In dieser Sendung sprechen wir über das Thema unterstützte Kommunikation. Du wirst erfahren, wie unterstützte Kommunikation Menschen bei der Verständigung mit ihrer Umwelt hilft um an der Gesellschaft teilzuhaben.
Die Radiosendung zum Nachhören
Hier kannst Du die ganze Sendung anhören:
Hier findest Du die Sendung zum Nachlesen.
Unsere Gäste
- Natascha Toman, studiert Bildungswissenschaft und arbeitet in der Kommunikations- und Werbeabteilung einer großen Firma. Sie spricht mit Unterstützung eines Sprachcomputers.
- Luitgard Wieser, ist bei Jugend am Werk Steiermark verantwortlich für die Qualität und inhaltliche Weiterentwicklung der Unterstützten Kommunikation.
Informative Links zum Thema
- Unterstützte Kommunikation bei Jugend am Werk Steiermark
- LIFEtool: Unternehmen, das zum Thema assistierende Technologien und Unterstützte Kommunikation berät
- Beiträge über Natascha Toman bei Mensch TV
Die Sendung im Radio hören
Wien: Auf Radio ORANGE 94.0 am 1. September 2019 um 10:30 Uhr. Die Sendung kann auch auf o94.at live gehört werden.
St. Pölten: Im campus & city radio am 12. September 2019 um 17:00 Uhr. Die Sendung kann auch auf cr944.at live gehört werden.
Graz: Im Radio Helsinki am 27. September 2019 um 16:30 Uhr. Die Sendung kann auch auf helsinki.at live gehört werden.
Salzburg: Auf radiofabrik am 9. September 2019 um 18:00 Uhr. Die Sendung kann auch auf radiofabrik.at live gehört werden.
Hier finden Sie alle unsere Sendetermine in den verschiedenen Radiosendern.
Die Sendung zum Nachlesen
Katharina Müllebner: Herzlich Willkommen zu unserer heutigen Sendung von barrierefrei aufgerollt von BIZEPS – Zentrum für Selbstbestimmtes Leben. Am Mikrofon begrüßt Sie Katharina Müllebner.
Zu kommunizieren und zu sprechen ist ein Grundbedürfnis eines jeden Menschen und auch eine Notwendigkeit. Stellen Sie sich einmal vor, Sie kommen in ein neues Umfeld, sei das jetzt eine Party, eine Schule oder Ihre neue Arbeitsstelle. Das erste, was Sie vermutlich tun würden, ist mit anderen Menschen ein Gespräch anzufangen und sich vielleicht vorzustellen.
Doch es gibt Menschen, die aufgrund einer Behinderung Barrieren in der sprachlichen Kommunikation und in der Verständigung mit ihrer Umwelt erfahren. In vergangenen Sendungen haben wir zum Beispiel über die Themen Gebärdensprache oder leichte Sprache gesprochen. Heute widmen wir uns dem Thema unterstützte Kommunikation. Was ist das? Wie funktioniert sie? Und wie hilft sie Menschen dabei, in der Gesellschaft teilzuhaben?
Unterstützte Kommunikation, so das Thema der heutigen Sendung
[Überleitungsmusik]Katharina Müllebner: Die 27-jährige Natascha Toman studiert Bildungswissenschaft und arbeitet in der Kommunikations- und Werbeabteilung einer großen Firma. Sie spricht mit Unterstützung eines Sprachcomputers, der an ihren Rollstuhl montiert ist. Dieser hat eine Tastatur und einen kleinen Bildschirm und verfügt über eine Sprachausgabe, die das, was Frau Toman in den Computer eingibt, laut vorlesen kann.
Etwas in den Computer einzugeben, das hat manchmal etwas länger gedauert. Die längeren Pausen, die dadurch entstanden sind, haben wir aber aufgrund der Gesamtlänge der Sendung gekürzt.
Katharina Müllebner: Frau Toman, in unserer Sendung geht es ja um das Thema Unterstützte Kommunikation, bitte erklären Sie unseren Zuhörerinnen und Zuhörern, wie Sie sprechen?
Natascha Toman: Ich habe am Rolli einen Talker montiert, mit dem ich Sätze eingeben kann und dann mit Hilfe einer Sprachausgabe sprechen lassen kann.
Katharina Müllebner: Jetzt gibt es ja verschiedene Arten der Unterstützten Kommunikation, Sie sprechen jetzt mithilfe dieses Sprachcomputers, warum haben Sie sich für diese Methode entschieden?
Natascha Toman: Das funktioniert für mich immer noch am besten und ich bin am flexibelsten.
Katharina Müllebner: Wir hören Sie sprechen mit einer männlichen Computerstimme, haben Sie auch andere Stimmen und warum sprechen Sie mit dieser männlichen Stimme?
Natascha Toman: Das ist die etwas angenehmere Stimme der beiden.
Katharina Müllebner: Um noch einmal zur vorherigen Frage ein bisschen zurück zu kommen, warum nutzen Sie einen Sprachcomputer?
Natascha Toman: Für mich wären Sprachpcs, die nur Symbole verwenden, einfach zu eingeschränkt im Wortschatz. Ich liebe es Sätze einfach auszuschmücken und dann nehme ich den etwas längeren Zeitaufwand gerne in Kauf.
Katharina Müllebner: Wie haben Sie sich verständigt bevor Sie dieses Hilfsmittel hatten?
Natascha Toman: Mit Händen und Füßen bzw. hatte ich mit meiner Lehrerin und meinen Eltern eine eigene Gebärdensprache.
Katharina Müllebner: Seit wann nutzen Sie denn diesen Sprachcomputer?
Natascha Toman: Ich glaube mit 15 als ich in die erste Klasse der Handelsschule gekommen bin.
Katharina Müllebner: Wie ist es für Sie mit einer Computerstimme zu sprechen?
Natascha Toman: Furchtbar, ich lasse den Computer sehr selten sprechen, ich lasse mein Gegenüber lieber selbst ablesen. Da ich die Stimme schrecklich finde.
Katharina Müllebner: Wie kann man sich jetzt den Alltag vorstellen?
Natascha Toman: Eigentlich recht normal wobei ich das Wort normal nicht besonders mag, wenn mich jemand nicht versteht, schreibe ich es einfach auf. Wobei das voraussetzt, dass die Leute wissen müssen, dass ich gerade mit ihnen kommuniziere und das Verständnis ist leider oft nicht gegeben.
Katharina Müllebner: Und wie machen Sie die Leute darauf aufmerksam, dass Sie mit Ihnen ins Gespräch kommen wollen?
Natascha Toman: Entweder winke ich dem Gegenüber zu oder ich bitte meine Assistenten darauf aufmerksam zu machen.
Katharina Müllebner: Sie haben Ihre Assistenz erwähnt, brauchen Sie eigentlich noch Unterstützung von Personen, um zu sprechen?
Natascha Toman: Meine Assistenten verstehen mich ohne Sprachcomputer, also wenn es einmal schnell gehen soll, bitte ich sie mich zu übersetzen, aber eigentlich benötige ich keine Unterstützung beim Sprechen.
Katharina Müllebner: Wie reagiert eigentlich das Umfeld auf Ihre Art zu sprechen?
Natascha Toman: Ich wurde einmal auf der Straße gefragt, ob der Sprachcomputer ein Staubsauger wäre. Also es entstehen sehr skurrile Geschichten aber wenn das mal geklärt ist, klappt die Kommunikation problemlos. Man braucht halt Geduld.
Katharina Müllebner: Bitte erzählen Sie uns, wie hat denn der Sprachcomputer Ihren Alltag verbessert?
Natascha Toman: Ich bin sehr viel selbstständiger und unabhängiger geworden. Ich kann dadurch studieren und arbeiten gehen und mein Leben so ausleben wie ich es gerne möchte.
Katharina Müllebner: Hätten Sie noch eine Schlussbotschaft für unsere Zuhörerinnen und Zuhörer?
Natascha Toman: Dass ich mir wünsche, dass unterstützte Kommunikation alltäglicher wird und die Aufklärungsarbeit in diesem Bereich zunimmt.
[Überleitungsmusik]Katharina Müllebner: Luitgard Wieser ist Mitarbeiterin bei Jugend am Werk Steiermark. Seit 2015 ist sie ausgebildete Kommunikationspädagogin. Sie ist für die Qualität und die inhaltliche Weiterentwicklung der Unterstützten Kommunikation verantwortlich.
Katharina Müllebner: Frau Wieser, bitte erzählen Sie uns einmal, was ist Unterstützte Kommunikation? Was kann man sich darunter vorstellen?
Luitgard Wieser: Also Unterstützte Kommunikation ist eine Kommunikationsform, die einfach ergänzend ist zur Lautsprache oder die Lautsprache ersetzt. Also sie ist vor allem für Personen, die entweder noch nicht Lautsprache sprechen, nicht mehr oder aus verschiedenen Gründen überhaupt keinen Lautspracherwerb haben können.
Katharina Müllebner: Und wie genau kann man sich unterstützte Kommunikation vorstellen?
Luitgard Wieser: Also wir haben verschiedene Kommunikationsmittel. Da haben wir zuerst die körpereigenen, das sind die Gebärden, die etwas Eigenes sind, weil die Gebärdensprache ja als Minderheitensprache anerkannt ist. Wir haben die Mimik, wir haben all das, was wir auch einsetzen. Gesten, Blicke, Körperspannung oder Atmung, wenn die Kommunikation sehr basal ist.
Dann haben wir als zweite Kategorie die nicht elektronischen Hilfsmittel, das sind zum Beispiel Symbole, Gegenstände, die auch teilweise von uns eingesetzt werden, wie zum Beispiel die Symbole im Straßenverkehr, das kennt jeder, Bilder oder Piktogramme. Auch die Schrift ist so ein nicht elektronisches Hilfsmittel.
Und dann gibt es die elektronischen Hilfsmittel, das fangt an bei ganz einfachen mit Tastern, wo man draufdrückt, wo dann das Gerät etwas spricht. Oder Talkern die schon etwas komplexer sind oder die noch komplexeren Sprachausgabegeräte, jetzt häufig wird das iPad benutzt oder große Sprachausgabecomputer.
Katharina Müllebner: Sie haben jetzt öfter den Begriff basal erwähnt, würden Sie bitte erklären was das ist?
Luitgard Wieser: Also die Lautsprache ist eine sehr hohe Form der Kommunikation. Wobei ja auch bei uns ein ganz hoher Prozentsatz nonverbal abläuft. Und basale Kommunikation ist – kann man sich so ein bisschen vorstellen wie zum Beispiel ein Baby, das spricht noch nicht Lautsprache, aber natürlich kommuniziert es. Es schaut einen an, es lächelt, es reagiert auf einen. Und Kommunikation ist ja immer etwas Beidseitiges, etwas, eine Kommunikation ist Beziehung.
Das heißt da findet etwas zwischen zwei Menschen statt. Deswegen ist ja auch, wenn, wenn eine Person ein Kommunikationsproblem hat, weil die Lautsprache sich zum Beispiel nicht altersgemäß entwickelt, ist das immer auch ein Beziehungsproblem, also ein Problem zwischen den Menschen.
Deswegen ist auch Unterstützte Kommunikation etwas, was nicht nur den Menschen hilft, die sich nicht so gut lautsprachlich ausdrücken können, sondern auch den Menschen, die mit diesen Leuten zu tun haben, auch in Familien, in, in, in der Arbeit, im Behindertenbereich ist es ganz wichtig, dass man Unterstützte Kommunikation einsetzt, damit man einfach besser in Beziehung treten kann.
Katharina Müllebner: Was ist eigentlich so das Verhältnis zwischen Unterstützter Kommunikation und Lautsprache?
Luitgard Wieser: Unterstützte Kommunikation wird großteils lautsprachergänzend eingesetzt. Es kann aber auch, wenn zum Beispiel ein Mensch zum Beispiel wegen einer Zerebralparese einer sehr intensiven, die Mundmotorik nicht so nutzen kann, kann es auch sprachersetzend verwendet werden.
Zunehmend wird es jetzt auch im Demenzbereich eingesetzt, also wenn Sprache verloren geht auf Grund von Demenz oder auch natürlich von Hirnverletzungen. Und früher gab es die These, dass unterstützte Kommunikation den Lautspracherwerb behindern würde. Heute weiß man allerdings, dass das Allerwichtigste für Kommunikation ist, dass positive Kommunikationserlebnisse stattfinden.
Das heißt, wenn ein Mensch, der aus irgendeinem Grund nicht normal den Lautspracherwerb durchlaufen kann, zu wenig Ansprache hat, also ein normal entwickeltes Baby, das nennt man so das Sprachbad, mit dem spricht jeder im ersten Lebensjahr. Jeder spricht und redet auf dieses Baby ein und sagt die sinnlosesten Sachen und stellt sinnlose Fragen, obwohl man weiß, dass das Baby das nicht beantworten kann. Aber da lernt das Baby. Da lernt es zu kommunizieren, speichert den Sinn der Wörter ab und all diese Dinge.
Und das begünstigt die Lust auf Kommunikation. Und das ist also zum Beispiel in meinem Bereich, wenn man mit erwachsenen Menschen arbeitet, die zum Beispiel 30 Jahre nie lautsprachlich kommuniziert haben, ist das ganz schwierig, ihnen diese Lust an der Kommunikation überhaupt wieder zu wecken. Das ist immer die erste Aufgabe, dem anderen wieder Freude daran zu machen. Also Freude zu vermitteln, dass es Spaß machen kann, wenn man sich mitteilen kann.
Katharina Müllebner: Weil Sie vorhin das Alter erwähnt haben, ab wann sollte man denn mit dem Einsatz der Unterstützten Kommunikation beginnen?
Luitgard Wieser: Also Unterstützte Kommunikation – eine Grundregel ist: so früh wie möglich. Also wenn man merkt, dass die, die Sprachentwicklung irgendwie verzögert ist, kann oft auch die Unterstützte Kommunikation eben im Spracherwerb begünstigend eingesetzt werden.
Das heißt zum Beispiel ablaufen tut das so, dass wenn ich zum Beispiel zu einem Kind komme, das zwei Jahre alt ist und noch gar nicht spricht, dann fange ich mit ganzen einfachen Dingen an und ich arbeite multimodal, das heißt ich biete visuelle Reize, also etwas zum Anschauen, wie Symbole oder Gebärden, ich spreche natürlich langsam und deutlich und sehr, sehr akzentuiert, also betont, und wiederhole das auch ganz oft.
Ein, eine Grundvoraussetzung in der Unterstützten Kommunikation ist auch so die Haltung dem Gegenüber, dem Kommunikationspartner gegenüber, das heißt jeder Mensch hat etwas zu sagen, jeder Mensch hat das Bedürfnis zu kommunizieren. Und oft braucht es da einfach ganz viel Zeit.
Also am Beginn der Unterstützten Kommunikation ist vor allem dieses dem Gegenüber die Zeit lassen zu reagieren. Da stelle ich eine Frage, und dann warte ich und dann ist diese gespannte Aufmerksamkeit, dieses Zutrauen, dieses Wissen, ja, der Mensch möchte mit mir sprechen. Und gleich kommt etwas.
Und dann muss ich das natürlich interpretieren, was immer da kommt. Kommunikation, also auch Spracherwerb ist immer Interpretation. Ein Baby beginnt nicht einfach Wörter zu sagen, es sagt zum Beispiel mamamam und dann sagt man, oh, du hast Mama gesagt. Das Baby weiß vielleicht noch gar nicht, was Mama ist. Sicher weiß es das noch nicht. Aber so lernt das Baby und so lernen wir Sprache allgemein. Also dieses Interpretieren ist ein wichtiger Teil davon.
Katharina Müllebner: Warum ist Unterstützte Kommunikation eigentlich so wichtig?
Luitgard Wieser: Unterstützte Kommunikation – also prinzipiell ist Kommunikation ein Grundbedürfnis. Es ist ja auch in der Behindertenrechtskonvention der UN-Konvention, die in Österreich ratifiziert worden ist, als Grundbedürfnis anerkannt und als Recht, als Grundrecht auf Kommunikation. Und Kommunikation ist einfach eine Grundvoraussetzung, damit ein Mensch an der Gesellschaft teilhaben kann oder auch teilgeben kann. Ohne Kommunikation ist es einfach ganz schwierig in Beziehung zu treten. Also Kommunikation ist Beziehung.
Menschen, die nicht kommunizieren können, also nicht lautsprachlich kommunizieren können, werden sehr, sehr oft unterschätzt. Das heißt, sie können nicht so gut zeigen, was in ihnen steckt. Können auch oft sich nicht so gut entwickeln, weil sie einfach weniger passende Angebote erhalten. Das heißt, Unterstützte Kommunikation befähigt sie einfach auch, sich besser zu zeigen mit ihren Fähigkeiten und ihren Qualitäten und sich besser einbringen zu können und stärkt damit natürlich auch dann das Selbstbewusstsein und einfach die Möglichkeit, soziale Kontakte zu pflegen.
Katharina Müllebner: Man kennt ja auch den Begriff der Gestützten Kommunikation. Was unterscheidet das von Unterstützter Kommunikation?
Luitgard Wieser: Gestützte Kommunikation ist eine, eine Technik einfach der Unterstützten Kommunikation, die vor allem in den Anfängen sehr viel verwendet wurde. Es gibt dazu sehr viele Untersuchungen, die aber eher darauf hinweisen, dass Gestützte Kommunikation keine echte Kommunikationsform ist, weil einfach fraglich ist, ob die Person wirklich selbst kommuniziert. Also ich persönlich verwende Gestützte Kommunikation nicht.
Katharina Müllebner: Können Sie nochmal ausführen was genau Gestützte Kommunikation ist?
Luitgard Wieser: Es ist eine Methode, wo der, der nicht lautsprachlich sprechende Mensch neben einem, dem Stützer eben sitzt und der hält ihm die Hand und gibt damit – also von der Theorie her, wenn ich es richtig verstanden habe, einen körperlichen Impuls, was dem anderen ermöglicht, dann auf Symbole zu zeigen oder sogar auf Tasten zu tippen.
Es gibt aber Untersuchungen, dass zum Beispiel dem, dem gestützt Kommunizierenden und dem Stützer zwei verschiedene Bilder gezeigt wurden, die wussten das aber nicht, der eine hat zum Beispiel einen Apfel gesehen und der andere eine Banane, und auf die Frage, was siehst du, hat er aber nicht Apfel geschrieben, sondern Banane, was der Stützer gesehen hat, also was darauf hinweist, dass der, der Impuls nicht wirklich vom gestützt Sprechenden kommt.
Katharina Müllebner: Es gibt ja verschiedene Methoden der Unterstützten Kommunikation, wie genau wird jetzt entschieden, welche Methode für jemanden die richtige ist?
Luitgard Wieser: Also zu Beginn bieten wir multimodal an, das heißt also auf verschiedenen Ebenen verschiedene Arten der Kommunikation. Und das Kommunikationsmittel sucht eigentlich immer der unterstützt Kommunizierende aus.
Das heißt, wenn jemand gerne mit den, mit den Augen kommunizieren möchte, kann er mit den Augen kommunizieren. Zum Beispiel bei einem Sprachausgabegerät mit einer Augensteuerung. Wenn er mit Gebärden kommunizieren will, dann kriegt er dieses Angebot.
Also am Anfang ist es ganz breit und dann sieht man einfach, auf welchem Kanal dieser Mensch die, die besten Fähigkeiten hat und wo er sich gut ausdrücken kann. Das heißt, jede Kommunikationsform wird eigentlich ganz individuell entwickelt.
Es ist immer ganz abgestimmt auf diese Person und natürlich versucht man dann hinzuführen zu einer möglichst breit verständlichen Kommunikationsform. Weil das ist ja immer der Sinn von Kommunikation, dass jemand selbstbestimmt durchs Leben gehen kann und auch selbst in Austausch treten kann.
Eingeschränkte Kommunikationsfähigkeit heißt ja auch immer, den Verlauf eines Gespräches nicht beeinflussen können, also einfach irgendwie immer vorgegeben kriegen, worüber gesprochen wird. Und das ist oft – da gibt es ganz ganz berührende Erlebnisse in der Unterstützten Kommunikation, wo Menschen, wenn sie dann ein Ausdrucksmittel bekommen, plötzlich Fragen stellen oder Gedanken äußern, die ihnen nie jemand zugetraut hätte.
Katharina Müllebner: Muss man eigentlich üben, wenn man mit einer bestimmten Methode der Unterstützten Kommunikation anfängt oder wie genau entwickelt sich das?
Luitgard Wieser: Also man darf nicht glauben, dass man jetzt einem Kind oder einem Menschen ein Sprachausgabegerät gibt und der kann sofort damit kommunizieren. Jede Sprache muss geübt werden. Jedes Kind, das Sprache, Muttersprache erwirbt, übt jahrelang.
Auch wir entwickeln unsere Sprachfähigkeit ständig weiter. Natürlich muss auch in der Unterstützten Kommunikation dieses Mittel dann sehr viel geübt werden. Wir nennen das Modelling. Das heißt, Kinder lernen am Modell.
Und auch in der Unterstützten Kommunikation lernen wir am Modell. Das heißt ich nutze das Kommunikationsmittel, zeige auf der Symboltafel, arbeite mit dem Sprachausgabegerät oder Gebärde, wobei ich gestehen muss, ich kann nur sehr basal Gebärden, circa. 30 Wörter, mehr kann ich nicht. Aber das ist – als Einstieg reicht es. Und dann muss sowieso jemand begleiten, der zum Beispiel wirklich, wirklich fließend Gebärdensprache spricht.
Aber da wird ganz viel gemodelt und ganz viel vorgemacht und auch einfach, um der Person dann einen, einen Input zu geben, der in seiner Sprache ist, in seinem Sprachmittel. Wir unterscheiden auch so zwischen UK-Erwerb, also Erwerb der unterstützten Kommunikationsformen, und der wirklichen Anwendung. Die Anwendung, das ist ganz wichtig, betrifft das gesamte Umfeld. Das ist ganz wichtig, wenn zum Beispiel ein Kind beginnt zu Gebärden, dass alle im Umfeld gebärden, damit das Kind einfach auch merkt, das ist ein ganz normales Kommunikationsmittel, das wirklich im Alltag eingesetzt werden kann.
Also auch diese – in Alltagshandlungen die Kommunikation einzubauen ist ein Grundprinzip der Unterstützten Kommunikation. Wir setzen uns nicht hin und üben, dass ich sage, zeige mir das und zeige mir das, sondern ich spiele mit dem Kind und dabei kommunizieren wir. So wie Kommunikation eben einfach nebenbei abläuft. Oder wir, wir machen die normale Tagesroutine. Wir decken den Tisch miteinander und dabei kommunizieren wir mit diesen Mitteln, das wird also wirklich in den Alltag eingebaut.
Katharina Müllebner: Jetzt ist ja die technische Entwicklung schon relativ weit fortgeschritten, wie genau beeinflusst dieser Sachverhalt die Unterstützte Kommunikation?
Luitgard Wieser: Für die unterstützt kommunizierenden Personen ist es eine ganz tolle Erweiterung wie sie besser in Kontakt treten können.
Da haben wir natürlich die Sprachausgabegeräte, die einfach hoch komplex sind teilweise, aber auch einfachere, wo wirklich die Sprache ersetzt wird und die einfach in der Anwendung sehr benutzerfreundlich sind, weil sie einfach auch für uns lautsprachlich Kommunizierende leicht zu verwenden sind.
Sehr beliebt ist auch das I-Pad, weil das allein schon als Gerät sehr attraktiv ist und alltäglich ist und einfach positiv belegt ist. Also jemand, der mit einem I-Pad herumläuft ist irgendwie cool. Speziell im Jugendbereich ist das sehr wichtig und was zum Beispiel auch eine große Bereicherung ist, sind die modernen Medien wie zum Beispiel WhatsApp, dass man schriftlich kommunizieren kann.
Weil wenn jemand einen guten Spracherwerb hat aber keine Lautsprache ist natürlich Schriftsprache eine super Möglichkeit und ich habe auch KundInnen, die das sehr gut nutzen, die zum Beispiel dann auch sehr viel mit Fotos arbeiten. Das heißt, da ist diese Kombination aus visuell ein Foto machen und dann vielleicht noch ein paar Wörter dazuschreiben und mit dieser Worterkennungsfunktion kann man da oft, wenn man nur ein paar Buchstaben eintippt schon das richtige Wort finden. Das ist für viele wirklich eine sehr gute Möglichkeit in Kommunikation zu treten.
Katharina Müllebner: Kann man irgendwie sagen wie viele Menschen in Österreich Unterstützte Kommunikation nutzen oder brauchen?
Luitgard Wieser: Es gibt eine Untersuchung der Diakonie, dass 65.000 Menschen in ihrer Kommunikationsfähigkeit beeinträchtigt sind. Ich kann es jetzt nur vom Behindertenbereich sagen. Bei Jugend am Werk Steiermark haben wir eine Quote von circa einem Viertel, also 25 Prozent der Menschen, die wir begleiten, die UK-Bedarf haben.
Katharina Müllebner: Jetzt kommen wir auf das Thema Jugend am Werk Steiermark zu sprechen, Ihre Arbeitsstelle. Warum beschäftigt man sich dort mit Unterstützter Kommunikation?
Luitgard Wieser: Also Jugend am Werk verfolgt klar das Ziel, die Gesellschaft inklusiver zu machen. Und dazu gehört einfach auch das Bekenntnis zur UN-Konvention. Und der Einsatz von Unterstützter Kommunikation ist einfach die Basis, damit Menschen gut teilhaben können, damit sie selbstbestimmt leben können.
Katharina Müllebner: Ich habe auf der Internetseite von Jugend am Werk Steiermark gelesen, dass sie sogenannte Unterstützte Kommunikationsbeauftragte haben. Was genau ist das? Was macht so jemand?
Luitgard Wieser: Ich bin zum Beispiel Beauftragte für Unterstützte Kommunikation. Wir haben verschiedene Standorte in der ganzen Steiermark, teilweise auch im Burgenland und Salzburg. Und in der Steiermark haben wir an jedem Standort eine Beauftragte oder einen Beauftragten für Unterstützte Kommunikation, der zuständig ist dafür, vor allem einmal auch festzustellen, wer braucht Unterstützte Kommunikation oder das anzuregen und dann auch gut anzubahnen. Also eben diese Auswahl des Mittels, dieses erste Herausfinden, was, was kann das richtige Kommunikationsmittel sein. Und dann natürlich auch die Schulung des Umfeldes, damit das Mittel gut genutzt wird.
Katharina Müllebner: Und wo finden Sie die Menschen, die Unterstützte Kommunikation benötigen könnten?
Luitgard Wieser: Bei uns, bei Jugend am Werk Steiermark ist das natürlich in den Einrichtungen. Wir arbeiten ja ganz viel auch im Behindertenbereich. Und da fällt einem das einfach auch im Alltag auf, dass es irgendwo Kommunikationsprobleme gibt. Was vielleicht noch wichtig ist, ist auch zu sagen, dass Menschen, die sehr eingeschränkt sind in ihren Kommunikationsmöglichkeiten, dass diese Einschränkung der Qualität der Kommunikation noch oft dazu führt, dass nicht so angenehme Mittel eingesetzt werden, also zum Beispiel auch Schlagen, Beißen, Hauen, Kratzen sind Kommunikationsformen. Jetzt sind das keine, die uns angenehm sind, aber es sind einfach sehr effiziente Mittel, also die gut funktionieren.
Weil wenn man schlagt oder schreit, bekommt man Aufmerksamkeit. Und wenn man eben nicht das normal ausdrücken kann, indem man sagt, bitte höre mir zu, dann schreit man vielleicht einfach. Das ist sozusagen ganz normal dann. Und da kann eben auch die Unterstützte Kommunikation ein gutes Mittel sein, um andere Methoden zu finden, wie sich jemand bemerkbar machen kann. Aber prinzipiell sozusagen sind wir ja im Behindertenbereich genau ganz viel mit solchen Menschen, also in der Begleitung ganz vieler solcher Menschen, die UK einfach brauchen können. Und das fällt uns ja am allerbesten auf, Kommunikationsproblem ist ja immer ein beidseitiges Problem. Wenn ich merke, ich erreiche mein Gegenüber nicht, dann weiß ich, Unterstützte Kommunikation könnte eine Methode sein, um unsere Beziehung zu verbessern.
Katharina Müllebner: Gibt es zum Abschluss vielleicht noch etwas, was Sie noch unbedingt sagen wollen, was wir vielleicht in der Sendung noch nicht erwähnt haben?
Luitgard Wieser: Ein Appell an die Personen, die mit Menschen zu tun haben, die unterstützt kommunizieren. Bitte keine Scheu haben, keine Angst haben. Einfach hingehen und mit den Menschen in, in Beziehung treten, in Kommunikation, in Austausch treten. Man kann sie gerne auf das Mittel ansprechen. Die sind das gewohnt, die freuen sich einfach, wenn man auf sie zugeht, wie jeder Mensch, wie wir alle uns freuen darüber, wenn man auf uns zugeht.
Keine Scheu haben, jeder kann unterstützt kommunizieren, das ist keine hohe Kunst.
Jeder von uns kann ein bisschen etwas deuten. Wir kennen das alle, wenn wir im Ausland sind, da schaffen wir es ja auch, mit den anderen Menschen in Austausch zu treten und freuen uns auch, wenn man auf uns offen zugeht. Und wirklich eine – es ist auch ganz viel eine Einstellungsfrage, eine Haltungsfrage, also jemanden anderen das zutrauen, dass er kommunizieren kann und will, dass er etwas zu sagen hat.
Weil jeder Mensch hat etwas zu sagen und jeder Mensch ist ein wichtiger Beitrag in unserer Gesellschaft.
Und da wirklich auch mit dieser Aufmerksamkeit zu bleiben, wenn die Kommunikation vielleicht länger dauert. Sprachausgabegeräte funktionieren nicht so schnell. Oft ist das Ansteuern schwierig, da muss man echt geduldig sein und zuhören und aufmerksam bleiben. Und dann kann sich wirklich auch im Alltag die Gelegenheit für einen schönen Austausch, für ein schönes Gespräch geben.
[Überleitungsmusik]Katharina Müllebner: Das war unsere Sendung Unterstützte Kommunikation. Ich hoffe, Sie konnten einen Eindruck davon bekommen, wie wichtig Unterstützte Kommunikation und ihre unterschiedlichen Hilfsmittel für die betroffenen Personen sind.
Denn für diese geht es um nichts weniger als um ihre gesellschaftliche Teilhabe und um einen Zuwachs an Freiheit und Selbstständigkeit. Genauso wie die betroffenen Personen lernen müssen, ihre gewählte Methode der Unterstützten Kommunikation zu nutzen, so ist es wichtig, dass das Umfeld sich auf die vielleicht zunächst ungewöhnlich wirkenden Kommunikationsmethoden einlässt und mit den betroffenen Personen einen Dialog auf Augenhöhe beginnt.
Wie Sie vielleicht schon gehört haben, sind wir ab jetzt nicht mehr nur auf Radio ORANGE zu hören. Alle Infos zu unseren weiteren Sendeplätzen und Sendeterminen finden Sie auf der Internetseite barrierefrei-aufgerollt.at/sendetermine.
Es verabschiedet sich Ihr Redaktionsteam Katharina Müllebner, Markus Ladstätter und Martin Ladstätter.
[Musik barrierefrei aufgerollt – kurz kompakt und leicht verständlich]