In der Sendung Barrierefrei gesund – Was tun wenn man krank ist sprechen wir über die Probleme in Wien, einen Arzt oder Ärztin zu finden die auch für Menschen mit Behinderungen zugänglich ist.
- Welche Probleme gibt es?
- Wie finde ich eine barrierefreie Arztpraxis?
- Was macht die Ärztekammer damit Arztpraxen barrierefreier werden?
Die Radiosendung zum Nachhören
Hier kannst Du die ganze Sendung anhören:
Hier findest Du die Sendung zum Nachlesen.
Unsere Interviewpartner
- Veronika Pichler: Leiterin des Projekts „krank, behindert, ungehindert … in Wien“ bei BIZEPS
- Thomas Holzgruber: Kammeramtsdirektor der Ärztekammer für Wien.
- Gregor Steininger: Patient mit einer Behinderung
Die Sendung im Radio hören
Diese Sendung wurde auf Radio ORANGE 94.0 am 1. Juli 2018 um 10:30 gesendet. Die Sendung kann auch auf o94.at live gehört werden. Am 15. Juli 2018 um 10:30 wurde sie auf Radio ORANGE 94.0 wiederholt.
Sendung zum Nachlesen
Musik mit Text: barrierefrei aufgerollt – kurz, kompakt und leicht verständlich
Katharina Müllebner: Herzlich Willkommen zur heutigen Sendung von barrierefrei aufgerollt von BIZEPS – Zentrum für Selbstbestimmtes Leben. Am Mikrofon begrüßt Sie Katharina Müllebner.
Eine gute medizinische Versorgung ist lebenswichtig und auch ein Menschenrecht.
Worauf achten Sie, wenn es um die Auswahl der richtigen Ärztin oder des richtigen Arztes geht? Sind es die Wohnungsnähe, die Kosten oder ob er oder sie Ihnen sympathisch ist?
Menschen mit Behinderungen müssen sich, wenn es sich um Auswahl des richtigen Arztes geht zuallererst eines fragen: Ist die Ordination barrierefrei?
Diese Barrierefreiheit kann vieles umfassen.
Für Menschen im Rollstuhl ist es ein ebenerdiger Zugang, ein Lift der groß genug ist, ein behindertengerechtes WC, oder die Höhe von Behandlungsliegen und Empfangsschaltern.
Für Menschen mit anderen Behinderungen kann es zum Beispiel ein Blindenleitsystem, Leichte Sprache oder Gebärdensprache sein, die für sie den Arztbesuch barrierefrei machen.
In der heutigen Sendung, geht es um das Thema Barrierefreiheit in Arztpraxen. „Barrierefrei gesund“ ist der Titel, Sie hören die heutige Sendung auf Radio ORANGE 94.0.
[Überleitungsmusik]Wenn Veronika Pichler einen Arzt aufsucht, kann es sein, dass sie ein Maßband dabei hat. Veronika Pichler ist Leiterin des BIZEPS-Projektes „behinderte Menschen in Wiener Gesundheitseinrichtungen“.
Frau Pichler, ich habe vorhin gesagt, wenn Sie in einen Arzt aufsuchen, kann es sein, dass Sie ein Maßband dabeihaben, warum ist das so?
Veronika Pichler: Das stimmt, ich habe das Maßband dabei. Ich nehme die Messdaten auf von zum Beispiel Türbreiten, Stufen, ich vermesse die Aufzugskabine und auch die Größe des Behinderten-WCs.
Katharina Müllebner: Können Sie uns etwas über das Projekt erzählen?
Veronika Pichler: Dieses Projekt ist einzigartig in Österreich und durch die Kooperation mit der Ärztekammer für Wien, der ÖQMedund der Landeszahnärztekammer für Wien können wir Menschen mit Behinderungen diese Messdaten zur Verfügung stellen. So können sie sich vorab informieren, wie der Zugang ist zu den Arztpraxen. Es gibt über 850 Ordinationen mit Messdaten in Wien, die abrufbar sind.
Katharina Müllebner: Was ist denn das genaue Ziel des Projektes?
Veronika Pichler: Also das Ziel des Projektes ist es, alle Ordinationen in Wien zu vermessen, Ärztinnen, Ärzte und auch medizinisches Personal zu schulen, zu sensibilisieren um Vorurteile und Ängste abzubauen.
Wir bieten Bauberatungen an, damit bestehende Ordinationen umgebaut werden können und neue Ordinationen barrierefrei gestaltet werden.
Katharina Müllebner: Wie ist das Projekt eigentlich entstanden?
Veronika Pichler: Es gab viele Anfragen an BIZEPS, ob wir Ordinationen kennen, die stufenlos erreichbar sind. Deshalb startete Annemarie Srb-Rössler 2001 das Projekt „Behinderte Menschen im Krankenhaus und anderen Gesundheitseinrichtungen”. Es war ein riesen Erfolg, aber viele Fragen blieben offen.
Deshalb kam es dann im September 2003 zum Projekt „Behinderte Menschen in Wiener Gesundheitseinrichtungen”. Da wurden dann regelmäßig tagende Arbeitsgruppen eingerichtet, in denen Menschen mit den unterschiedlichsten Behinderungen vertreten waren. Es wurden Erfahrungen ausgetauscht, Wünsche formuliert und ein Forderungskatalog erstellt. Das ist die Grundlage für diesen Erhebungsbogen für die Arztpraxen.
Katharina Müllebner: Was waren das für Forderungen, können Sie sich daran noch erinnern?
Veronika Pichler: Es waren Forderungen, dass man sagt, nicht nur bauliche Barrierefreiheit ist wichtig, sondern eben auch Menschen mit Sehbehinderungen, dass man sagt, ja, die Schriftgrößen oder die Schriftfarben sind angepasst.
Katharina Müllebner: Wie kommt es zu so einer Vermessung? Wie kommen jetzt Sie und die Ärzte zusammen?
Veronika Pichler: Ich schreibe die Ärztinnen und Ärzte mit einem Brief an und frage, ob sie bereit sind, die Ordination vermessen zu lassen, um eben Menschen mit Behinderungen Wahlfreiheit zu gewährleisten. Diesen Brief haben wir gemeinsam mit der Ärztekammer entworfen und die Ärztinnen und Ärzte melden sich dann bei uns und sagen, sie sind mit der Vermessung einverstanden, dann machen wir uns einen Termin aus.
Es gibt aber auch Ärztinnen und Ärzte, die sich selbst an uns wenden.
Katharina Müllebner: Unser Thema ist ja die Barrierefreiheit in Arztpraxen, was gehört alles dazu? Sie haben ja vorhin schon eine Art Checkliste erwähnt.
Veronika Pichler: Genau. Das Thema Barrierefreiheit umfasst aber nicht nur diese baulichen Maßnahmen. Es ist wichtig, wie zum Beispiel die Homepage aufgebaut ist, ob die übersichtlich ist, mit Farbkontrasten und ob es Navigationshilfen gibt. Bei der Aufnahme der Messdaten gibt es eben diese Checkliste. Ich frage auch ab, wie der Aufruf der Patienten erfolgt oder ob es Gebärdensprachkenntnisse gibt oder auch wie die Anmeldung erfolgen kann, ob die auch per Mail geht oder ob es eine Online-Terminvereinbarung gibt.
Katharina Müllebner: Aus Ihrer persönlichen Erfahrung heraus, gibt es eigentlich Unterschiede zwischen Kassenärzten oder Privatärzten, was die Barrierefreiheit betrifft?
Veronika Pichler: Aus persönlichen Erfahrungen würde ich sagen, es gibt keine Unterschiede. Es sind beide sehr bemüht und es ist halt die gesetzliche Lage so, dass seit dem Inkrafttreten des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes die Verpflichtung besteht, die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung zu beseitigen oder zu verhindern.
Katharina Müllebner: Wie hoch ist eigentlich die Bereitschaft von Ärztinnen und Ärzten, Ihre Praxis barrierefrei zu machen?
Veronika Pichler: Also die Bereitschaft ist in den letzten Jahren wirklich sehr gestiegen. Viele Ärztinnen und Ärzte sind bereit, ihre Ordinationen umzubauen, auch wenn es manchmal schwierig ist, weil wenn es oft in … also bestehende Ordinationen in Altbauten, ist es oft schwierig, dass umzubauen, weil auch die Hauseigentümer nicht immer bereit sind, Adaptierungen oder Umbauten zuzulassen.
[Überleitungsmusik]Katharina Müllebner: Ein Kooperationspartner des eben vorgestellten Projektes „Behinderte Menschen in Wiener Gesundheitseinrichtungen“ ist die Ärztekammer für Wien. Wir haben jetzt den Kammeramtsdirektor der Ärztekammer für Wien Doktor Thomas Holzgruber zu Gast.
Katharina Müllebner: Was sind die Aufgaben der Ärztekammer?
Thomas Holzgruber: Standesvertretung. Wir sind die Vertretung der Ärztinnen und Ärzte in Wien. Das heißt, wir kümmern uns um die Anliegen der Ärzte. Das betrifft sowohl ihre wirtschaftlichen Anliegen als auch soziale Anliegen, wir haben ja auch einen eigenen Pensionsfonds, wo wir für Ärzte eine Altersversorgung anbieten, als auch berufliche Anliegen.
Wir sind sowohl Interessenvertretung wie auch Disziplinarbehörde, weil Ärzte werden in der Gesellschaft mit strengeren Maßstäben gemessen. Und da müssen wir auch schauen, weil sie halt eine sehr hohe Vertrauensposition haben gegenüber Patienten und da achten wir auch darauf, dass diese Spielregeln von den Ärzten eingehalten werden.
Natürlich ist die Ärztekammer allerdings auch, und das ist auch für uns ein wichtiges Thema, ein gesellschaftspolitischer Faktor, weil sehr viele Fragen des ärztlichen Berufes auch eine gesellschaftspolitische Relevanz haben. Und da äußern wir uns, so wie alle Ärztegesellschaften, auch immer wieder zu gesellschaftspolitischen Fragen, aus rein ärztlicher Sicht.
Katharina Müllebner: Die Ärztekammer ist ja wie Sie gesagt haben, die Interessensvertreterin der Ärztinnen und Ärzte. Und das Projekt „Behinderte Menschen in Wiener Gesundheitseinrichtungen” setzt sich für Barrierefreiheit in Arztpraxen ein.
Was bringt jetzt diese Barrierefreiheit den Ärztinnen und Ärzten?
Thomas Holzgruber: Ärztinnen und Ärzte haben von ihrer Grundüberlegung und von der Ausbildung her immer die Empathie, Menschen zu helfen. Man wird nur Arzt, wenn man Menschen helfen möchte. Sonst kann man diesen Beruf gar nicht ausüben. Und daher wird dieses Helferbedürfnis, das Ärzte in sich tragen, dadurch befriedigt, dass man allen Bevölkerungsgruppen helfen kann und natürlich auch behinderten Menschen.
Und ich kenne jetzt viele, viele Jahre, die ich den Job mache, keinen einzigen Arzt, der gesagt hat, er möchte nicht einem behinderten Menschen helfen. Und daher ist die Barrierefreiheit wichtig, weil damit die behinderten Menschen auch die Zugänge zu den Ärzten haben und die Ärzte die Zugänge zu den behinderten Menschen.
Katharina Müllebner: Wie ist denn aus Ihrer Sicht das Bewusstsein für das Thema Barrierefreiheit im medizinischen Bereich?
Thomas Holzgruber: Das ist massiv gestiegen. Also das war, ich mache das jetzt 30 Jahre, als ich begonnen habe Ende der 80er-Jahre, war das noch ein Thema, das in der Ärzteschaft zwar vom Bewusstsein her da war, aber in der praktischen Auswirkung kaum eine Rolle gespielt hat.
Heute, wenn ich mit jungen Ärzten rede, die eine Ordination eröffnen und die sich hier neu niederlassen, dann ist das Thema Barrierefreiheit ganz, ganz oben angesiedelt, wo sie sagen, okay, wie mache ich das, wie tue ich das, wo kann ich hingehen, wie könnt ihr mir helfen als Ärztekammer, dass es barrierefrei ist?
Da hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten auch was geändert.
Gibt es so etwas wie Qualitätsstandards für Arztpraxen? Und gehört Barrierefreiheit da dazu?
Thomas Holzgruber: Ja, es gibt eine Verordnung, die die österreichische Ärztekammer macht, gemeinsam mit dem Bundesministerium für Gesundheit, also jetzt Gesundheit, Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, wo wir Kriterien haben, die eine Ordination regelmäßig zu überprüfen hat. Dazu gehört auch der Zugang von mobilitätseingeschränkten Patienten, also quasi die Barrierefreiheit.
Und das ist für uns ein ganz wichtiges Kriterium, wo die Ärzte entweder schauen müssen, dass sie selber barrierefrei sind, oder wenn sie das aus irgendwelchen Gründen nicht können oder nicht hundertprozentig können, oft scheitert es ja an irgendwelchen kleineren Details, die man nicht machen kann, dann müssen sie zumindest den Patienten, die genau deshalb einen erschwerten Zugang haben, Einrichtungen benennen können in der Umgebung oder sich zusammen reden, wo dann diese Patienten ordentlich versorgt werden können.
Katharina Müllebner: Sie haben jetzt erwähnt, für mobilitätseingeschränkte Personen. Was wird getan für Personen mit anderen Behinderungen, beispielsweise für Personen mit Lernschwierigkeiten oder gehörlose Patientinnen und Patienten?
Thomas Holzgruber: Also das ist jetzt sehr stark auch fächerspezifisch unterschiedlich. Also gehörlose Patienten, zum Beispiel ein HNO-Arzt, da gibt es die sogenannten Induktionsschleifen, dass man verstärkt das Hör- oder in die Blindenschrift bei den Augenärzten … also es gibt ja Menschen mit verschiedenen Einschränkungen und da versucht man auch immer sehr fachspezifisch auf diese Menschen einzugehen, weil die natürlich eher Augenarzt, eher HNO-Arzt, also das sind auch spezifische Ärztegruppen, die sich auf diese Patienten spezialisiert haben, verständlicherweise, aufgrund der Grunderkrankung oder der Grundeinschränkung.
Und da versucht man halt speziell Angebote auch zu machen, auch innerhalb der entsprechenden Ärztegruppen, dass diese Leute regional gut versorgt sind, weil man schaut natürlich in der Region, dass die Leute gut versorgt sind, was in Wien wieder ein bisschen einfacher ist, weil halt die Stadt größer ist und die Zugänge leichter sind. Das ist am Land oft ein bisschen schwieriger.
Katharina Müllebner: Sie haben jetzt die Fachärzte angesprochen, aber wie sieht es mit den Allgemeinmedizinern aus?
Thomas Holzgruber: Mit den Allgemeinmedizinern, auch da versuchen wir, dass wir hier barrierefreie Zugänge machen. Da müssen wir zugestehen, dass wir hier vor einem Generationswechsel stehen.
Es ist bekannt, dass zwei Drittel aller Hausärzte in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren in Pension gehen. Das ist genau die Generation, von der ich vorher gesprochen habe, die in den 70er oder 80er Jahren die Ordinationen eröffnet hat. Die wird jetzt ersetzt durch eine jüngere Generation. Und da schauen wir bei den Jüngeren, dass wir erstens größere Einheiten machen, die jungen Ärztinnen, es sind jetzt überwiegend Frauen, der beruflich ist ja auch weiblich, gerade die Allgemeinmedizin ist sehr weiblich, die wollen auch gemeinsam arbeiten, die wollen größere Einrichtungen gemeinsam führen. Und die schauen wir dann, dass wir diese Einrichtungen dann alle barrierefrei gestalten, sodass wir hier einen flächendeckenden Zugang haben.
Ich gestehe allerdings zu, das wird auch aufgrund der Bausubstanz, gerade in Wien, noch ein bisschen dauern. Da haben wir es in Bereichen, wo wir Neubaugebiete haben am Stadtrand, wo neue Stadtteile entstehen, ein bisschen leichter, weil da wird schon barrierefrei gebaut.
Im baulichen Altbestand der Stadt, haben wir es ein bisschen schwerer, das ist immer für die Ärzte eine Herausforderung aber da versuchen wir auch individuell auch mit den Vermietern und mit den Immobilieneigentümern zu schauen, dass wir diese Barrieren wegkriegen.
Katharina Müllebner: Wie unterstützt die Ärztekammer, die Ärztinnen und Ärzte dabei, ihre Praxen barrierefrei zu gestalten?
Thomas Holzgruber: Na ja, die Ärzte kommen zu uns. Also die Ärzte, gerade wenn sie Kassenverträge haben, müssen sie sogar über die Kammer, weil die Vergabe der Kassenverträge vergaberechtlich ja auch über die Ärztekammer läuft. Das heißt, sie sind in der Kammer vor Ort. Bei diesen Gesprächen vor Ort, wenn sie kommen, reden wir auch über das Thema.
Wir werden jetzt auch beginnen, wahrscheinlich ab Herbst, ein eigenes Gründerservice zu haben, wo wir noch intensiver die Ärztinnen und Ärzte durch die Gründungsphase einer Ordination durchführen. Und da beraten wir sie.
Und wir merken jetzt auch, dass die Ärzte sich zunehmend clustern. Was heißt das? Die Ärzte gehen in Ärztezentren. Also es ist nicht mehr ein Arzt alleine irgendwo, sondern es sind mehrere Ärzte in einer Immobilie gemeinsam.
Diese Immobilien, teilweise werden die frisch gebaut, teilweise werden bestehende Immobilien besiedelt. Da tun wir uns natürlich mit der Barrierefreiheit wesentlich leichter, weil wir nur einmal die bauliche Diskussion haben, dass wir baulich das herrichten. Das raten wir den Ärzten auch, weil es dann für die Patienten viel leichter ist, also gerade für die behinderten Menschen, zum Arzt zukommen.
Und wir beraten sie individuell und gehen mit dem Arzt auch durch, wo hat er ein Problem, wie schaut das aus, wie schaut die Toilette aus, wie schaut das Stiegenhaus aus, wie schaut dein Lift aus, eine Liftüberlegung, wie ist es aufgrund seiner fachlichen Situation, was kann man machen. Wir versuchen auch, wenn es nicht geht, mit den Vermietern zu reden. Oft braucht man ja für die eine oder andere bauliche Maßnahme auch die Zustimmung des Vermieters. Da merken wir auch, es wird ein bisschen einfacher. Wir tun uns natürlich leichter, wenn der Vermieter eine öffentliche Einrichtung ist, wie Wiener Wohnen, die sind natürlich eher bereit, da was zu machen. Bei Privaten ist es oft eine Diskussion.
Aber wir müssen halt auch schauen, wir haben halt die Schwierigkeit, dass Medizin im Sinne der Gesamtbevölkerung sehr wohnortnahe erbracht werden soll, jeder möchte seinen Hausarzt ums Eck haben. Das ist ein völlig verständlicher Wunsch der Bevölkerung, dem versuchen wir auch nachzukommen, dass wir halt das wohnortnahe machen.
Wohnortnahe heißt aber auch natürlich, dass wir baulich gerade bei der Allgemeinmedizin sehr limitiert sind, weil wenn du ein Grätzl hast, wo deine Ordination ist in Wien, wo nur Altbauten sind, dann ist die Barrierefreiheit eine besondere Herausforderung. Und diesen Herausforderungen müssen wir uns stellen.
Wir kooperieren jetzt auch mit der Wirtschaftskammer, dass wir schauen für Geschäftsstraßen – es gibt ja viele Geschäftsstraßen in Wien, die frei werden, wo Ärzte immer mehr ehemalige Geschäftslokale adaptieren, weil die sind barrierefrei zugänglich, da hat man die ganzen Probleme nicht, wie wenn man im Wohnhaus im ersten oder zweiten Stock ist.
Das fördern wir auch sehr stark, dass wir hier auch schauen, dass wir die Ärzte dazu motivieren, in diese Räumlichkeiten zu gehen und ihre Ordinationen dorthin zu verlegen, oder wie gesagt, in Ärztezentren gemeinsam zusammen zu gehen, wo dann einmal diese Infrastruktur für die Barrierefreiheit aufgebaut wird, aber was dann mehrere Ärzte nutzen können und auch für den Patienten super ist, weil er halt einfach mehrere Ärzte an einem Ort hat.
Und Medizin ist interdisziplinär, oft kann ein Arzt allein nicht helfen, sondern braucht die Zusammenschau mehrerer Ärzte, damit man auf ein optimales medizinisches Ergebnis kommt.
Katharina Müllebner: Wie beurteilen Sie die medizinische Versorgung von Menschen mit Behinderungen?
Thomas Holzgruber: Also in der Großstadt ist es aufgrund der Enge und der Dichte der Versorgungsstrukturen sehr gut. Es wird auch laufend besser. Es ist noch nicht optimal, das muss man fairerweise sagen. Es ist noch nicht so, dass wirklich alle Ordinationen barrierefrei sind. Das haben wir noch nicht geschafft, da werden wir noch ein bisschen brauchen.
Ich gehe davon aus, dass das ein Ziel ist, das wir uns schon setzen, das aber noch in der Umsetzung brauchen wird, bis diese ältere Generation, die halt unter anderen Bedingungen die Ordination aufgemacht hat, in Pension geht. Aber die Versorgung hat sich verbessert, aber ich gestehe zu, es gibt natürlich immer wieder noch Optimierungsbedarf.
Und wir sind auch sehr sensibel und schauen auch, wenn es Beschwerden gibt von Patientinnen und Patienten mit Behinderung, die sagen, diese oder jene Einrichtung war für mich nicht zugänglich oder schwer zugänglich oder wie auch immer, was immer das persönliche Bedürfnis war, dass wir da entsprechend helfen.
Wir haben auch einen Patientenombudsmann installiert vor einiger Zeit in der Ärztekammer, den ehemaligen Obmann der Wiener Gebietskrankenkasse, also eh eine völlig unabhängige Persönlichkeit, der uns auch berät, uns auch hilft, wo sich Patienten auch hinwenden können, wenn sie ein Problem haben. Und da wenden sich natürlich auch Menschen mit Einschränkungen hin, die sagen, ich konnte dort und dort nicht hingehen.
Und dann reden wir mit den Ärzten und schauen, was wir machen können, und schauen, wie wir dieses Problem beheben können. In der Realität, muss ich sagen, sind immer alle willig, es zu lösen versuchen.
Es geht halt nicht immer, weil gewisse Einschränkungen baulicherseits da sind, aber ich merke immer wieder auch in Diskussionen mit Ärzten, dass das Verständnis und die Nachvollziehbarkeit der Wünsche der Patienten extrem hoch ist.
[Überleitungsmusik]Katharina Müllebner: Husten, Schnupfen, oder auch Bauchweh. Das sind Dinge, die wohl jeden einmal betreffen. Gregor Steininger, Peerberater und Student, er ist wie jeder andere wohl auch froh, wenn er keinen Arzt braucht. Wir haben mit dem Rollstuhlfahrer über seine Erfahrungen bei Arztbesuchen gesprochen.
Herr Steininger,was brauchen Sie für einen barrierefreien Arztbesuch?
Gregor Steininger: Ja, ein barrierefreier Arztbesuch, ich glaube, niemand geht ja wahnsinnig gerne zum Arzt, dann ist immer in diesem Fall dann die Recherche eigentlich sehr wichtig.
Also neben dem, dass es die geeignete Krankenkasse sein muss, natürlich ein geeigneter barrierefreier Arzt, der auch noch Patientinnen und Patienten aufnimmt, neue.
Und da ist die Recherche oftmals schon ganz ein wichtiger Teil, dass man sich da bei diversen Webseiten und Plattformen, DocFinder oder Arzt -barrierefrei, dass man sich da schlau macht, kundig macht. Ja, dass das dann den Anforderungen entspricht. Dass da ein Treppenlift oder überhaupt ein normaler Lift vorhanden ist, dass die Türbreite passt. Oft sind Dinge wie eine absenkbare Liege notwendig.
All das sind Anforderungen, auf die ich oder Menschen mit Behinderung im Allgemeinen achten sollen.
Natürlich, die barrierefreie Toilette ist natürlich auch ein wichtiges Wahlkriterium für mich bei der Suche nach dem geeigneten Arzt, dass man dort einfach auch auf die Toilette gehen kann. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber oft noch Mangelware.
Katharina Müllebner: Ist es eigentlich schwierig für Sie, einen Arzt oder eine Ärztin nach Ihren Bedürfnissen zu finden?
Gregor Steininger: Ja, es wird immer schwieriger. Dass diese Kriterien einfach erfüllt sind, ja. Natürlich spielt auch die Sympathie eine wichtige Rolle, dass ein Vertrauensverhältnis da ist und man sich gut aufgehoben fühlt. Und dass man vor allem nicht fünf Stunden im Arztzimmer sitzt.
Auch da gibt es Bewertungen anderer Patienten und Patientinnen, die ich mir dann immer wieder vorher ansehe und das macht das Ganze natürlich nicht einfach.
Katharina Müllebner: Wo ist es einfacher eine barrierefreie Arztpraxis zu finden, bei Allgemeinmedizinern oder bei Fachärzten?
Gregor Steininger: Puh, ja, das ist eine schwierige Frage. Das kann man natürlich jetzt auch nicht so pauschal in einen Topf werfen oder über einen Kamm scheren. Oftmals fühle ich mich als Rollstuhlfahrer sehr gut aufgehoben. Ich habe da zum Beispiel eine sehr gute praktische Ärztin, die da sehr viel Fachwissen und Kompetenz mitbringt.
Es ist mir aber auch schon des Öfteren passiert, dass Ärzte und Ärztinnen nicht genügend über die Bedürfnisse und Besonderheiten von Menschen mit Behinderungen wissen. Wo man sich denkt, eigentlich sollten die auch einmal Medizin studiert haben, eigentlich sollte man das wissen.
Ich möchte da zwei kleine Beispiele anführen. Einmal wurde ich von einem praktischen Arzt, früher war das, gefragt, na ja, spastische Diplegie, spüren Sie da Ihre Beine? Sage ich, ja, ich habe keine Querschnittlähmung, ich habe nur eine Spastik. Das habe ich schon sehr interessant gefunden.
Das Zweite war eigentlich noch gar nicht so lange aus, wo ich geröntgt wurde und mir den Fuß gebrochen habe und dann der Arzt auf mein Knie draufgedrückt hat, weil er fürs Röntgen sozusagen eine Streckung, eine volle Streckung im Knie gebraucht hat und mir das sehr weh getan hat und dann hat der Arzt gesagt, habe ich gesagt, ich kann nicht ganz durchstrecken, ich habe keine hundertprozentige Streckung im Knie.
Da hat der Arzt aber gesagt, wir brauchen aber eine. Sage ich, ja, da können Sie sich draufsetzen und wir werden keine hundertprozentige Streckung zusammenkriegen und ich habe geschrien wie am Spieß. Das fand ich sehr kontraproduktiv und eigentlich auch nicht sehr einfühlsam. Und da hat der Arzt nicht mit Fachwissen geglänzt, leider.
Katharina Müllebner: Haben Sie den Eindruck, dass Ärztinnen und Ärzte mit dem Thema Behinderung gut umgehen können?
Gregor Steininger: Also Unsicherheiten, auch Berührungsängste sind zweifelsohne mal mehr, mal weniger vorhanden. Das merke ich auf jeden Fall.
Es gibt dann natürlich auch, so, wenn ich das jetzt einmal ganz so salopp formulieren darf, ist mir immer wieder auch passiert, die Götter in Weiß, die alles wissen, die alles kennen, die keinerlei Schilderungen und Erfahrungsberichte brauchen, sich aber anstellen, als gäbe es kein Morgen mehr. Also es ist mitunter sehr durchmischt und abenteuerlich.
Grundsätzlich bin ich sehr oft auch mit der Arztwahl und mit der Arztbehandlung zufrieden, sodass ich auch sehr froh bin, ein so solides Gesundheitssystem in Österreich zu haben.
Katharina Müllebner: Was macht für Sie einen guten Arztbesuch aus? Wann fühlen Sie sich gut aufgehoben?
Gregor Steininger: Wenn eben die barrierefreie Arztpraxis gegeben ist, auch eine Toilette vorhanden ist. Das sind einmal so Kleinigkeiten.
Dann die Wartezeit sich in einem Rahmen befindet, also sage ich mal so von einer halben Stunde, ich glaube, kann man ganz gut warten. Wenn eine saubere und freundliche Atmosphäre im Wartezimmer herrscht, eine Willkommenskultur vorhanden ist. Das merkt man oft sehr schnell. Dann, bei der Ordinationsassistentin oder Sprechstundenhelferin, Sprechstundenhelfer, wenn einem da einfach jemand freundlich gegenübersitzt. Auch das variiert wahnsinnig.
Und dann schließlich der Arztbesuch, wo ich das Gefühl habe, dass sich der Arzt, die Ärztin genügend Zeit für meine Fragen nimmt, dass da genügend Raum ist und dass keine Hektik herrscht.
Und wenn ich dann sozusagen rausgehe und das Gefühl habe, ich habe jetzt einen guten Fahrplan, wo einfach auch genügend Raum und Zeit für meine offenen Fragen waren. Weil für Ärzte ist es oft selbstverständlich, die wissen das eh und dann gibt es oft so die Situation, wo Ärzte dann schon die Augen verrollen und ja, dass ich noch was frage. Ich bin da eh sehr hartnäckig, aber das ist halt oft dann mühsam, wenn man das Gefühl hat, man fällt einem lästig.
[Überleitungsmusik]Katharina Müllebner: Das war „Barrierefrei gesund“ aus der BIZEPS-Sendereihe „barrierefrei aufgerollt“.
Alle Informationen zu dieser Sendung finden Sie auf www.barrierefrei-aufgerollt.at.
Sie hörten diese Sendung auf Radio ORANGE 94.0.
Bis zum nächsten Mal! Ihr Redaktionsteam: Katharina Müllebner, Martin Ladstätter und Markus Ladstätter
[Musik barrierefrei aufgerollt] Musik mit Text: barrierefrei aufgerollt – kurz, kompakt und leicht verständlich