Mit 1. Juli 2018 ist das neue Erwachsenenschutzgesetz in Kraft getreten. Dieses löst die Sachwalterschaft ab und soll den Betroffenen mehr Selbstbestimmung ermöglichen. Das Besondere an diesem Gesetz ist auch, dass Expertinnen und Experten mit Behinderungen bei der Entstehung des Gesetzes mitgewirkt haben.
Barrierefrei aufgerollt spricht in dieser Sendung mit Expertinnen und Experten, die bei der Entstehung des Erwachsenenschutzgesetzes mitgewirkt haben, beziehungsweise sich mit dessen Umsetzung beschäftigen.
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Hier kannst Du die ganze Sendung anhören:
Hier findest Du die Sendung zum Nachlesen.
Unsere Gäste
- Romana Fritz, Richterin die bei der Reform des Sachwalterschaftsrechts mitgearbeitet hat.
- Erich Girlek, Selbstvertreter für Menschen mit Lernschwierigkeiten und hat ebenfalls beim neuen Erwachsenenschutzgesetz mitgearbeitet.
- Norbert Krammer, Erwachsenenvertreter beim VertretungsNetz
Die Sendung im Radio hören
Diese Sendung wurde auf Radio ORANGE 94.0 am 3. Februar 2019 um 10:30 Uhr gesendet. Die Sendung kann auch auf o94.at live gehört werden. Am 17. Februar 2019 um 10:30 Uhr wurde sie auf Radio ORANGE 94.0 wiederholt.
Die Sendung zum Nachlesen
Markus Ladstätter: Herzlich Willkommen zu einer neuen Sendung von „barrierefrei aufgerollt“ von BIZEPS- Zentrum für Selbstbestimmtes Leben. Mein Name ist Markus Ladstätter und ich führe Sie durch die heutige Sendung.
Mit 01.Juli 2018 ist das neue Erwachsenenschutzgesetz in Kraft getreten. Es löst die Sachwalterschaften ab und soll den Betroffenen mehr Selbstbestimmung ermöglichen. Das Besondere an diesem Gesetz ist auch, das Expertinnen und Experten mit Behinderungen bei der Entstehung dieses Gesetzes mitgewirkt haben. „Von der Sachwalterschaft zum Erwachsenenschutzgesetz“, das ist der Titel der heutigen Sendung. Sie hören diese Sendung auf Radio ORANGE 94.0.
[Überleitungsmusik]Markus Ladstätter: Ich spreche jetzt mit Romana Fritz. Sie ist seit 2007 Richterin und war in der Abteilung für Familienrecht zuständig für die Reform des Sachwalterschaftsrechts.
Markus Ladstätter: Frau Fritz, wie ist das Erwachsenenschutzgesetz entstanden?
Romana Fritz: Also der Entstehungsprozess des Erwachsenenschutzgesetzes war etwas ganz Besonderes. Wir haben hier erstmals einen wirklich ganz breiten Prozess gestartet und ganz viele Menschen, Stellen, Institutionen dazu eingeladen, hier auch mitzuarbeiten.
Begonnen hat das Ganze 2013, also 2012, 2013 und ist dann bis zur Beschlussfassung 2017 gelaufen, also für ein neues Gesetz hat das sehr lange gedauert.
Und hier haben wir erstmals auch Betroffene selbst, also Selbstvertreter eingeladen und zu verschiedenen Themen gehört. Wir haben Workshops gemacht, wir haben ganz verschiedene Arbeitsgruppen gemacht zu verschiedenen Themen, wie zum Beispiel Persönlichkeitsrechte, Verfahrensrecht, wie möchte ich Stellvertretung haben und das Ganze ist dann schlussendlich in einem Entwurf gemündet und jetzt mit 1. Juli 2018 als Erwachsenenschutzgesetz in Kraft getreten.
Markus Ladstätter: Und wie beurteilen Sie den Entstehungsprozess des Gesetzes im Hinblick auf Partizipation?
Romana Fritz: Ich war ja am Prozess selbst beteiligt und habe ihn auch mitgestaltet im Ministerium, im Justizministerium, wir haben hier versucht neue Wege zu beschreiten. Wir haben eben ganz, ganz verschiedene Personen eingeladen.
Es war jedenfalls für Österreich etwas ganz Neues und zunächst haben wir hier sehr viel Hilfe in Anspruch genommen vom Monitoringausschuss. Die haben uns verschiedene Stellen, also Selbstvertreter, Institutionen genannt, aber auch verschiedene Personen genannt.
Wir haben bei den Arbeitsgruppen etwa 60 Personen, 70 Personen haben teilgenommen und da waren immer etwa 10 bis 20 Personen Selbstvertreter und Selbstvertreterinnen und daneben waren eben auch Personen aus der Rechtsprechung, aus dem Notariat, aus der Anwaltschaft, verschiedene sonstige Institutionen, Volksanwaltschaft, die Sachwaltervereine das war wirklich ein sehr breiter Prozess.
Und hier glaube ich aber, dass wir schon versucht haben, wirklich einen Querschnitt aller Personen einzuladen und die haben dann auch großteils teilgenommen. Also gerade die Selbstvertreter und Selbstvertreterinnen haben eine sehr starke Stimme gehabt und sich sehr stark auch am Prozess und an den Arbeitsgruppen beteiligt. Und darum beurteile ich den Prozess als gut gelungen.
Markus Ladstätter: Wie ist es überhaupt dazu gekommen, dass Sie mit Selbstvertreterinnen und Selbstvertretern zusammengearbeitet haben?
Romana Fritz: Na ja, die UN-Behindertenrechtskonvention gibt ja vor, dass bei einem Prozess die betroffenen Personen selbst zu beteiligen sind, das haben wir ernstgenommen.
Dann haben wir erstmals so eine Sitzung gehabt und da ist uns dann klar geworden, dass hier so eine laute, starke Stimme ist, die gehört werden will, dass die Selbstvertreter so viel zum Thema zu sagen haben, dass wir dann ganz viele Arbeitsgruppen mit Beteiligung von Selbstvertreterinnen und Selbstvertretern schlussendlich gemacht haben.
Und das war aber alles ein Prozess, der dann nach und nach entstanden ist, bis eben zum Schluss dann der Entwurf rausgekommen ist und auch hier haben wir den Entwurf versucht in Leichter Sprache zu gestalten, damit wir auch Stellungnahmen von Selbstvertreterinnen und Selbstvertretern bekommen.
Ja, also die UN-Behindertenrechtskonvention hat es uns vorgegeben, dass wir so arbeiten. Aber dann auch im Prozess hat sich dann gezeigt, dass es auch sehr gut war, dass man die betroffenen Personen selbst hört und dass sie sich auch selbst dazu äußern können.
Markus Ladstätter: Und wie hat diese Zusammenarbeit genau ausgesehen?
Romana Fritz: Konkret waren die Sitzungen so, dass wir, wie es glaube ich, teilweise bekannt ist, so Tafeln gehabt haben, „Stopp! Leichte Sprache.“ Wir haben vor der Sitzung immer ausgegeben, um welches Thema es sich handeln wird und was wir besprechen werden.
Wir haben teilweise hier auch Fälle gehabt, die wir dann auch in einfacher Sprache versendet haben.
Wir haben dann viel mit Fällen gearbeitet, also in kleineren Gruppen, da hatten wir immer Tische von 8 bis 10 Personen und an diesen Tischen sind auch immer zwei, drei Selbstvertreterinnen und Selbstvertreter gesessen. Und hier hat man dann anhand von Fällen, zum Beispiel eben zu den Persönlichkeitsrechten, wie sehe ich zum Beispiel die Frage wenn jemand, der einen Sachwalter hat, heiraten möchte? Aber auch für was brauche ich denn überhaupt einen Sachwalter, wann brauche ich Stellvertretungen, wann genügt Unterstützung?
Und so haben wir eben ein Thema nach dem anderen abgearbeitet. Alles, was mit Sachwalterrecht im Großen und Ganzen zu tun hat. Aber natürlich zum Beispiel auch die Begriffe, also darum heißt es auch, das Sachwalterrecht nicht mehr Sachwalterrecht, sondern Erwachsenenschutzrecht, auch das ist im Rahmen einer solchen Sitzung dann entstanden.
Markus Ladstätter: Was waren die wichtigsten Anliegen für das Justizministerium und für die Selbstvertreter?
Romana Fritz: Wir wollten ursprünglich die UN-Behindertenrechtskonvention umsetzen, also das Justizministerium und das war auch das Anliegen der Selbstvertreterinnen und Selbstvertreter.
Das Ganze hat begonnen eben 2013 und da dachten wir, dass wir einzelne Unterstützungsmaßnahmen schaffen. Und schon in den ersten Sitzungen hat sich gezeigt, dass hier einfach ein viel höherer Bedarf ist, gerade von den Selbstvertreterinnen und Selbstvertretern ist sehr stark an uns herangetragen worden, dass sie unzufrieden sind mit dem Sachwalterrecht, dass sie unzufrieden sind mit der Situation, dass sie sich mehr Unterstützung wünschen.
Mehr wünschen ernstgenommen zu werden im Rechtsverkehr, also beim Verträge schließen und so weiter. Also ganz ursprünglich hätten wir nicht gedacht, dass es so eine große Reform wird, wie sie denn schlussendlich geworden ist. Das war wirklich ein Zusammenspiel von uns, vom Justizministerium und Selbstvertreterinnen und Selbstvertretern, aber auch von allen anderen Menschen, die eingebunden wurden in diesen Prozess.
Markus Ladstätter: Wie verläuft denn der Übergang von einer Sachwalterschaft zur Erwachsenenvertretung? Funktioniert das automatisch oder muss ich da selbst was dafür unternehmen?
Romana Fritz: Mit 1. Juli 2018 ist das zweite Erwachsenenschutzgesetz in Kraft getreten und jetzt werden alle Sachwalter zu gerichtlichen Erwachsenenvertretern automatisch. Innerhalb von fünf Jahren muss jede ehemalige Sachwalterschaft, also jetzt gerichtlicher Erwachsenenvertretung, überprüft werden und nach diesen fünf Jahren wird es dann keine Sachwalter mehr geben, also es gibt sie jetzt vom Begriff dann schon nicht mehr, aber bis dahin muss jede Sachwalterschaft überprüft worden sein.
Markus Ladstätter: Wie wird denn endschieden in welches Vertretungsmodell man kommt?
Romana Fritz: Also das zweite Erwachsenenschutzgesetz hat jetzt, wir sagen dazu „vier Säulen“. Also es gibt die Vorsorgevollmacht. Die Vorsorgevollmacht kommt dann zum Tragen, wenn man noch voll endscheidungsfähig ist und das ist wie ein Vertrag, den man miteinander abschließt und dieser Vertrag tritt dann in Kraft, wenn man nicht mehr endscheidungsfähig ist.
Dann muss das eben in das ÖZVV in das Österreichische Zentrale Vertretungsverzeichnis eingetragen werden, das ist die Vorsorgevollmacht.
Dann als nächste Stufe gibt es die gewählte Erwachsenenvertretung. Hier muss die betroffene Person nicht mehr ganz endscheidungsfähig sein.
Hier sagt man geminderte Endscheidungsfähigkeit dazu, das heißt, sie weiß noch was es bedeutet, wenn ich jemanden bevollmächtige. Die nächste Stufe ist dann die gesetzliche Erwachsenenvertretung, hier braucht es keine Endscheidungsfähigkeit mehr der betroffenen Person oder der volljährigen Person sagt man auch, hier können sich Angehörige eintragen lassen, dass sie die betroffene Person vertreten können im Alltag.
Das können ziemlich weitreichende Angelegenheiten sein, also alle möglichen , rechtsgeschäftlichen Angelegenheiten oder medizinischen Angelegenheiten, das muss auch eingetragen werden beim Erwachsenenschutzverein Rechtsanwältin/Rechtsanwalt, Notarin/Notar, hier hat die betroffene Person ein Widerspruchsrecht, d.h. sie kann sagen, nein da genügt eine reine Äußerungsfähigkeit, also wenn die Person mit dem Kopf schüttelt oder es muss nicht ein nein ich möchte das nicht sein, sondern eben Äußerungsfähigkeit, man muss erkennen, das sie das nicht möchte.
Wenn das erkennbar ist dann gibt es auch keine gesetzliche Erwachsenenvertretung. Das letzte Mittel oder die letzte Erwachsenenvertretungsmöglichkeit, die es gibt, ist dann die gerichtliche Erwachsenenvertretung und die wird vom Gericht gemacht, also hier wird vom Gericht ein Erwachsenenvertreter bestellt, das geschieht dann mit gerichtlichem Beschluss. Das ist aber dann wirklich nur möglich, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind oder nicht in Frage kommen.
[Überleitungsmusik]Markus Ladstätter: Im nächsten Interview spreche ich mit Erich Girlek einen Selbstvertreter für Menschen mit Lernschwierigkeiten der Erwachsenenschutzgesetz mitgemacht hat.
Herr Girlek, wie ist es denn dazu gekommen, dass Sie am Erwachsenenschutzgesetz mitgearbeitet haben?
Erich Girlek: Also ich wurde gefragt, ob ich bei einer Tagung, die bei uns in Salzburg gewesen ist, also die Tagung hat geheißen “Sachwalterschaft – wo drückt der Schuh?”, wurde ich gefragt, ob ich eine kurze Rede halten kann und meine persönlichen Erfahrungen mit dem Thema Sachwalterschaft erzählen kann. Und dann bin ich auch gefragt worden, ob ich bei dieser Arbeitsgruppe, die im Justizministerium gewesen ist, ob ich da mitarbeiten möchte.
Markus Ladstätter: Was genau haben Sie da in der Arbeitsgruppe gemacht?
Erich Girlek: Also das Justizministerium hat die Menschen mit Lernschwierigkeiten gefragt, wie die persönlichen Erfahrungen mit dem Thema Sachwalterschaft gewesen sind und sie haben dann halt uns gefragt halt immer, was würdet ihr gerne verändern im neuen Erwachsenenschutzgesetz.
Markus Ladstätter: Was war Ihnen denn beim neuen Gesetz besonders wichtig?
Erich Girlek: Also für mich war immer das Wichtige, dass der Fürsorgegedanke, der im alten Sachwalterschaftsrecht sehr stark noch war, geändert wird und mehr auf den Menschenrechtsgedanken kommen soll.
Markus Ladstätter: Sie sagten es ist Ihnen wichtig, dass man von Führsorgegedanken wegkommt was meinen Sie damit?
Erich Girlek: Ja, also, der Fürsorgegedanke ist, also war für uns Menschen mit Lernschwierigkeiten immer, dass sie bestimmt haben zum Beispiel, du musst gar nicht wissen, wie viel Geld zum Beispiel du hast.
Also ich habe früher auch einen Sachwalter gehabt und der hat zum Beispiel gesagt,der hat immer gedrängt, dass ich zum Beispiel ein Moped, das für mich immer wichtig war, dass ich also mobil sein kann, unterwegs sein kann, Ausflüge machen kann, hat er immer gedrängt, dass ich das verkaufe oder ihm war halt immer wichtig, dass viel Geld halt da war.
Und das, was ich selber haben wollte, das wollte er nicht so haben.
Markus Ladstätter: Haben Sie mit dem alten Sachwalterschaftsrecht auch persönliche Erfahrungen gemacht?
Erich Girlek: Also von einem wirklich schlechten Sachwalter bis zu einer wirklich recht guten, vom Erwachsenenschutzverein jetzt oder früher hat es Vertretungsnetz geheißen. Also ich habe wirklich von-bis kennengelernt. Und mit ihr habe ich dann auch, sie hat mich immer, die Jetzige, man muss nicht mehr sagen Jetzige, weil ich bin ja nicht mehr besachwaltet und auch nicht mehr … sie hat auch mich bestärkt, dass ich zum Beispiel … oder hat mit mir gemeinsam einen Brief geschrieben an die Justiz- … und die Beendigung der Sachwalterschaft haben wir erwirkt und habe ich jetzt keinen Sachwalter oder Erwachsenenvertreter.
Markus Ladstätter: Warum ist denn das Erwachsenenschutzgesetz so wichtig für die Betroffenen?
Erich Girlek: Ja, also das warum es wichtig ist, ist weil wir unser Leben selber bestimmen können und auch für was wir das Geld ausgeben möchten, dass wir selber bestimmen können darüber.
Und manche brauchen halt dabei Unterstützung oder jetzt einen Vertreter, weil sie viele Dinge vielleicht nicht zum Beispiel finanzielle Sachen damit sie sich auch nicht verschulden das ist noch im neuen Erwachsenenschutzgesetz drinnen.
Aber für uns war immer das Wichtige, dass wir das bestimmen können und das ist das Gute, dass das jetzt auch nur mehr für drei Jahre begrenzt ist und was auch gut ist, ist der gewählte Erwachsenenvertreter, da kann man sich eine Person selber aussuchen der man vertraut, der für einen vertreten kann.
Und was auch klasse ist, ist diese früher hat man Geschäftsfähigkeit gesagt, dass man auf Banken gehen kann was früher halt nicht möglich war so, also, wenn man zu einer Bank geht, dann haben sie früher den Sachwalter immer, hast du immer entweder von ihm was gebraucht.
Und jetzt kann man selber mit Banken zum Beispiel Geschäfte abschließen.
Markus Ladstätter: Wenn man die zwei Gesetze, also das Erwachsenenschutzgesetz und das Sachwalterschaftsrecht vergleicht, welchen Vorteil hat die neue Erwachsenenvertretung für die Betroffenen?
Erich Girlek: Also es gibt mehr Selbstbestimmung, dass was in der UN-Konvention drinnen steht, da haben sie einiges gut gemacht, also mehr Selbstbestimmung, dass man zum Beispiel jetzt weiß, jetzt kann der Erwachsenenvertreter nicht mehr so schnell sagen, „das geht dich nichts an.“
Das ist schon ein Vorteil gegenüber dem Alten und auch dass es jetzt nur mehr für drei Jahre begrenzt ist, das ist auch ein Vorteil. Wie ich vorhin gesagt habe, es ist wirklich so, dass früher hat man einen Sachwalter bekommen und man hat fast nie wieder geschaut – braucht diese Person noch einen. Und jetzt ist das so, nach drei Jahren spätestens endet auch diese Vertretung.
[Überleitungsmusik]Markus Ladstätter: Norbert Krammer ist Erwachsenenvertreter vom Verein VertretungsNetz Erwachsenenvertretung. Als Bereichsleiter ist er dort zuständig für Salzburg und Oberösterreich. Das VertretungsNetz ist eine gemeinnützige Organisation, die in drei Bereichen Menschen vertritt, im Bereich Erwachsenenvertretung wird das Erwachsenenschutzgesetz umgesetzt, bei Patienten geht es oft um das Unterbringungsrecht und im Bereich der Bewohnervertretung beschäftigt man sich mit dem Heimaufenthaltsgesetz. Es geht immer um Menschen, die in der Entscheidungsfähigkeit beeinträchtigt sind und eine professionelle Vertretung benötigen.
Markus Ladstätter: Was ist eigentlich die Aufgabe von Erwachsenenschutzvereinen?
Norbert Krammer: Die Erwachsenenschutzvereine werden jetzt in den Erläuterungen und im Gesetz immer als Drehscheibe des Gesetzes auch erwähnt. Das heißt wir haben die Funktion zu beraten, wir haben die Funktion im Auftrag der Gerichte Abklärungen durchzuführen, zum Beispiel im Verfahren zur gerichtlichen Erwachsenenvertretung erfolgt vom Gericht der Auftrag an den Erwachsenenschutzverein abzuklären, ob ein Vertretungsverhältnis notwendig ist, gesetzlich gerechtfertigt ist und ob es Alternativen gibt.
Es wird von den Mitarbeiterinnen ein Clearing-Bericht erstellt und das Gericht kann aufgrund des Clearing-Berichts entscheiden. Was ist in so einem Clearing-Bericht? Ein Clearing-Bericht umfasst alle Daten der Person, die sind schnell und leicht erhoben, aber auch die Wünsche und die Möglichkeiten Gefährdungen anders durch Alternativen aufzufangen oder auch die Rechte individuell zu stärken.
Das heißt da gibt es auch viele Anregungen, die Mitarbeiterinnen machen aufgrund ihrer Berufserfahrung eine Einschätzung welche Alternativen möglich sind. Reden auch mit der Umwelt und fassen das in einen konkreten Bericht zusammen.
Markus Ladstätter: Was ist denn der Unterschied zwischen der früheren Sachwalterschaft und der jetzigen Erwachsenenvertretung?
Norbert Krammer: Konkret geändert hat sich von der Sachwalterschaft zum Erwachsenenschutzgesetz – früher wurde mit der Bestellung eines Sachwalters die Person, für die ein Sachwalter bestellt wurde automatisch in der Geschäftsfähigkeit beschränkt.
Diese Beschränkung gibt es seit 1. Juli 2018 nicht mehr automatisch der gerichtliche Erwachsenenvertreter beschränkt die Handlungsfähigkeit und die Entscheidungsfähigkeit der vertretenen Person nicht.
Das war ja auch ein ganz wesentlicher Teil der Kritik am Sachwalterrecht das es automatisch zu dieser Beschränkung geführt hat. Man hat das auch Entmündigung umgangssprachlich immer wieder genannt, weil eine Person nicht mehr selbst entscheiden durfte.
Die Frage ob er es konnte, wird erst im zweiten Anlauf gestellt, wenn das automatisch passiert jetzt wird im ersten Zug die Frage gestellt – kann jemand selbst entscheiden. Also ist jemand entscheidungsfähig, dann trifft die Person selbst die Entscheidung.
Das zieht sich durch fast alle Bestimmungen des neuen Erwachsenenschutzgesetzes, also auch in den ganzen Gesetzen auch umgesetzt, zum Beispiel ob ich entscheiden kann, wie ich mein Geld verwende, das ist eine Frage der Entscheidungsfähigkeit und wenn das früher eine Frage nur der Geschäftsfähigkeit war, dann hat man früher die Geschäftsfähigkeit eingeschränkt und damit hat die vertretene Person nicht mehr entscheiden dürfen, wie das Geld ausgegeben wird, sondern formal war das immer der Vertreter.
Und das hat dieses Machtverhältnis ausgemacht zwischen dem Vertreter – früher Sachwalter und der betroffenen Person, für die ein Sachwalter bestellt war. Das hat jeder gespürt und dieses Machtverhältnis wurde durch die Wegnahme der automatischen Beschränkung aus meiner Sicht aufgelöst. Weil der Vertreter in Zukunft die vertretene Person einbeziehen muss.
Er hat die Pflicht die Wünsche zu ermitteln und die Wünsche umzusetzen, sofern nicht eine Gefährdung des Wohls vorliegt, also das ist auch wieder ein bisschen, da gibt es natürlich einen Interpretationsspielraum, aber wenn jemand einen Wunsch hat, dass etwas angeschafft wird – ich habe ein Beispiel jetzt mit einer Person durchdiskutiert die Frage war darf ich mir einen neuen Fernseher, einen größeren anschaffen.
So war das früher im Sachwalterrecht manchmal wirklich die Entscheidung des Sachwalters oder der Sachwalterin, die hätte natürlich auch die Wünsche ermitteln müssen, hat aber immer die Entscheidungsbefugnis gehabt. Jetzt im Erwachsenenschutzgesetz ist es so, dass wenn die Person einen gerichtlichen Erwachsenenvertreter hat, der über diesen Finanzbereich entscheidet, dann muss der gerichtliche Erwachsenenvertreter trotzdem die vertretene Person einbeziehen die Wünsche ermitteln und auch umsetzen, wenn es möglich ist.
Also wenn zum Beispiel dieses Geld für eine neuen Fernseher zur Verfügung steht, wenn es auf dem Konto ist, auf Sparbuch ist, dann spricht nichts gegen den Kauf und es können nicht die eigenen ethischen Überzeugungen des Vertreters in den Vordergrund rücken. Das heißt die Rechte der vertretenen Person sollen vom Gesetz her massiv gestärkt werden und werden auch gestärkt, die Umsetzungsfrage ist natürlich eine der gerichtlichen Kontrolle.
[Überleitungsmusik]Markus Ladstätter: Das war unser Einblick in die Entstehungsgeschichte des Erwachsenenschutzgesetzes. Die nächste Zeit wird zeigen, ob das, was die Beteiligten sich vorgestellt haben tatsächlich so umgesetzt wird.
Das war von der „Sachwalterschaft zum Erwachsenenschutzgesetz“ aus der BIZEPS-Sendereihe „barrierefrei aufgerollt“. Sie hörten diese Sendung auf Radio ORANGE 94.0
Alle Informationen zu dieser Sendung finden Sie auf www.barrierefrei-aufgerollt.at.
Bis zur nächsten Sendung, ihr Redaktionsteam Katharina Müllebner, Martin Ladstätter und Markus Ladstätter.
[Musik mit Text: barrierefrei aufgerollt – kurz, kompakt und leicht verständlich]