In der Sendung „Menschenrechte im Blick“ geben wir einen Einblick in die Arbeit der Volksanwaltschaft.
Ob Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen, Gefängnisse, Pflegeheime, Polizeianhaltestellen: Überall dort, wo es ein Risiko für Menschenrechtsverletzungen gibt, oder vielleicht auch tatsächlich Menschenrechtsverletzungen passieren, hat die Volksanwalt ein Auge darauf. Immer wieder werden im Zuge ihrer jährlichen Berichtserstattung und ihrer Arbeit Missstände in den verschiedenen Bereichen aufgedeckt.
Wie arbeiten die Volksanwälte? Was macht der Menschenrechtsbeirat und welche Aufgaben haben die Kommissionen?
Die Radiosendung zum Nachhören
Hier kannst Du die ganze Sendung anhören:
Hier findest Du die Sendung zum Nachlesen.
Unsere Interviewpartner
- Günther Kräuter, einer der drei Volksanwälte
- Silvia Oechsner, Juristin und Mitglied des Menschenrechtsbeirats
- Monika Schmerold, Mitglied der Kommission 2 Salzburg und Oberösterreich der Volksanwaltschaft.
Wie arbeitet die Volksanwaltschaft?
Wie die Volksanwaltschaft organisiert ist und was sie macht, kannst Du hier nachlesen.
Die Sendung im Radio hören
Die Sendung „Menschenrechte im Blick – Das ist die Volksanwaltschaft“ wurde auf Radio ORANGE 94.0 am 3. Juni 2018 um 10:30 Uhr gesendet. Die Sendung konnte auch auf o94.at live gehört werden. Am 17. Juni 2018 um 10:30 Uhr wurde sie auf Radio ORANGE 94.0 wiederholt.
Sendung zum Nachlesen
[Musik barrierefrei aufgerollt] Musik mit Text: barrierefrei aufgerollt – kurz, kompakt und leicht verständlich
Katharina Müllebner: Willkommen bei „Menschenrechte im Blick – Das ist die Volksanwaltschaft“ von barrierefrei aufgerollt bei Radio ORANGE 94.0. Am Mikrofon begrüßt Sie Katharina Müllebner.
Ob Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen, Pflegeheime, Gefängnisse oder Polizeianhaltestellen, überall dort, wo das Risiko besteht, dass es zu Menschenrechtsverletzungen kommt oder vielleicht tatsächlich Menschenrechtsverletzungen passieren, hat die Volksanwalt ein Auge darauf.
In ihrer Arbeit und in ihren jährlichen Berichten deckt die Volksanwaltschaft Missstände in Einrichtungen auf. Dies zeigt, wie wichtig die Arbeit der Volksanwaltschaft ist. Die Volksanwaltschaft ist eine unbahängige Kontrolleinrichtungen.
Ihre Aufgaben sind die in der Bundesverfassung und dem Volksanwaltschaftsgesetz festgelegt.
Wir von barrierefrei aufgerollt haben uns deshalb genauer mit der Arbeit der Volksanwaltschaft, des Menschenrechtsbeirates und der Kommissionen beschäftigt.
[Überleitungsmusik]Katharina Müllebner: Seit 1. Juli 2013 ist Günther Kräuter einer der drei Volksanwälte. Zu seinem Aufgabenbereich zählen unter anderem Menschen mit Behinderungen, Jugend und Soziales. Aber darüber wird er uns jetzt am Besten selbst erzählen.
Warum wollten Sie ein Volksanwalt werden?
Günther Kräuter: Ich habe mich schon als Politiker immer mit Kontrollthemen beschäftigt, war viele Jahre im Nationalrat Rechnungshof-Sprecher und so war es für mich sehr reizvoll, als Volksanwalt tätig zu sein.
Katharina Müllebner: Was macht jetzt so ein Volksanwalt? Was ist zum Beispiel Ihr Aufgabenbereich?
Günther Kräuter: Wir bearbeiten Beschwerden, die aus ganz Österreich an die Volksanwaltschaft herangetragen werden. Ich bin zuständig für Soziales, Gesundheit, Menschen mit Behinderung, aber auch Kinder und Jugendliche und einige Themen mehr. Also ein sehr umfangreiches Gebiet.
Katharina Müllebner: Was sind im Einzelnen die Aufgabenbereiche mit denen sich die Volksanwaltschaft beschäftigt?
Günther Kräuter: Einerseits behandeln wir Beschwerden. Wir empfangen pro Jahr rund 20.000 Individualbeschwerden, also Beschwerden von einzelnen Bürgerinnen und Bürgern pro Jahr.
Zweitens besuchen Expertenkommissionen der Volksanwaltschaft Einrichtungen, wo Menschen untergebracht sind. Das können Alten- und Pflegeheime sein, Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen, aber auch die Psychiatrie beispielsweise oder auch Gefängnisse.
Und ich leite auch eine Kommission, die sich mit Heimopfern beschäftigt, Menschen, die vor Jahrzehnten in Heimen und in Institutionen misshandelt worden sind, Gewalt erlebt haben, die haben nun Anspruch auf eine Rente. Und mit Expertinnen oder Experten gemeinsam entscheiden wir, ob eine Antragstellung gerechtfertigt ist.
Katharina Müllebner: Ich als Bürgerin oder Bürger, in welchem Fall kann ich mich jetzt an die Volksanwaltschaft wenden?
Günther Kräuter: Immer dann, wenn man sich von der Verwaltung ungerecht behandelt fühlt. Nicht an die Volksanwaltschaft wenden kann man sich natürlich beispielsweise mit Urteilen.
Wenn Gerichte entschieden haben, dann können die Volksanwälte das nicht prüfen. Oder wenn es um reine private Auseinandersetzungen geht, wenn sich beispielsweise Nachbarn um irgendetwas streiten.
Aber wenn bei den Sozialversicherungen beispielsweise, bei der Unfallversicherung, bei einer Gewerbebehörde, bei Gemeinden oder sonst in der staatlichen Verwaltung vermutete Misstände vorliegen, können Bürgerinnen und Bürger sich an die Volksanwaltschaft wenden.
Katharina Müllebner: Jetzt würde mich noch vertiefend interessieren, wie entscheiden Sie, welchen Fall Sie auswählen. Gibt es da Kriterien?
Günther Kräuter: Sobald wir formal zuständig sind und es sich um die Verwaltung handelt, überprüfen wir den Fall natürlich beziehungsweise haben die Bürgerinnen und Bürger sogar ein Recht darauf, dass wir der Sache auf den Grund gehen.
Wir wenden uns dann schriftlich an die Behörde, sei es jetzt ein Ministerium oder eine Landesregierung oder der Hauptverband der Sozialversicherung beispielsweise und stellen Fragen zu der Beschwerde. Wir erhalten dann binnen sechs Wochen in den allermeisten Fällen eine Antwort und können sehr oft Bürgerinnen und Bürgern helfen.
Es stellt sich dann heraus, insgesamt, statistisch, dass so rund 16, 17 Prozent dieser Prüffälle dann ein Missstand in der Verwaltung sind. Erfreulicherweise beheben die Behörden regelmäßig den Missstand sehr rasch.
Katharina Müllebner: Es gibt jetzt eine Beschwerde von einem Bürger, einer Bürgerin oder auch aus einem Heim. Was ist jetzt die Handlungsweise nach so einer Beschwerde?
Günther Kräuter: Manchmal bekommen wir auch anonyme Beschwerden, über ein Pflegeheim beispielsweise. Diese Eingaben leiten wir dann an die zuständige Expertenkommission weiter, die dann unangemeldet diese Einrichtung besucht.
Das ist eine sehr wichtige Tätigkeit der Volksanwaltschaft, denn diese Kommissionen haben weitreichende Rechte. Sie können in Dokumente Einsicht nehmen, können auch vertrauliche Gespräche mit Bewohnerinnen und Bewohnern, Patientinnen und Patienten führen und erstatten dann mit einem Protokoll der Volksanwaltschaft Bericht.
Wir versuchen dann, strukturelle Mängel, also grundsätzliche Probleme in den Einrichtungen mit den zuständigen Stellen zu thematisieren und zu Lösungen beizutragen.
Katharina Müllebner: Es gibt ja die Volksanwaltschaft, dann gibt es aber noch den Menschenrechtsbeirat der Volksanwaltschaft und die sechs Prüfkommissionen. Wie arbeiten jetzt diese Bereiche zusammen oder wie hängen die zusammen?
Günther Kräuter: Wir arbeiten regelmäßig und intensiv in Angelegenheiten zusammen, die im weitesten Sinn Menschenrechte und den Schutz von Menschenwürde betreffen.
Die Besuchskommissionen sind vor Ort, sie gehen in die Einrichtungen, auch in sogenannte Werkstätten, wo Menschen mit Behinderungen beschäftigt sind, in Alten- und Pflegeheime, in die Psychiatrie und auch in Gefängnisse beispielsweise. Berichten dann der Volksanwaltschaft.
Wenn wir grundsätzliche Fragen klären möchten, beispielsweise die leidige Frage des Taschengeldes für Menschen mit Behinderungen in Einrichtungen, dann ersuchen wir den Menschenrechtsbeirat um Unterstützung. Hier war der Menschenrechtsbeirat für uns sehr, sehr hilfreich, denn er hat klar festgestellt, dass diese Situation mit dem Taschengeld nicht haltbar sein darf und in manchen Fällen sogar zu einer Ausbeutung von den Menschen, die in diesen Tageswerkstätten arbeiten, führen kann.
Katharina Müllebner: Wenn jetzt im Zuge so einer Überprüfung ein wirklich schlimmer Missstand festgestellt wird, wenn zum Beispiel Gewalt oder Vernachlässigung von Heimbewohnern festgestellt wird. Gibt es da eigentlich Möglichkeiten sofort Hilfe zu leisten?
Günther Kräuter: Vereinzelt kommt es leider vor, dass wir in Einrichtungen sehr, sehr schlimme Situationen vorfinden. Manchmal in Alten- und Pflegeheimen, manchmal in Einrichtungen für Kinder und Jugendliche. Da muss natürlich sofort eingegriffen werden und es kann schon vorkommen, dass auch Einrichtungen unmittelbar geschlossen werden.
Sind die Vorkommnisse zwar kritikwürdig und gibt es Mängel und Defizite, aber es ist nicht eine sofortige Schließung erforderlich, so gibt es eine Schlussbesprechung mit den Kommissionen und dringende Mängel werden gleich abgestellt und wir versuchen aber dann auch, wenn es um Strukturen und Prinzipielles geht, mit den zuständigen Stellen eine Verbesserung zu erreichen.
Beispielsweise fehlt sehr oft qualifiziertes Personal in Einrichtungen wo Menschen betreut werden und da wenden wir uns dann an die zuständige Landesregierung – das ist in den allermeisten Fällen Landessache- um einen besseren Personalschlüssel zu erreichen.
Katharina Müllebner: Sie sind ja ein Experte in diesem Bereich – also im menschenrechtlichen Bereich – wie beurteilen Sie eigentlich Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen aus menschenrechtlicher Sicht?
Günther Kräuter: Das größte Problem, das wir vorfinden, ist fehlende Beschäftigung, Hilfe zur Selbsthilfe, fehlende Inklusion. Das sind die Themenbereiche, die uns besonders auffallen, dass Menschen mit Behinderungen sehr oft kein selbstbestimmtes Leben in dem Ausmaß, wie das wünschenswert wäre, ermöglicht wird. Sehr oft sind finanzielle Hintergründe die Ursache, weil es eben zu wenig Möglichkeiten, zu wenig Personal gibt.
Wir wollen nicht, dass Menschen mit Behinderungen isoliert leben, oft am selben Ort leben und arbeiten und die Einrichtung praktisch nicht verlassen. Da sind wir sehr, sehr kritisch. Es muss ja im Interesse der Inklusion ein möglichst breites Angebot vorhanden sein.
[Überleitungsmusik]Katharina Müllebner: Die Juristin Silvia Oechsner hat in der Rechtsabteilung der Oberösterreichischen Gesundheits- und Spitals-AG gearbeitet. Jetzt ist sie Mitglied im Menschenrechtsbeirat der Volksanwaltschaft.
Was ist der Menschenrechtsbeirat der Volksanwaltschaft?
Silvia Oechsner: Der Menschenrechtsbeirat hat 16 Mitglieder und 16 Stellvertreter. Davon kommen sieben aus den Ministerien, acht von Vereinen. Das ist eben die Selbstbestimmt-Leben-Initiative, die Volkshilfe, die Caritas, Pro Mente, Amnesty International, der Verein Neustart. Das sind verschiedene Vereine und ein Mitglied vertritt dann auch noch die Bundesländer.
Der Menschenrechtsbeirat ist ein beratendes Gremium, er berät die Volksanwaltschaft in Fragen der Menschenrechte, weil die Volksanwaltschaft ist dazu aufgefordert, Einrichtungen im Behindertenbereich und Einrichtungen, wo Menschen gegen ihren Willen gefangen genommen oder angehalten werden, zu überprüfen.
Bei dieser Überprüfung muss die Volksanwaltschaft vor allem darauf achten, dass die Menschenrechte gewahrt sind. Da gibt es dann öfter Fragestellungen, ob Menschenrechte wirklich eingehalten werden, wie man bestimmte Sachen umsetzen muss, wie man manche Sachen auslegen muss. Und da fragt dann die Volksanwaltschaft den Menschenrechtsbeirat um Rat.
Katharina Müllebner: Sie haben jetzt den Begriff Gremium verwendet. Könnten Sie erklärenen was ein Gremium ist?
Silvia Oechsner : Ein Gremium, das ist eine Anzahl von Leuten, die sich zu einem bestimmten Zweck zusammensetzen und die können verschiedene Aufgaben haben. Ein Gremium kann dafür da sein, dass man Sachen entscheidet.
Dass zum Beispiel so ein Gremium entscheidet, wir gehen in die Behinderteneinrichtung A. Das ist dann ein Gremium, das entscheidet.
Oder es gibt ein Gremium, das nur berät. Und das ist dann ein Gremium, wo man dann Fragen stellen kann und das Gremium überlegt, wie man das beantworten kann und macht dann eine Antwort.
Katharina Müllebner: Was sind jetzt im Einzelnen die Aufgaben dieses Beirates? Wie arbeitet der? Vielleicht fällt ihnen ja ein Beispiel ein.
Silvia Oechsner : Die erste Aufgabe ist, die Volksanwaltschaft kann konkrete Fragen stellen an den Menschenrechtsbeirat. Zum Beispiel kann eine Frage sein, wie ist das mit der Sexualität von behinderten Menschen in Einrichtungen? Haben die ein Recht darauf, dass sie zusammenwohnen können, dass sie ein Einzelzimmer haben, dass sie Beratung haben.
Diese Frage wird dann gestellt und der Menschenrechtsbeirat macht meistens dann eine Arbeitsgruppe und macht dann ein Papier dazu, wo er dazu Stellung nimmt. Das ist so die hauptsächliche … die eine Aufgabe.
Es gibt aber dann noch andere Aufgaben auch des Menschenrechtsbeirates. Die Volksanwaltschaft hat auch Kommissionen eingesetzt. Diese Kommissionen gehen in die Behinderteneinrichtungen oder dorthin wo Menschen angehalten werden. Das sind Gefängnisse, in Polizeianhaltezentren, in Krankenhäusern, die psychische kranke Menschen betreuen, in Pflegeheime. Diese Kommissionen setzen sich Prüfschwerpunkte. Die prüfen zum Beispiel, um mal einen anderen Bereich zu nennen, in Gefängnissen, ob die Gefängnisinsassen genügend Ausgangsfreiheit haben, ob die auch mal in den Garten gehen dürfen.
Diese Prüfschwerpunkte der Kommissionen da kann der Menschenrechtsbeirat mitreden und sagen, ich möchte, dass ihr bei den Behinderteneinrichtungen bevorzugt prüft, ob die Medikamente, die Medikamentengebarung passt, weil wir glauben, das ist ein wichtiges menschenrechtliches Thema, wenn jemand zu Unrecht nur medikamentös ruhiggestellt wird. Der Menschenrechtsbeirat kann den Kommissionen Prüfschwerpunkte vorgeben. Das ist auch eine wichtige Aufgabe des Menschenrechtsbeirates.
Und dann die letzte Aufgabe: Diese Kommissionen, die stellen natürlich Missstände auch manchmal fest. Aufgrund dieser Missstände können Empfehlungen oder auch Missstandsfeststellungen, wo dann wirklich gesagt wird, das muss anders gemacht werden, an die Ministerien oder an die Landesregierungen gemacht werden.
Und bevor eine solche Feststellung, Missstandsfeststellung oder eine Empfehlung an ein Ministerium gemacht wird, wird immer der Menschenrechtsbeirat noch eingebunden und gefragt, haben wir eh alles berücksichtigt und kann das so an das Ministerium weiter gehen?
Katharina Müllebner: Wird eigentlich das, was der Menschenrechtsbeirat sagt, immer befolgt?
Silvia Oechsner : Ich bin ja erst seit 2012 im Menschenrechtsbeirat und ich habe Empfehlungen gelesen aus 2013. Da wird zum Beispiel empfohlen, dass Menschen in geschützten Werkstätten einen gerechten Lohn haben sollen und sozialversicherungsrechtlich abgesichert sein sollen. Und das ist bis heute nicht umgesetzt.
Das ist auch etwas, das eigentlich die Behindertenrechtskonvention vorschreibt, aber Empfehlung heißt halt immer, es wird im Ministerium empfohlen, die können das machen oder auch nicht. Es gibt keine Handhabe, das durchzusetzen.
Aber es ist halt so, wenn der Volksanwalt da mit dem Thema in die Medien geht. Das kann nur der Volksanwalt und es gibt natürlich Themen, da hat der Volksanwalt das gemacht. Und das erzeugt dann schon oft großen politischen Druck, wenn die Zeitungen darauf aufspringen.
[Überleitungsmusik]Katharina Müllebner: Monika Schmerold ist Obfrau vom Verein knack:punkt, Selbstbestimmt Leben Salzburg und stellvertretende Obfrau von Selbstbestimmt Leben Österreich. Bei uns ist sie jetzt in ihrer Funktion als Mitglied der Kommission 2 Salzburg und Oberösterreich, einer Kommission der Volksanwaltschaft.
Was machen jetzt die sechs Kommissionen der Volksanwaltschaft?
Monika Schmerold: Die Besuchskommissionen der Volksanwaltschaft überprüfen Einrichtungen, in denen Menschen festgehalten werden, ob die menschenrechtlichen Bedingungen dort eingehalten werden.
Katharina Müllebner: Was heißt das jetzt, Einrichtungen in denen Menschen festgehalten werden? Können Sie dafür Beispiele nennen?
Monika Schmerold: Die Besuchskommissionen besuchen Einrichtungen der Behindertenhilfe, Werkstätten, Seniorenheime, Justizanstalten, Flüchtlingsheime. Also überall dort, wo Menschen festgehalten werden und wo es wichtig ist zu schauen, ob die menschenrechtlichen Standards eingehalten werden.
Katharina Müllebner: Was wird jetzt eigentlich genau überprüft und besucht?
Monika Schmerold: Kontrolliert wird wie die Aufenthaltsbedingungen der Menschen sind. Gibt es freiheitsbeschränkende Maßnahmen in Form von Festhalten oder Festschnallen? Das sind so die spezifischen Dinge. Es wird aber genauso überprüft, wie ist es den Personen möglich das Haus zu verlassen. Gibt es versperrte Türen oder gibt es andere Dinge, die jetzt menschenrechtlich nicht vertretbar sind.
Katharina Müllebner: Wenn Sie zum Beispiel in so eine Einrichtung für Menschen mit Behinderungen fahren: Wie kann man sich den Ablauf eines solchen Besuches vorstellen?
Monika Schmerold: Die Kommissionen machen das jede Kommission für sich. In der Kommission 2, in der ich tätig bin, ist es so, dass wir einen Besuchsplan haben, den wir vierteljährlich festlegen. Der Kommissionsleiter bestimmt, welche Einrichtung besucht wird. Alle Teilnehmer/-innen der Kommission treffen sich vorab an einem Treffpunkt und es gibt eine Vorbesprechung, eine kurze.
Es wird festgelegt, welche Einrichtung ist es, welche spezifischen Fragen stellen wir dort, wie schaut die Einrichtung aus? Wie viele Personen wohnen dort? Wie viele Mitarbeiter gibt es dort? Was steht auf der Homepage?
Und nach dieser kurzen Vorbesprechung – dauert meistens eine Stunde – gehen wir geschlossen in die Einrichtung und es ist immer ein Überraschungsbesuch, also wir werden nicht angekündigt.
Katharina Müllebner: Und wenn Sie jetzt dort in dieser Einrichtung angekommen sind. Wie gehen Sie dann vor?
Monika Schmerold: Es gibt zuerst ein Eingangsgespräch mit der Einrichtungsleitung, sofern sie an diesem Tag Dienst hat, sonst mit der Stellvertretung und in diesem Einstiegsgespräch erklären wir unser Mandat. Und nach dieser Erklärung bewegen wir uns durch das Haus. Ein Teil unterhält sich mit Bewohner/-innen, ein Teil unterhält sich mit Mitarbeiter/-innen, wieder ein anderer Teil sichtet Dokumentationen und überprüft, ob es Auffälligkeiten gibt.
Katharina Müllebner: Sie haben jetzt den Begriff Mandat verwendet, können Sie erklären, was das heißt?
Monika Schmerold: Mandat heißt, in welchem Auftrag wir kommen und wie das gerechtfertigt ist. Das heißt, was dürfen wir in der Einrichtung tun und grundsätzlich ist es so, wir dürfen in Einrichtungen alles anschauen, was uns wichtig erscheint.
Katharina Müllebner: Wie oft finden jetzt eigentlich solche Kontrollen statt?
Monika Schmerold: Die Kontrollen finden ganz unregelmäßig statt. Manchmal gibt es Kontrollen aufgrund von Hinweisen. Und dann gibt es auch Besuche, die werden aber genauso wenig angekündigt und die Menschen in den Einrichtungen erfahren nicht, ob wir Hinweise bekommen haben oder nicht.
Katharina Müllebner: Wie kann man eigentlich sicherstellen, dass man bei einem solchen Kontrollbesuch auf Missstände draufkommt, dass einem alles gesagt wird. Das einem nichts verschwiegen wird oder etwas besser dargestellt wie es eigentlich ist.
Monika Schmerold: Wir versuchen das bestmöglichst, indem wir natürlich die Dokumentationen überprüfen und Auffälligkeiten dann hinterfragen bei den betroffenen Personen. Wir machen das sehr vorsichtig und sehr respektvoll. Wir versuchen uns dann ein Gesamtbild zu machen, besprechen das auch intern noch in unserer Gruppe, ob es Auffälligkeiten gibt. Zu 100 Prozent verhindern kann man es nie, dass es doch irgendwelche Sachen gibt, die verschwiegen werden.
Katharina Müllebner: Wenn Sie in Institutionen gehen, seine das jetzt Heime oder Gefängnisse. Haben Sie den Eindruck, dass Sie die Menschen, mit denen sie sprechen wirklich offen mit ihnen sprechen, dass sie zum Beispiel auch über Dinge reden können, die nicht so toll laufen?
Monika Schmerold: Die Angst ist teilweise sehr groß, aber wir versuchen natürlich den Personen diese zu nehmen, indem wir erklären, dass wir alles vertraulich behandeln und es wird auch an die Betreuer/-innen nichts weitergegeben. Das ist immer die größte Angst, dass an die Betreuer/-innen Inhalte weitergegeben werden, weil eigentlich möchten sie ja als folgsam dastehen und sich nicht beschweren über die Situation, in der sie sich befinden.
Katharina Müllebner: Sie sagten, Sie möchten als folgsam dastehen, ist es etwas, dass sie häufiger erleben, dass sie das Gefühl haben, die Leute müssen sich möglichst angepasst verhalten?
Monika Schmerold: Ich habe ein Erlebnis besonders in Erinnerung. Als ich in einem Seniorenheim war und ich habe dort eine Person mit Behinderung vorgefunden, die schon Jahre in der Einrichtung war, also im Seniorenheim und zu der Zeit, als ich sie getroffen habe, war die Person 40 Jahre alt. Und ich wollte mit ihr sprechen, so als Peer-Person, von Betroffene zu Betroffene. Und man gemerkt, dass sie schon sozialisiert ist in diesem Bereich und sich so angepasst hat in diesem Seniorenheim, mit 40 Jahren, so jung da drinnen zu wohnen, dass sie nicht mit mir sprechen wollte.
Ich wollte eigentlich herausfinden, wie es ihr dort geht und ob sie sich auch vorstellen könnte, woanders zu leben. Sie hat das komplett abgewehrt und wollte nicht mit mir sprechen und das hat mich irgendwo traurig gemacht.
Katharina Müllebner: Wie sehen Sie eigentlich aus menschenrechtlicher Sicht Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen?
Monika Schmerold: Grundsätzlich sind die Einrichtungen, die ich kenne oder die ich besucht habe, meiner Ansicht nach viel zu groß. Es ist, sind nicht klein und nicht so wie man sich vorstellt, dass man im Familienverbund wohnt und von Inklusion brauchen wir da gar nicht sprechen, weil wenn es Inklusion geben würde, dann wären da nicht nur Menschen mit Behinderungen in den Einrichtungen, sondern es wäre gemischt und vor allem auch dezentralisiert.
[Überleitungsmusik]Katharina Müllebner: Jetzt ist unser Einblick in die Arbeit der Volksanwaltschaft, des Menschenrechtsbeirates und der Kommissionen zu Ende. Eine Arbeit, die auch nahe gehen kann und die kritische Menschen erfordert, die Augen und Ohren offenhalten und auch bei unangenehmen Dingen nicht wegsehen.
Katharina Müllebner:
Das war „Menschenrechte im Blick – Das ist die Volksanwaltschaft“ aus der BIZEPS-Sendereihe „barrierefrei aufgerollt“.
Sie hörten diese Sendung auf Radio ORANGE 94.0.
Alle Informationen zu dieser Sendung finden Sie auf www.barrierefrei-aufgerollt.at.
Bis zum nächsten Mal! Ihr Redaktion: Katharina Müllebner, Martin Ladstätter und Markus Ladstätter
[Musik barrierefrei aufgerollt] Musik mit Text: barrierefrei aufgerollt – kurz, kompakt und leicht verständlich
Wertvolle Informationen.
Sehr guter Artikel!
Danke an Hrn.Kräuter für die tolle barrierefreie Sprache!!