eigentlich eine konkrete Verpflichtung, die Dinge, die in der UN-Konvention stehen, auch tatsächlich umzusetzen?
Christina Wurzinger: Es ist so, dass die UN-Behindertenrechtskonvention, wie alle UN-Konventionen, unter einem sogenannten Erfüllungsvorbehalt unterzeichnet und ratifiziert wurde. Das heißt, es müssen die einzelnen Rechte, die da drinnen stehen in der Konvention, erst in österreichisches Recht umgewandelt werden. Ich muss dazu Gesetze schreiben in Österreich und Gesetze machen.
Und dann erst ist die Konvention, dann sind diese Rechte erst direkt anwendbar in Österreich. Trotzdem ist das, was in der Konvention drinnen steht, eine Verpflichtung. Österreich hat sich verpflichtet, diese Rechte umzusetzen und zu gewährleisten. Das heißt, der Staat ist dazu verpflichtet, auch die Konvention in solche Gesetze zu gießen und dafür Vorsorge zu tragen, dass das auch wirklich umgesetzt werden kann, was da drinnen steht.
Das ist eine politische Verpflichtung, die Österreich da eingegangen ist. Es gibt dazu rechtlich keine Durchsetzungsmöglichkeiten. Was es schon gibt, ist, es gibt Staaten-Prüfungsverfahren, wo der Staat überprüft wird regelmäßig, ob die Rechte aus der Konvention auch wirklich umgesetzt werden, das gibt es.
Und es gibt dann auch sogenannte Individual-Beschwerdeverfahren, wo man unter bestimmten Voraussetzungen, wenn man in seinen eigenen Rechten verletzt wurde, den UN-Fachausschuss zur Umsetzung der Rechte von Menschen mit Behinderungen, anrufen kann. Das heißt, sich dort beschweren gehen kann.
Aber dazu müssen einige Voraussetzungen erfüllt werden.
Aber ich kann jetzt zum Beispiel nicht zu einem österreichischen Gericht gehen und sagen: Da ist der Artikel 27 aus der, UN-Behindertenrechtskonvention zur Arbeit und Beschäftigung und der ist nicht für mich nicht umgesetzt worden. Ich habe keine Arbeit, ich habe kein inklusives Arbeitsverhältnis. Ich möchte das jetzt einklagen diesen Artikel. Das geht nicht.
Katharina Müllebner: Was braucht es denn praktisch, damit die Dinge, die da drinstehen, auch umgesetzt werden können? Was ist da wichtig?
Christina Wurzinger: Also ganz wichtig ist der politische Wille dahinter. Wir sehen immer wieder, dass teilweise die Konvention und die Rechte darin nicht ernst genug genommen werden. Das heißt, dass sich die politisch Verantwortlichen dafür nicht genug einsetzen oder auch gar nicht genug davon wissen. Das heißt, es braucht Bewusstsein.
Es braucht ein Bewusstsein für die Rechte aus der Konvention, einerseits bei den Menschen mit Behinderungen selber. Ich glaube, das wächst sehr intensiv und sehr stark in den letzten Jahren. Es braucht aber auch ein Bewusstsein bei den politischen Verantwortlichen. Und das ist der erste Schritt.
Und dann ist es alles Schritt für Schritt, aber auch irgendwo gleichzeitig, müssen gewisse Dinge gewährleistet werden.
Ich glaube, ein ganz wichtiger Punkt, wie die Rechte aus der UN-Behindertenrechtskonvention umgesetzt werden können, ist Partizipation, also Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an allen Lebensbereichen, aber auch an der Gesetzeswerdung. Das heißt, welche Gesetze braucht es? Wie müssen Gesetze ausschauen? Wie müssen politische Programme ausschauen? Wie muss überhaupt das öffentliche Leben ausschauen, damit Menschen mit Behinderungen teilhaben können?
Es braucht diese Expertise in eigener Sache. Es hat sich gezeigt, ganz viel und ganz oft schon, dass, wenn von Anfang an Menschen mit Behinderungen eingebunden sind und auch etwas zu sagen haben zu Dingen, die sie selbst angehen, dass das von vornherein dann auch viel besser funktioniert. Weil dann Dinge, die man sonst vergisst oder die politisch Verantwortlichen sonst vergessen, da dann schon mitgedacht werden.
Und ich glaube, dass das nicht die Lösung, aber so eine Grundvoraussetzung davon ist, dass die Rechte aus der Konvention vernünftig umgesetzt werden können. Partizipation, Teilhabe in allen Lebensbereichen von Anfang an.
Katharina Müllebner: Wie lässt sich eigentlich bestimmen, inwieweit die UN-Behindertenrechtskonvention umgesetzt ist in verschiedenen Bereichen? Wie kann man das sehen?
Christina Wurzinger: Es gibt da ganz unterschiedliche Methoden. Es gibt Studien dazu. Es gibt eben den Monitoring Ausschuss zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention und die Monitoring Gremien in den Ländern, die das beobachten und schauen, welche Gesetze sind da? Wie schaut es in der Praxis aus? Wie schaut es im Alltag aus?
Es gibt NGOs, die selbst organisiert sind und sagen, das passt noch nicht, und dort passt es noch nicht. Da gibt es ganz viele Methoden, um zu beobachten und zu schauen, wie die Behindertenrechtskonvention umgesetzt ist.
Man kann auch Artikel für Artikel vorgehen zum Beispiel. Man kann sich die Medien anschauen. Wie werden Menschen in den Medien dargestellt, welches Bild von Menschen mit Behinderungen wird überliefert?
Man kann sich das Bildungssystem anschauen. Man kann schauen, wie viele Kinder mit Behinderungen sind tatsächlich in inklusiven Schulen, und wie viele Sonderschulen gibt es noch? Oder, ein ganz wichtiger Bereich ist auch Menschen mit Behinderungen in Einrichtungen, in Institutionen.
Man kann schauen, wie viele Institutionen gibt es, oder leben Menschen mit Behinderungen noch immer vorwiegend in Heimen? Oder können Menschen mit Behinderungen auch selbstständig wohnen und so wohnen, wie sie möchten? Da gibt es ganz viele Bereiche, die man sich anschauen kann. Viele Statistiken, Daten und Zahlen, die man sich anschauen kann.
Leider fehlen uns in vielen Bereichen noch die Zahlen. Und es gibt eben die Organisationen von Menschen mit Behinderungen selbst, die dann auch uns sagen können, wo es denn hapert und wo es fehlt.
Katharina Müllebner: Wie weit ist denn Österreich mit der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention? Was ist da noch zu tun und was hat schon geklappt?
Christina Wurzinger: Ja, in Österreich gibt es noch vieles zu tun. Ich habe es vorher schon erwähnt, es gibt die Staaten-Prüfungsverfahren, da wird Österreich überprüft darauf, wie die UN-Konvention oder wie weit die UN-Behindertenrechtskonvention schon umgesetzt ist.
Österreich muss einen Bericht schreiben an den UN-Fachausschuss zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, und da muss Österreich hineinschreiben, was es schon alles gemacht hat, um die Konvention umzusetzen. Das Gute ist, dass auch Nichtregierungsorganisationen und Behindertenorganisationen die Möglichkeit haben, dem UN-Fachausschuss zu berichten, was schon alles umgesetzt wurde und was nicht. Das heißt, auch wo es noch fehlt.
Und der UN-Ausschuss schreibt dann Empfehlungen, der gibt dann Empfehlungen ab, die Österreich bis zur nächsten Staatenprüfung umzusetzen hat. Das hat schon einmal stattgefunden und wird jetzt nächstes Jahr noch mal stattfinden. Da wird Österreich dann noch einmal überprüft, und es hat sich auch gezeigt, dass die Empfehlungen aus der letzten Staatenprüfung gar nicht alles so toll umgesetzt wurden.
Da gibt es ein paar Beispiele, wo es ganz schwierig ist, zum Beispiel der Bildungsbereich. Da hat sich ganz, ganz wenig getan. Wir sind noch immer ganz weit weg von inklusiver Bildung. Es werden ganz viele Kinder und Jugendliche, sind noch in Sonderschul-System. Und auch in den sogenannten integrativen Klassen funktioniert es oft nicht so gut. Und da bewegt sich auch sehr, sehr, sehr wenig.
Dann gibt es aber auch Beispiele, wo sich schon etwas getan hat seit der letzten Staatenprüfung. Da kann man sagen, kann man zum Beispiel heranziehen die unterstützte Entscheidungsfindung, es wurde ja das System der Sachwalterschaft wurde abgeschafft, und ein System der unterstützten Entscheidungsfindung eingeführt. Da muss man dazu sagen, wie das Ganze funktioniert hat, der Prozess, der da dahintergestanden ist, das war ein ganz toller und sehr partizipativer Prozess.
Das heißt, da haben sehr viele Menschen mit Behinderungen auch teilnehmen können und auch sagen können, was sie brauchen, was sie wollen. Und da waren die Bemühungen sehr groß vom Staat Österreich, da vor allem vom Justizministerium, da etwas zu verbessern. Es gibt jetzt auch trotzdem Probleme in der Umsetzung von diesem neuen Gesetz. Das ist schon so. Aber trotzdem, der Prozess dahin war ein sehr guter.
Und das war auch eine Empfehlung, die bei der letzten Staatenprüfung gekommen ist und wo der UN-Fachausschuss gesagt hat, bitte da müsste ihr das verbessern, das geht nicht. Das muss viel mehr in Richtung Selbstbestimmung gehen, und es muss eben unterstützte Entscheidungsfindung sein und nicht so, wie das damals stattgefunden hat. Und da hat eben schon was stattgefunden. Es gibt leider weniger gute Beispiele als schlechte Beispiele.
Es gibt eben viele Sachen, wo noch ganz viel zu tun ist.
Im Bereich Arbeit sind ganz viele Menschen mit Behinderungen arbeitslos oder haben keine Möglichkeit, inklusiv zu arbeiten. Oder wenn man jetzt den Bereich hernimmt von Selbstbestimmung und Deinstitutionalisierung, also dass Menschen mit Behinderungen nicht in Institutionen leben sollen, oder leben müssen sollen, sondern selbst bestimmen sollen, wo sie und wie sie wohnen möchten und mit wem. Das ist noch ganz, ganz viel zu tun.
Und da gibt es auch ganz wenig Bewusstsein dafür. So viele Menschen in Österreich glauben noch, dass Menschen mit Behinderungen in Institutionen, in Heimen, am besten aufgehoben sind, weil sich dort gut um sie gekümmert wird.
Die Idee der Selbstbestimmung ist noch nicht so durchgekommen. Es gibt auch viel zu wenig Persönliche Assistenz. Die Persönliche Assistenz ist auch nicht einheitlich geregelt. Da ist ganz viel noch offen, was gemacht werden muss.
Katharina Müllebner: Was nützt jetzt mir die UN-BRK als Privatperson?
Christina Wurzinger: Ich glaube, dass die UN-Behindertenrechtskonvention ein ganz starkes – und das ist jetzt ein schwieriges Wort – Empowerment Tool ist. Also, das hilft einem selbst zu erkennen, dass man Rechte hat, dass man nicht um etwas bitten muss, sondern dass das ganz normale Rechte sind, die man auch einfordern kann.
Und das, finde ich, ist so, so wichtig an der UN-Behindertenrechtskonvention, dass sie das ein für alle Mal klar festlegt. Ich bin keine Empfängerin von irgendwelchen Almosen, sondern ich habe dieses Recht, es steht mir zu. Ich kann es auch einfordern. Und das bringt einem jetzt als Einzelperson die UN-Behindertenrechtskonvention.
[Überleitungsmusik]Katharina Müllebner: Mit der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen haben diese ein wichtiges Handwerkzeug für die Durchsetzung ihrer Rechte bekommen. Für die konkrete Umsetzung im Alltag muss aber immer wieder gekämpft werden.
Bei einigen Dingen, wie zum Beispiel der Inklusion im Bildungsbereich, der Abschaffung der Heime oder der Barrierefreiheit, besteht immer noch Handlungsbedarf. Gemeinden, Bund und Länder müssen immer wieder daran erinnert werden, ihre Verpflichtungen aus der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen auch tatsächlich umzusetzen.
Das war unsere barrierefrei aufgerollt Sendung zum Thema UN-Konvention. Ich hoffe Sie konnten einen kleinen Einblick, in dieses für Menschen mit Behinderungen so wichtige Dokument bekommen. Weiterführende Informationen zu dieser Sendung finden Sie wie immer auf unserer Internetseite www.barrierefrei-aufgerollt.at.
Es verabschiedet sich ihr Redaktionsteam Katharina Müllebner, Markus Ladstätter und Martin Ladstätter.
[Musik mit Text: barrierefrei aufgerollt – kurz, kompakt und leicht verständlich.]