In dieser Sendung geht es um das Thema Schwerhörigkeit. Sie tritt nicht nur beim älter werden auf.
Hörbehinderungen sind sogenannte nicht sichtbare Behinderungen. In dieser Sendung sprechen wir über Schwerhörigkeit. Die Auswirkungen davon und wie man den Alltag barrierefreier gestalten kann, davon erzählen unsere Gäste.
Die Radiosendung zum Nachhören
Hier kannst du die ganze Sendung anhören:
Hier findest Du die Sendung zum Nachlesen.
Unsere Gäste
- Jörg Fehringer, 55 Jahre, leitet bei VOX – Schwerhörigenzentrum die Selbsthilfegruppe für Männner und die Laufgruppe
- Elisabeth Randa, 72 Jahre, leitet bei VOX – Schwerhörigenzentrum die Selbsthilfegruppe Offenes Forum
- Chiara Scherf, 19 Jahre, studiert Publizistik und Politikwissenschaft
Interessante Links
- Schwerhörigenvereine und Selbshilfegruppen in Österreich
- Chiara Scherfs Artikel: Wie es ist, nichts zu hören
- Kritische Stimmen zu Cochlea-Implanten: Warum Cochlea-Implantate keine Wunder sind
Die Sendung im Radio hören
Wien: Auf Radio ORANGE 94.0 am 1. März 2020 um 10:30 Uhr. Die Sendung kann auch auf o94.at live gehört werden.
St. Pölten: Im campus & city radio am 12. März 2020 um 17:00 Uhr. Die Sendung kann auch auf cr944.at live gehört werden.
Graz: Im Radio Helsinki am 13. März 2020 um 16:30 Uhr. Die Sendung kann auch auf helsinki.at live gehört werden.
Salzburg: Auf radiofabrik am 9. März 2020 um 18:00 Uhr. Die Sendung kann auch auf radiofabrik.at live gehört werden.
Hier findest Du alle unsere Sendetermine in den verschiedenen Radiosendern.
Die Sendung zum Nachlesen
Katharina Müllebner: Herzlichen Willkommen zur heutigen Sendung von barrierefrei aufgerollt von BIZEPS Zentrum für Selbstbestimmt Leben. Am Mikrofon begrüßt Sie Katharina Müllebner.
Schwerhörigkeit – eine klassische Begleiterscheinung des Älter-Werdens werden vielleicht jetzt manche von Ihnen denken.
Die Bilder, die uns beim Thema Schwerhörigkeit in den Sinn kommen, sind vielleicht der ältere Herr oder die ältere Dame, die angestrengt bei einem Gespräch zuhören und später vielleicht die ein oder andere Nachfrage stellen müssen.
Dass das Thema Schwerhörigkeit auch jüngere Menschen betreffen kann, darüber denkt man vielleicht schon weniger nach.
Auch ist Schwerhörigkeit nicht auf den ersten Blick sichtbar, wie zum Beispiel ein Rollstuhl oder wenn jemand der komplett gehörlos ist sich in einer der Gebärdensprache verständigt.
Bevor wir mit unseren Gästen darüber sprechen wie sich Schwerhörigkeit im Alltag auswirkt oder welche Hilfsmittel es gibt, hier ein paar Fakten:
Für die Hörfähigkeit eines Menschen ist die Tonhöhe und die Lautstärke entscheidend. Am besten reagiert das Gehör auf die Tonhöhe der menschlichen Sprache. Auch kann das Gehör im Normalfall Töne als weniger wichtig einstufen und weitgehend ausblenden. Das schützt vor Überforderung und man kann sich auf einzelne Dinge konzentrieren, zum Beispiel kann ich meinen Gesprächspartner dann auch im Stimmengewirr hören.
Bei Schwerhörigkeit kann man verschiedene Grade unterscheiden: gering, mittel, hoch, und an Gehörlosigkeit grenzend. Man kann sich das etwa so vorstellen:
Wenn man eine geringgradige Schwerhörigkeit hat, kann man zum Beispiel das Ticken einer Armbanduhr oder das Rauschen von Blättern akustisch nicht mehr wahrnehmen.
Bei einer mittelgradigen Schwerhörigkeit fällt es schwer die normale Geräuschkulisse in einem Wohngebiet wahrzunehmen.
Ist man hochgradig schwerhörig, kann man seinem Gesprächspartner nicht mehr verstehen auch wenn er normale Sprechlautstärke spricht.
Bei der an Gehörlosigkeit grenzenden Schwerhörigkeit hört man praktisch nichts mehr. Es können zum Beispiel sehr laute Musik oder die Geräusche einer Autobahn nicht mehr wahrgenommen werden.
[Überleitungsmusik]Katharina Müllebner: Jörg Fehringer ist berufstätig und engagiert sich im Rahmen einer Selbsthilfegruppe und einer Laufgruppe beim VOX Schwerhörigenzentrum Wien.
Er hat eine Hörschädigung auf beiden Seiten, er erzählt uns über seine sogenannte Knochenleitungshörbrille und sein Engagement in der Selbsthilfegruppe.
Herr Fehringer, Sie tragen eine sogenannte Knochenleitungshörbrille. Was ist das?
Jörg Fehringer: Die Knochenleitungsbrille ist in Österreich eher selten. Und die Knochenleitungsbrille bewirkt dadurch, da wird der Schall über ein Mikrofon aufgenommen und wird dann über das Felsenbein hinter dem Ohr direkt zum Innenohr übertragen.
Das wird dann angewendet, wenn das Mittelohr nicht mehr funktionsfähig ist. Anders als beim HdO-Gerät, sitzt es hinter dem Ohr Gerät. Da passiert die Aufnahme noch über den Gehörgang oder eben bei einem CI beim Implantierten.
Katharina Müllebner: Seit wann nutzen Sie dieses Hilfsmittel und warum haben Sie sich gerade für dieses entschieden?
Jörg Fehringer: Ich habe das Hörgerät seit meinem 14. Lebensjahr und es hat sich dadurch ergeben, wann bei mir die Hörbeschädigung eingesetzt hat, weiß man nicht genau. Weil, damals war auch die Medizintechnik noch nicht so weit.
Da ist nur aufgefallen, dass ums 13. Lebensjahr herum, dass ich zwar die Lehrer in der Schule verst/ gehört habe, aber nicht mehr verstanden habe. Und das ist mir dann zum HNO-Arzt gegangen. Der hat dann einmal festgestellt eben, dass ich sehr enge Gehörgänge habe. Und dass eben das Mittelohr zu ist.
Und dann hat er eben probiert den Gehörgang aufzustemmen. Ich bin im rechten Ohr zweimal operiert worden. Mir ist der Gehörgang aufgestemmt worden. Weil bei mir ist auch das Trommelfeld verknöchert. Und man hat sich von dem eine Verbesserung erwartet, was aber leider nicht der Fall war, weil der Gehörgang wieder zusammengefallen ist.
Und nach dem haben wir dann die Gehörgeräte ausprobiert. Eben HdO-Geräte, Knochenleitung und so weiter. Und da hat sich dann herausgestellt, dass das Knochenleitungssystem für mich am besten ist. Und damals hat es die IdO-Geräte, das sind die Hörgeräte, die im Gehörgang drinnen sind, hat es damals nicht gegeben. Was für mich eh nicht in Frage gekommen ist, weil erstens geht das nur, wenn man intakte Gehörgänge hat und zweitens wird das nur bei leichter Schwerhörigkeit angewandt.
Katharina Müllebner: Bitte erzählen Sie uns, was sich durch die Knochenleitungshörbrille für Sie verändert hat.
Jörg Fehringer: Eigentlich komplett alles. Es war natürlich dann, war es natürlich ein jeder Mensch der ein Handikap hat, denke ich mich, das weiß ich auch bei uns im Verein, damit er gemobbt wird. Weil, wenn man etwas nicht versteht oder so was, dann wird man von den anderen gemieden, dann wird man isoliert.
Und wenn man natürlich dann das hört, dann gehört man wieder so halbwegs zur Gesellschaft. Ich höre zwar keine 100 Prozent mit der Knochenleitungsbrille und vor allem ist es auch nicht so, dass man dann einfach die Knochenleitungsbrille bekommt und sagt, ja, jetzt hört man wieder.
Sondern die Gewöhnung, dass ich mit der Knochenleitungsbrille normal höre, hat eineinhalb Jahre gebraucht.
Weil, man hört ja nicht mit den Ohren. Die Ohren sind sozusagen das Werkzeug, hören tut man mit dem Gehirn. Und das Gehirn muss erst lernen mit dem Hörgerät zu hören. Und das hat eineinhalb Jahre gebraucht.
Katharina Müllebner: Brauchten Sie da eigentlich irgendwelche speziellen Trainings?
Jörg Fehringer: In dem Sinne eigentlich nicht. Das hat es damals nicht gegeben, so eine Hörtherapie hat es damals nicht gegeben. Ich werde es nie vergessen, das erste Mal, wenn ich sie aufgehabt habe, da ich in der Ordination von meinem Arzt, der mich damals operiert hat.
Der hat mich auf einen Hocker gesetzt und hat gesagt, da schau beim Fenster hinaus. Er hat mich dann von hinten angesprochen und ich habe das Gefühl gehabt, ich bin in einer Kathedrale. Ich habe das 4-fache Echo gehabt.
Und da eben durch dann das Hören und so weiter hat sich dann das Ergebnis ist dann mit eineinhalb Jahren/ nach eineinhalb Jahren dann normal gehört habe. Also für mich normal.
Weil man kann ich sagen, wie hört der andere, wie höre ich. Aber so sage ich, ich verstehe jetzt die anderen.
Katharina Müllebner: Sie haben eh schon ein bisschen darüber erzählt, wie kann ich als Betroffene oder Betroffener wissen, welche Technik für mich die richtige ist?
Jörg Fehringer: Bei mir war es so, dass ich eben dadurch durch meinen HNO-Arzt das so ergeben hat mit der Knochenleitung und der hat mich dann an ein Hörgeschäft vermittelt, die eben mit dem Erfahrung haben und die mir/ eben mir das Gerät zur Verfügung gestellt hat. Aber da zum Beispiel tat das Gerät auch Induktion.
Und ja und da wurde auch gesagt, Induktion, weil damals wurde es mir noch nicht gesagt, ja, aber mir wurde halt später, wie gesagt, Induktion ist nicht wichtig, obwohl es die Induktion schon eine Technik aus den 60er-Jahren ist, die aber noch immer ein irrsinnig wichtiges Werkzeug für uns ist.
Eben wo jetzt die ganzen Theater mit den Induktionsschleifen ausgestattet werden, wo Kinosäle, wo Museen ausgestattet werden. Auch Museumsführungen, die schon mit Induktion gemacht werden.
Katharina Müllebner: Weil Sie es eben selbst erwähnt haben und das Thema Induktionsschleife für die meisten unserer Zuhörerinnen und Zuhörer noch unbekannt sein wird:
Induktionsschleifen werden auch als induktive Höranlagen oder Ringschleifenanlagen bezeichnet. Schwerhörige Personen können mit dieser Technologie die entsprechenden Audiosignale wie zum Beispiel Musik oder Sprache direkt in ihrem Hörgerät hören.
Das Prinzip einer induktiven Höranlage besteht vereinfacht beschrieben aus einem speziellen Kabel, das entlang der Wände eines Raumes verlegt wird und an einen sogenannten Induktionsverstärker angeschlossen wird. Dadurch baut sich im Raum ein schwaches Magnetfeld auf.
Alle akustischen Signale, die in diesen Verstärker eingespeist werden wie zum Beispiel Sprache oder Musik können von der sogenannten T-Spule des Hörgerätes (oder des Cochlea-Implantats) aufgenommen und wieder in hörbare Schallschwingungen umgewandelt werden. Es werden dabei keine Nebengeräusche übertragen und die gewünschte Hörinformation zum Beispiel ausschließlich, das was jemand in ein Mikrofon spricht, kann somit gehört werden.
Gibt es für Sie als Mensch mit Hörbehinderung irgendwelche Barrieren im Alltag?
Jörg Fehringer: Ja, man lernt halt in der Zeit mit dem dann umzugehen. Barrieren sind zum Beispiel jetzt, wenn ich zum Beispiel, wie es mir jetzt passiert ist vor circa einem halben Jahr, wo mich ein Vortrag interessiert hat und dadurch, dass ich gehörbeschädigt bin, setze ich mich weiter vorne hin.
Jetzt bin ich schon ziemlich weiter voran gesessen, jetzt war es aber so, dass der Vortragende hatte keine… wie soll man das sagen, eine feste Stimme gehabt hat und der auch nicht sonderlich laut gesprochen hat. Das hatte zur Folge gehabt, ich habe ihn zwar gehört, aber nicht verstanden.
Und da ist dann das Handikap, wo ich sage, kann ich den Vortrag mir überhaupt anhören, wenn keine Induktionsanlage vorhanden ist.
Wenn eine Induktionsanlage vorhanden ist, dann ist es kein Problem.
Und dadurch habe ich, dass ich dann bei uns zum Verein dazu gekommen bin, habe ich die Induktion kennengelernt.
Katharina Müllebner: Wie sehen Sie denn die Entwicklungen in Bezug auf Barrierefreiheit für schwerhörige Personen in Österreich? Hast sich da etwas getan?
Jörg Fehringer: Es schreitet immer weiter weg, weil Dank der Informationen, was wir haben, tut sich da jetzt sehr viel auch unter anderem, seit das Gleichbehandlungsgesetz aktiv geworden ist, dass sich da sehr viel tut. Das erste Mal die Induktion weiter berücksichtigt wird, wo auch unser Verein dahinter ist. Eben dass Theatersäle ausgestattet werden, dass die Museen ausgestattet werden. Dass man die Leute sensibilisiert, was auch sehr wichtig ist.
Was bei mir zum Beispiel auch ist, wo ich eben auch mit den Leuten rede, wo viele Leute zum Beispiel… manche Sachen nicht wissen, zum Beispiel Schwerhörige sind nicht gleich wie Gehörlose. Wir haben unterschiedliche Bedürfnisse. Wir können zum Beispiel mit einem Gebärdendolmetscher nichts machen. Und der Gebärdendolmetscher auch mit dem Schriftdolmetscher nicht. Das gibt es jetzt kurz als Schriftdolmetscher.
Schriftdolmetscher sind Leute, zum Beispiel, die sind ein/ wenn ein Vortrag ist oder so etwas und der Schriftdolmetscher ist mit anwesend, wird in Echtzeit das, was er spricht, an die Wand projiziert. Das ist für einen der trotz Hörgeräte schwer hört eine immense Hilfe.
Oder wenn zum Beispiel so ist, wenn einer schwerhörig ist, was viele Leute glauben, der ist schwerhörig, den muss ich jetzt anschreien. Dem ist aber nicht so. Wenn einer schwerhörig ist, das ist erst einmal Face to Face, das heißt, Gesicht anschauen, dann langsam und deutlich sprechen und dann Lippen ablesen.
Dass praktisch ich die Möglichkeit habe, Lippen abzulesen. Und viele Leute glauben jetzt, wenn der schwerhörig ist, dann muss ich lauter reden, weil, die setzen voraus und sagen, okay der ist schwerhörig, der hört mich jetzt nicht, da muss ich lauter reden. Aber schwerhörig heißt nicht, jetzt da/ es geht um das Verstehen, nicht nur um das laut hören, sondern um das Verstehen und das ist das wichtige.
Und bei mir zum Beispiel ist es so, dass die Hörgeräte nach vorne ausgerichtet sind. Die haben Richtmikrofone, das heißt, wenn man mich hinten anspricht, höre ich es nicht. Und da entsteht dann oft auch der Eindruck, dass man sagt, der ist arrogant, der reagiert nicht. Dem ist aber nicht so, ich höre es nicht. Und da reagieren manche Leute so, der ist arrogant und erst wenn ich mich umdrehe und dann Entschuldigung, und dann klärt sich das auf, ändert sich das schlagartig.
Und da geht es darum, dass diese sensibilisieren jetzt schon langsam Fuß fast und man sagt es ist bei uns immer so, bei uns schwerhörigen bei uns sieht man unser Handikap nicht. Es gibt also manche, wie es zum Beispiel bei meiner Laufgruppe ist zum Beispiel, bin ich erkenntlich an der Plakette, die ich bei mir habe, da sieht man, dass ich schwerhörig bin. Dazu muss man auch das Selbstbewusstsein haben, du bist ja kein/ich stehe dazu. Ich mache aus meinem Handikap, mache ich kein Drama. Und es geht eben darum, dass die Leute eben ssich nicht minder finden.
Wir sind genauso vollwertige Menschen in der Gesellschaft, wie die andern. Um das geht es. Und dieses Bewusstsein, dass das jetzt immer mehr weiter fortschreitet, da sehe ich jetzt praktisch schon, das ist der schon/ jetzt fasst das ganze schon Fuß.
Katharina Müllebner: Wie gehen Ihrer Erfahrung nach den betroffenen Personen mit dem Thema Schwerhörigkeit um?
Jörg Fehringer: Das kommt drauf an. Die Leute, die mit dem aufgewachsen sind, kommt drauf an, wie die erstens, sage ich mal, wie stark das Handikap ist und wie die von der Umwelt behandelt werden.
Es gibt ja auch Leute zum Beispiel/ ich habe zum Beispiel das Glück bei mir gehabt, was ziemlich anstrengend war, ich habe eine normale Regelschule besucht. Ich war nicht auf einer Sonderschule sonst was, sondern meine Mutter hat darauf geachtet, dass ich in eine normale Schule gehe.
Weil eben/ weil es zur damaligen Zeit so war, wenn man in eine Sonderschule geht, dann hat man da nicht so gute Berufsaussichten, man wird abgestempelt als Sonderschüler. Du bist dumm, du weißt nichts und so weiter. Und das wollte meine Mutter vermeiden.
Ich kenne Leute, die sind in Sonderschulen gegangen. Die haben natürlich dann nicht die Möglichkeit gehabt, die Qualitäten, was sie haben und die Fähigkeiten, was haben, dass sie die ausleben können.
Und eben, wo es dann auch wichtig ist, dass dann die Inklusion zum Tragen kommt.
Und wenn sagt, okay, die verhalten sich so und so. Weil wenn man auch eine Hörbehinderung hat und man hat ein Handikap, dann entwickeln sich daraus psychisch soziale Folgen. Und da hat jeder, sagen wir so, jeder seine eigene Schicht, so seine eigene Geschichte. Man kann das nicht verallgemeinern, das ist so und so und so. Sondern es kommt darauf an, wie war der Werdegang, wie ist es von den Eltern aufgenommen, das ist auch wichtig.
Katharina Müllebner: Kommen wir jetzt einmal zum Thema Selbsthilfegruppen: Sie sind ja beim VOX aktiv, erzählen Sie uns Näheres über Ihr Engagement.
Jörg Fehringer: Ich habe jetzt einerseits die Selbsthilfegruppe der Männer, was voriges Jahr ins Leben gerufen worden ist. Und habe auch eine Laufgruppe. Und das hat zweierlei Ziele. Wir haben im VOX mehrere Selbsthilfegruppen.
Und die Selbsthilfegruppe Männer ist aus dem Grund auch gegründet worden, wo wir gesagt haben, die Geschlechter reden unterschiedlich. Der Mann ist halt dann technisch orientiert und der redet halt über Sachen oder die Frau sagt, nein, ist nicht so prickelnd für mich, ich rede lieber über etwas anderes. Und eben aus dem Grund ist dann auch die Selbsthilfegruppe Männer ins Leben gerufen worden, deren Leiter ich bin. Und das andere ist die Laufgruppe, was zum Ziel hat, die Leute zum Bewegen zu motivieren.
Ich selber bin selber sportlich aktiv. Ich habe schon einige Marathons hinter mir. Aber die Zielsetzung von dieser Laufgruppe ist nicht das, wie soll ich das sagen, nicht der Leistungssport, sondern es geht um die Motivation, und auch das wichtig ist, und die Unterstützung des Selbstbewusstseins.
Weil, viele Leute haben aufgrund ihrer Geschichte kein Selbstbewusstsein. Die sagen, ich habe ein Handikap, ich bin schwach, ich bin niemand und so weiter.
Und auch wenn einer nicht hören kann, wenn der zum Beispiel sagt, du, ich kann während dem Laufen nicht mit dir reden, ist es kein Problem. Das habe ich auch gesagt, du, dann laufe, du kannst auch ohne Hörgeräte laufen.
Es ist kein Problem, ich bin ein Betroffener. Dann läufst du nur eben mit, nur eben, dass du siehst, du bist in der Gemeinschaft, du bist nicht alleine. Du brauchst dich nicht von der Gesellschaft zurückzuziehen. Sondern gehe raus und stehe dazu, dass ist die Botschaft.
[Überleitungsmusik]Katharina Müllebner: Herr Fehringer und auch unser nächster Gast Frau Elisabeth Randa sind in der Organisation VOX aktiv. Wir möchten hier an dieser Stelle diese Organisation und auch den Schwerhörigenbund einmal kurz einführen, da sie in unseren Interviews erwähnt werden und auch wichtige Anlaufstellen für die Betroffenen sind.
Der Österreichische Schwerhörigenbund Dachverband ist ein unabhängiger Dachverband von und für Schwerhörigenvereine und Organisationen für hörbeeinträchtigte Menschen in Österreich.
Er vertritt und unterstützt alle Menschen rund um das Thema “Hören” und “lautsprachliche Kommunikation”. Die Organisation VOX – Schwerhörigenzentrum Wien ist einer der Mitgliedervereine des Schwerhörigenbundes, sie unterstützt mit Beratung zum Thema Hörhilfen, bietet aber auch generelle Beratung zum Thema Schwerhörigkeit durch andere Betroffene an.
[Überleitungsmusik]Katharina Müllebner: Jetzt sprechen wir mit Frau Elisabeth Randa, durch ihre Cochlea-Implantate führt sie, wie sie sagt, ein barrierefreies Leben. Sie leitet das sogenannte offene Forum, das ist eine Selbsthilfegruppe des VOX Schwerhörigenzentrum Wien.
Was sind die Aufgaben dieses offenen Forums?
Elisabeth Randa: Ich führe das offene Forum. Das ist eine Möglichkeit, vom man sich also einmal im Monat trifft im VOX Zentrum in der Sperrgasse, und da kann man sich austauschen. Da kommen aber alle Schwerhörigen hin.
Also nicht nur CI, also Cochlea Implantat Menschen, sondern eben auch Menschen mit Hörgeräten oder welche, die also gar nicht hören, sondern nur Gebärdensprache.
Katharina Müllebner: Warum glauben Sie denn sind Selbsthilfegruppen wichtig?
Elisabeth Randa: Sie sind deshalb wichtig, denn jemand, der das selber schon durchgemacht hat, kann es dem anderen ja wesentlich besser erklären, was auf ihn zukommt, als jemand, der das vielleicht nur betreut oder, sagen wir mal, operiert. Auch der weiß nicht, wie ich empfinde.
Also dass er sagt, bei mir war das so und so, das und das kommt auf dich zu. Erfahrungswerte austauschen. Und ich finde, das ist sogar sehr gut, denn niemand anderer kann es mir so erklären, wie der, der es hat.
Katharina Müllebner: Was glauben Sie: Ist Schwerhörigkeit ein Thema, über das man mittlerweile öffentlich gut reden kann, oder wird es noch immer tabuisiert?
Elisabeth Randa: Wenn Sie die Fernsehwerbung hernehmen, Hartlauer wirbt fast täglich mit Hörgeräten. Also, ich glaube, das Thema Hörgerät oder Schwerhörigkeit ist sicher schon sehr bei den Menschen angekommen. Das glaube ich schon.
Über die Cochlea Implantate sind die Menschen noch nicht so sehr informiert, aber es wird besser. Es wird besser, also wird auch schon manchmal drüber gesprochen im öffentlichen Rahmen. Und, ja, die Infos werden sicher immer besser werden, aber ich glaube, es ist schon angekommen.
Katharina Müllebner: Welche Forderungen hätten Sie denn, damit das Thema Barrierefreiheit für schwerhörige Personen besser umgesetzt werden kann?
Elisabeth Randa: Dass vielleicht im öffentlichen Raum diesbezüglich mehr Bedacht genommen wird. Das fängt an bei vielen Ärzten, das mit Quiek-Quiek-Stimme die Menschen aufgerufen werden, die also das dann nicht hören oder verstehen.
Dass in den Bahnhöfen auch diese Lautsprecheranlage alle so sind, dass man es kaum versteht. Also da hätte ich schon ein paar Wünsche an wen auch immer. Also, da gibt es schon allerlei zu machen.
Und dass Induktionsanlagen, wenn sie vorhanden sind, auch eingeschaltet werden, denn das habe ich mir sagen lassen, das passiert leider Gottes sehr viel, dass es wohl Induktionsanlagen gibt, aber niemand sich findet, der auf den Knopf drückt. Und damit wäre es natürlich für viele leichter.
Aber wir haben ja auch noch eine riesige Menge an Menschen, die nur so einfach schwerhörig sind und vielleicht nur ein ganz kleines Hörgerät tragen, wo es keine Induktionsmöglichkeit gibt. Und die verstehen dann überhaupt nichts, weil eben keine Induktion möglich ist. Und daher wäre da schon allerlei zu tun im öffentlichen Raum.
[Überleitungsmusik]Cochlea-Implantat: Frau Elisabeth Randa und unser nächster Gast Chiara Scherf tragen ein sogenanntes Cochlea-Implantat.
Ein Cochlea-Implantat ist ein Gerät, das die Funktion der beschädigten Teile des Innenohrs, der sogenanntenCochlea, übernimmt, um Audiosignale an das Gehirn zu übertragen.
Über die sogenannte Sendespule werden die Signale an das unter der Haut liegende Implantat übertragen. Das Implantat wandelt die Signale um und leitet sie an die Hörnerven im Innenohr weiter und im Gehirn entsteht ein Höreindruck.
[Überleitungsmusik]Katharina Müllebner: Chiara Scherf studiert Publizistik und Politikwissenschaft in Wien. Sie trägt ein sogenanntes Cochlea Implantat. Warum sie sich trotzdem als taub bezeichnet und wie es sich anfühlt dank des Cochlea Implantates zwischen gehörlosem und hörendem Zustand hin und herwechseln zu können, das erzählt sie uns jetzt.
In einem Artikel, den Sie geschrieben haben, bezeichnen Sie sich als hörende Gehörlose. Was kann man sich darunter vorstellen?
Chiara Scherf: Weil ich taub geboren bin, und mit Hilfe des Cochlea Implantats kann ich quasi hören aber es quasi ein künstliches Gehör. Wenn ich sie rausgebe dann hör ich gar nix.
Eigentlich bin ich gehörlos, weil ich eben taub bin, aber dadurch, dass ich die Cochlea Implantate habe, kann ich hören quasi, ich bin aber trotzdem gehörlos und nicht nur hörend quasi. Also, ich bin irgendwie beides, aber eher schon gehörlos eigentlich.
Katharina Müllebner: Und wie lange haben Sie das Cochlea Implantat schon?
Chiara Scherf: Ich habe die Cochlea Implantate eigentlich schon, seit ich ein kleines Kind bin. Also das Erste habe ich mit eineinhalb Jahren bekommen und das Zweite mit, ich glaube, drei Jahren oder so. Also ich bin quasi damit aufgewachsen und kenne es gar nicht anders.
Katharina Müllebner: Schalten Sie das Cochlea Implantat manchmal auch absichtlich aus und wenn Ja warum?
Chiara Scherf: Wenn ich lerne zum Beispiel, in der Bibliothek oder so, wenn viele Leute husten oder, keine Ahnung, irgendwelche lauten Geräusche machen, dann schalte ich es einfach aus, und dann kann ich in Ruhe lernen. Man hört dann irgendwie die eigenen Gedanken viel lauter, und man konzentriert sich eigentlich dann nicht so auf Hintergrundgeräusche oder so.
Also man hat viel weniger Ablenkung, und das hilft dann einfach, dass man sicher besser konzentrieren kann. Oder sonst wenn ich einmal Ruhe brauche aber eigentlich eher selten.
Katharina Müllebner: Kommen wir jetzt zum Thema Barrieren, wie wirkt sich denn Ihre Hörbehinderung im Alltag aus?
Chiara Scherf: Ganz unterschiedlich. Also, wenn irgendwelche großen Gruppen oder so sind, wo viele Leute auf einmal reden, dann verstehe ich die meistens nicht mehr.
Oder wenn es irgendwo generell ganz laut ist oder so in der U-Bahn, wird es öfter schwierig, mich zu verständigen mit anderen Leuten. Oder letztens habe ich zum Beispiel auch telefoniert in der U-Bahn, hat mich wer angerufen, und ich habe immer so Kopfhörer, weil da höre ich es viel lauter, und ich habe die Person aber trotzdem fast nicht verstanden. Aber es ist dann irgendwie gegangen, aber das sind halt so Barrieren.
Oder dass man halt Leute nicht gleich auf den ersten Anhieb versteht, und dass man halt öfter nachfragen muss, oder beim Fortgehen, zum Beispiel, verstehe ich andere Leute sehr, sehr schlecht. Also, da meistens mache ich mir die Notizen immer, wenn er was sagt, mit den Notizen, schreibt dann jemand so etwas rein beim Handy, und so verständige ich mit denen meistens. Also, wo es sehr laut ist im Hintergrund. Es filtert irgendwie nicht so gut, das Cochlea Implantat.
Und dann sind alle Geräusche irgendwie gleich laut, und es gibt keine Filterung, und du verstehst dann einfach nichts mehr.
Katharina Müllebner: Sie haben in ihrem Artikel auch mal in einem Nebensatz auch über das Thema Zwangsimplantationen geschrieben, wie ist Ihre Meinung dazu?
Chiara Scherf: Ja, es gibt ja in dieser Community quasi, ist ja für die Diskussionen, soll man jetzt Leute, die gar nichts hören, also die taub sind, implantieren, weil, damit sie quasi ein besseres Leben haben, aber da kommt dann das Argument, dass quasi taub sein an sich ja nichts Schlechtes ist und dass man so auch ein ganz normales Leben führen kann.
Und ich verstehe die Seite sehr gut eigentlich, und ich muss mich mit dem Thema noch sehr intensiv auseinandersetzen, damit ich da wirklich ein klares Statement dazu abgeben kann. Aber ich kann es voll verstehen, wenn Leute dagegen sind, sich implantieren zu lassen. Also, das kann ich voll nachvollziehen.
Katharina Müllebner: Das war unser kleiner Einblick in das Thema Schwerhörigkeit.
Wenn Sie sich ausführlich über das Thema informieren möchten, haben wir auf unserer Internetseite www.barrierefrei-aufgerollt.at einige informative Links für Sie.
In dieser Sendung ging es um das Thema Schwerhörigkeit. Wenn Sie sich für das Thema Gehörlosigkeit interessieren, auch darüber hatten wir schon eine Sendung auf barrierefrei aufgerollt.
Unsere 7. Sendung hatte den Titel: “Gebärdensprachen -Sprachkultur und Inklusion” und ist auf unserer Internetseite zum Nachhören verfügbar.
Wir freuen uns schon, wenn Sie das nächste Mal bei uns reinhören!
Es verabschiedet sich ihr Redaktionsteam: Katharina Müllebner, Markus Ladstätter und Lena Linecker.
[Musik mit Text: barrierefrei aufgerollt – kurz, kompakt und leicht verständlich]
Liebes Team,
es gibt auch Selbsthilfegruppen und Schwerhörigenvereine, die nicht auf der Seite des ÖSB gelistet sind.
Beispiel:
http://www.v-ohr-laut.at
www. jungestimme.at
http://www.oessh.or.at
und weitere.
Bitte dies auch zu verbreiten.
Hallo Bizeps-Team,
Habe mir jetzt den Beitrag über Schwerhörigkeit sehr aufmerksam durchgelesen. Ich finde ihn sehr gut.
Beide Betroffenen sprechen gut über ihr Handicap mit ihren Erfahrungen damit. Kein Gut- aber auch kein Schlechtreden.
Auch die Moderatorin (Katharina Müllebner) ist sehr gut auf die Themen eingegangen. Ist leider nicht immer so, kenne auch andere Beispiele. Gratuliere Euch dazu.
Eine Frage:
Darf ich den Text und das Video auf unserer Website und unseren anderen Infokanälen unseres Vereins veröffentlichen? (Mail, Whatsappgruppe und Facebookseite)
Hallo Bernold!
Tut mir leid, dass wir deine Kommentare übersehen haben. Danke für das Lob!
Gerne darfst du es veröffentlichen! Gib aber bitte an woher du es hast.
Vielen Dank!
Urheberangabe ist eh klar. 🙂
Nachsatz – bzw. Korrektur: Natürlich alle 3 Personen, nicht zwei 🙂