Fußball ist für viele Menschen mehr als nur ein Spiel. Dabei geht es um Mannschaftsgeist, Niederlagen und Siege. In der 10. Sendung von „barrierefrei aufgerollt“ geht es um das Thema Fußball. Wir wollten zum Beispiel wissen, wie Fußball mit einem Elektrorollstuhl funktioniert oder wie man Fußball spielt, wenn man weder den Ball noch das Tor sehen kann.
Die Radiosendung zum Nachhören
Hier kannst Du die ganze Sendung anhören:
Hier findest Du die Sendung zum Nachlesen.
Unsere Interviewpartner
- Jasna Puskaric: E-Rollstuhl-Fußballerin und Stürmerin für die Thunder E-agles
- Daniel Krnjeta: Kapitän des SK Rapid Special Needs-Teams
- Matias Costa: Fußballreferent im österreichischen Behindertensportverband
Mehr Informationen zu Fußball im Behindertensport
Die Informationsquelle rund um E-Rolli Fussball in Österreich ist www.erollifussball.at. Dort findet man alle Termine und Neuigkeiten zum Sport in Österreich.
Auf mehralsfussball.at gibt es Informationen zu verschiedenen Möglichkeiten für behinderte Menschen Fußball spielen zu können. Egal ob man ein amputiertes Bein hat, blind oder gehörlos ist. Das Angebot ist groß.
Der Österreichische Behindertensportverband (ÖBSV) ist die Dachorganisation aller Behindertensportvereine und Behindertensportverbände in Österreich.
Die Sendung im Radio hören
Diese Sendung wurde auf Radio ORANGE 94.0 am 4. März 2018 um 10:30 Uhr gesendet. Die Sendung kann auch auf o94.at live gehört werden. Am 18. März 2018 um 10:30 Uhr wurde sie auf Radio ORANGE 94.0 wiederholt.
Sendung zum Nachlesen
Musik mit Text: barrierefrei aufgerollt – kurz, kompakt und leicht verständlich
[Zu Anfang hören man Jubel und Anfeuerungslaute. Die heutige Sendung ist unterlegt mit leisen Fußballstadiongeräuschen.]Katharina Müllebner: Tore, Niederlagen, Abseits, Fouls, Mannschaften, Rivalitäten und Jubel. Das alles und noch viel mehr ist Fußball.
Diesen Monat steht bei barrierefrei aufgerollt alles im Zeichen des runden Leders. Doch wussten Sie, dass man Fußball auch mit dem E-Rollstuhl spielen kann? Wie spielt man Fußball, wenn man weder das Tor noch den Ball richtig sehen kann? Oder schlägt ihr Herz etwa für die Männer in grün-weiß?
Dann sollten Sie heute bei unserer Sendung „Tor! – Wir spielen Fußball!“ sehr gut zuhören.
[Überleitungsmusik]Herzlich Willkommen zur heutigen Sendung von barrierefrei aufgerollt von BIZEPS – Zentrum für Selbstbestimmtes Leben. Vor dem Mikrofon begrüßt Sie heute Katharina Müllebner, für die Technik verantwortlich ist wie immer Markus Ladstätter.
[Überleitungsmusik]Katharina Müllebner: Jasna Puskaric ist Stürmerin bei den Thunder-Eagles. Doch das Wort Fußball ist hier eigentlich nicht ganz richtig, denn die Thunder-Eagles spielen Fußball mit ihren Elektrorollstühlen.
Katharina Müllebner: Wenn ich jetzt an Fußball denke, dann denke ich klassischerweise an einen Ball der mit den Füßen getreten wird. Man sagt ja auch „kicken“ dazu. Aber wie kann ich mir Fußball mit einem Elektrorollstuhl vorstellen?
Jasna Puskaric: Der große Unterschied ist natürlich, dass wir alle im Elektrorollstuhl sitzen, und alle eine wirklich schwere Behinderung haben. Dass wir in einem Kader eben maximal acht Personen sind, und maximal immer vier Personen auf dem Spielfeld von einem Team. Unser Tor sieht anders aus. Und, unser Ball mit dem wir spielen ist auch um einiges größer als der normale Fußball.
Ein großer Unterschied ist auch, dass wir den Ball natürlich nicht mit unseren Füßen treten und schießen können, sondern das mit dem Rollstuhl machen. Dafür haben wir auf dem Rollstuhl, vor den Füßen, ein Schutzgitter. Das ist extra angepasst für die Rollstühle. Und, mit diesem Gitter können wir den Ball antreiben und auch mit einem Drehschuss lenken und schießen.
Katharina Müllebner: Gibt es denn noch weitere Besonderheiten?
Jasna Puskaric: Unser Ball ist eben viel größer als ein normaler Fußball. Und, mit dem Gitter schießen wir den Ball. Dabei ist es aber notwendig, dass wir darauf schauen, dass der Ball nicht in die Höhe geht. Also, wenn der Ball höher als 50 Zentimeter vom Boden aufsteigt, wird das Spiel unterbrochen. Und, diese Regel gilt auch dem Schutz und der Sicherheit aller Spielerinnen.
Katharina Müllebner: Sie haben vorhin erwähnt, dass sie Fußball mit einem Schutzgitter vor den Füßen spielen. Das heißt, ist der Rollstuhl irgendwie anders als ein herkömmlicher Elektrorollstuhl?
Jasna Puskaric: Um E-Rolli Fußball spielen zu können, braucht man einen Elektrorollstuhl und man bekommt vor die Füße ein Fußgitter. Mit diesem Gitter sind, einerseits die Füße geschützt, und andererseits wird damit der Ball damit angetrieben und geschossen.
Katharina Müllebner: Für die Geschwindigkeitsjunkies: Unter uns… Wie schnell ist denn so ein Elektrorollstuhl?
Jasna Puskaric: Die Elektrorollstühle sind üblicherweise sechs Kilometer pro Stunde schnell, oder zehn Kilometer pro Stunde. Das hängt von dem Rollstuhl ab, den diejenige Spielerin hat. Üblicherweise spielt man auch mit dem eigenen Alltagsrollstuhl. So habe ich zum Beispiel begonnen.
Mit der Zeit merkt man aber, dass der Alltagsrollstuhl gewisse Beschränkungen hat, auch sehr schnell verschleißt, und deswegen haben einige von uns sich extra für das Spiel einen Sportrollstuhl zugelegt. Dieser Sportrollstuhl unterscheidet sich ein bisschen von einem Alltagsrollstuhl. Üblicherweise ist er wendiger und in den Bewegungen schneller. Insgesamt darf man aber nicht schneller als zehn Kilometer pro Stunde fahren.
Katharina Müllebner: Wie kann man sich als Zuhörer oder Zuhörerin so ein Spiel eigentlich vorstellen? Wie läuft das ab?
Jasna Puskaric: Üblicherweise gibt es eben zwei Teams, die gegeneinander spielen. Das bedeutet, man spielt mindestens zehn Minuten in einer Halbzeit, maximal zwanzig Minuten in einer Halbzeit. Die Länge hängt davon ab, was für eine Art von Turnier es zum Beispiel ist, und was man sich im Voraus ausgemacht hat.
Die zwei Teams, die gegeneinander spielen, haben insgesamt, also pro Team acht Spielerinnen in ihrem Kader. Auf dem Spielfeld stehen allerdings immer nur vier. Das heißt, eine Torfrau oder ein Tormann und drei auf dem Feld.
Üblicherweise gibt es eben eine Stürmerin, eine Person im Mittelfeld, und eine Person in der Verteidigung.
Katharina Müllebner: Wie ist es denn eigentlich mit dem Tor? Kann man sich das genauso vorstellen wie bei anderen Fußballspielen die wir aus dem Fernsehen kennen?
Jasna Puskaric: Unser Tor ist allerdings nicht so ein Gittertor, wie man das vom Fußgänger Fußball kennt, sondern das wird markiert durch zwei Stangen. Die Stangen sind sechs Meter voneinander entfernt, und die Torfrau oder der Tormann versucht mit dem Rollstuhl, mit der gesamten Länge des Rollstuhls quasi zu verhindern, dass der Ball ins Tor kommt. Und natürlich die Gegner, die anderen drei, versuchen den Ball durch gezielte Drehschüsse untereinander immer wieder hin und her zu passen und mit einem Schuss dann ins Tor hinein zu bekommen.
Katharina Müllebner: Handspiel, Abseits oder Fouls – das sind so die Klassiker die man beim herkömmlichen Fußballspiel nicht tun darf. Was sind so die Regeln des E-Rollifußballs? Was gibt es da für Verstöße oder Verbote?
Jasna Puskaric: Es gibt die zwei-gegen-eins Regel. Das bedeutet, im Umkreis von drei Metern, vom Ball entfernt, darf jeweils nur eine Spielerin von einem Team sein. Wenn eine zweite Spielerin des Teams dazukommt, dann ist das ein Foul. Man darf also nicht zu zweit jemanden anderen angreifen.
Katharina Müllebner: Wenn ich jetzt E-Rollifußball spielen möchte, was sollte ich da können oder was sollte ich da unbedingt mitbringen? Ist es eigentlich so, dass jeder Mensch, egal welche Behinderung, E-Rollifußball spielen kann?
Jasna Puskaric: Um E-Rolli Fußball spielen zu können, ist die Behinderung, im Prinzip, nicht ausschlaggebend. Wir haben Spielerinnen mit diversen Behinderungen. Das was aber wichtig ist, dass man den Rollstuhl gut unter Kontrolle hat. Wir haben sehr viele Spielerinnen mit hohen Behinderungen, die teilweise auch Atemgeräte benötigen. Und, das ist das tolle am E-Rolli Fußball. Man kann wirklich mit sehr starken Behinderungen auch diese Sportart ausüben.
Wichtig ist natürlich, dass man einen Überblick hat über das Spielfeld, dass man gut einschätzen kann, wann stehe ich am besten in welcher Position, und auch wichtig ist die Kommunikation im Team untereinander.
Katharina Müllebner: Wenn jetzt jemand zuhört, der sagt, oh, E-Rollifußball, das ist genau das Richtige für mich! Wo kann er das hier in Österreich machen?
Jasna Puskaric: Es gibt den Verein in Wien, der heißt ASKÖ, der bietet E-Rolli Fußball an. Was es auch noch in Wien gibt, das ist diverse Schulen, die mittlerweile eigene Teams haben. Mittlerweile gibt es auch Teams im Burgenland, in Oberösterreich, und es soll bald einmal ein Team in der Steiermark geben, in Graz.
Katharina Müllebner: Warum spielen Sie persönlich eigentlich E-Rollstuhlfußball? Was ist für Sie das Besondere an dem Spiel?
Jasna Puskaric: Für mich ist E-Rolli Fußball die einzige Sportart, die ich mit meiner Behinderung ausüben kann. Ich habe eine Behinderung, bei der ich meinen Körper kaum bewegen kann. Das, was ich allerdings sehr gut machen kann, ist den Rollstuhl lenken, und das ist eine der Voraussetzungen um E-Rolli Fußball spielen zu können. Das heißt, es ist die erste Teamsportart, bei der ich wirklich mit anderen Kollegen spielen kann.
Für mich ist spannendste am E-Rolli Fußball die Geschwindigkeit, wie schnell man mit dem Rollstuhl fahren kann, den Ball schießen kann, und dass das wirklich die erste Sportart ist, wo ich mit anderen Menschen mit einer sehr schweren Behinderung zusammenarbeiten kann.
[Überleitungsmusik]Katharina Müllebner: Jetzt werden die Herzen unserer Rapid-Fans höherschlagen. Daniel Krnjeta ist Kapitän des Special Needs- Teams von SK Rapid. Schon sehr früh hat Krnjeta, der eine Sehbehinderung hat, den Sport für sich entdeckt.
Daniel Krnjeta: Na ja, Fußball war eigentlich der Sport, den ich schon als Kind für mich entdeckt habe. Wir hatten das Glück, dass vor unserem Wohnhaus gleich ein kleiner Spielplatz war und da hat sich dann schon so in den Jahren war, wo ich alleine am Spielplatz gehen durfte, habe ich neben der Schule die meiste Zeit verbracht mit meinen Freunden und dem Ball. Also der Ball hat mich schon damals in den Bann gezogen.
Ja, irgendwann einmal kam dann eben der Wunsch auf, in einem Verein zu spielen. Das ging aber leider nicht wegen meinem schlechten Sehvermögen. Und irgendwann einmal in der, mit 16 Jahren bin ich dann das erste Mal mit dem Behindertensport in Kontakt getreten, allerdings beim Schwimmen. Dann später kam ich zur Leichtathletik und mit 26 dann erst wieder habe ich mit dem Fußballspielen begonnen und jetzt bin ich seit dreieinhalb Jahren eben beim SK Rapid Special Needs Team.
Katharina Müllebner: Herr Krnjeta, Sie sind also Kapitän des Special Needs-Team von SK Rapid. Was ist das Special Needs Team genau?
Daniel Krnjeta: Also wir sind ein Team, wo jeder Spieler ein Handicap hat. Wir haben Gehörlose und mental Behinderte. Mit mir sind wir zwei Sehbehinderte und so halt, also wir sind eine bunt gemischte Truppe und spielen gemeinsam Fußball. Derzeit haben wir einen Kader von 24 Spielern und fünf Trainern.
Wir bestreiten, immer wieder Spiele, Freundschaftsspiele, fahren zu Turnieren. Letztes Jahr wurde erstmalig auch ein Special Needs Team Turnier veranstaltet von Rapid, wo wir auch Mannschaften zu Gast hatten wie Ajax Amsterdam, Southampton und so. Und das wird es auch heuer geben.
Katharina Müllebner: Wie oft trainiert ihre Mannschaft eigentlich so?
Daniel Krnjeta: Also gemeinsam trainieren wir einmal in der Woche, wobei jeder Spieler auch einem Verein angehört des ÖBSV und somit auch außerhalb unseres gemeinsamen Trainings Sport macht.
Katharina Müllebner: Was mich jetzt am meisten eigentlich interessiert: Wie läuft so ein Spiel ihrer Mannschaft ab? Was sind dabei die größten Herausforderungen?
Daniel Krnjeta: Na ja, die größte Herausforderung, vor der wir standen, war einmal die Kommunikation, die ja sehr wichtig beim Fußballspielen ist. Das heißt, ich habe mir überlegen müssen, wie deute ich einem Gehörlosen, dass ich den Ball haben möchte oder dass ich den Ball abspielen möchte.
Ja, da haben wir halt sozusagen daran gearbeitet, und irgendwie, also ich mache es halt so, dass ich Handzeichen gebe aber auch Laute.
Weil mein Problem ist nämlich das, dass ich zwar die Spieler ganz gut sehe, also ich sehe, dass da wer steht, aber ich weiß nicht, ich sehe nicht, wer es ist, weil mir die Information einfach fehlt. Und so ist die Chance ziemlich groß, dass der mich hört oder sieht. Genau.
Und wenn ich den Ball habe, dann haben wir das so einstudiert unter Anführungszeichen, dass die mich einfach rufen, wenn sie freistehen, also wenn ein Spieler freisteht, dann ruft er, Daniel oder sowas, oder hier oder irgendwas, sodass ich mich orientieren kann, dass dort einer freisteht und den Ball abgeben kann. So ungefähr kann man sich das vorstellen.
Katharina Müllebner: Was ist denn das für ein Gefühl, für so einen Traditionsverein wie Rapid zu spielen?
Daniel Krnjeta: Das lässt sich leicht umschreiben mit großartig. Ja, das ist ein, also es ist sehr familiär und ich muss ehrlich gestehen, ich habe, seit ich bei Rapid spielen darf, sehr viel für mein Leben auch mitgenommen, allein schon dieser Slogan gemeinsam Kämpfen und Siegen, ich finde, da steckt sehr viel Wahres drinnen, weil man ja im Leben auch immer vor Hürden steht, die man halt jetzt bestreiten muss oder überwinden muss. Ja, also mir gibt das schon sehr viel Kraft und Zuversicht im Allgemeinen.
Und natürlich ist es halt so, dass wir sehr viel, ja jetzt klingt das blöd, sehr viel Anerkennung natürlich auch genießen, weil wer hat schon, wer kann schon von sich sagen, dass er bei Rapid spielen darf, nicht? Und ja, und im Speziellen, unser Team betreffend, ist es halt so, dass wir sehr viel Spaß miteinander haben, sehr nette Menschen kennenlernen mit Handicap und auch ohne, und ja, also ich hätte nie gedacht, dass sich das so in eine tolle Richtung entwickelt und dass Rapid und alle, also der Verein und alle, die an dem Projekt beteiligt sind, sowas Großartiges daraus machen.
Katharina Müllebner: Was sind denn die größten Erfolge die sie bisher mit Ihrer Mannschaft erlebt haben?
Daniel Krnjeta: Ein großer Höhepunkt war einmal ziemlich bald nach der Gründung des Teams, da durften wir zum Special Adventure Camp in die Schweiz reisen, das wir dann gleich gewonnen haben, das war sehr, ja, wie soll ich sagen, sehr erfreulich für uns. Und da haben wir wirklich gegen gute Teams gespielt wie Chelsea, Benfica Lissabon, FC Offenheim und so, also sehr, sehr große Clubs, die alle auch ein Special Needs Team haben.
Ein weiterer unvergesslicher Moment ist das Spiel, das wir bestreiten durften gegen das Special Needs Team von Chelsea bei der Stadioneröffnung des SK Rapid, wo wir vor einer großen Kulisse auch gespielt haben. Ja, das ist eigentlich eh so ziemlich das Unvergesslichste.
[Überleitungsmusik]Katharina Müllebner: Für mehr Hintergrundinformationen über das SK Rapid Special Needs Team ist er der richtige Mann:
Matthias Costa ist Fußballreferent des Behindertensportverbandes. Dieser Verband möchte möglichst viele Menschen mit Behinderungen für den Sport begeistern und sie in diesem Sinne dabei unterstützen.
Katharina Müllebner: Beschreiben Sie bitte mal in Ihren eigenen Worten was der Behindertensportverband so alles macht?
Matthias Costa: Die Aufgabe ist sehr breit gefächert. Da fängt es an bei der Ausbildung und zur Verfügung stellen, und finanzieren von Trainern, bis über Anschaffung von Materialien, sei es Fußbälle, E-Rolli Fußbälle sind ja nicht so, also, die sind in Österreich nicht erhältlich, oder die Fußgitter, die man braucht. Bis hin zur Begleitung von Sportlern, Rekrutierung von Sportlern, sei es in unseren Vereinen oder aus Personen in unserem Umfeld. Ja, bis auch zur Sportstättenorganisation, und auch Finanzierung.
Katharina Müllebner: Wir haben vorhin von Herrn Krnjeta und dem SK Rapid Special Needs Team gehört. Können Sie uns etwas zur Entstehung dieses Teams sagen?
Matthias Costa: Rapid ist 2014 an uns herangetreten, weil sie das Projekt hatten von ihrem General Manager angeführt – Werner Kuhn zu der Zeit – dass sie gerne ein Behinderten-Team auf die Beine stellen wollten. Das Besondere dabei war, dass dieses Team jetzt nicht wie im klassischen Behindertensport, also spartenmäßig, also zum Beispiel Sehbehindertenfußballer, oder CP-Fußballer, die alle in ihren eigenen Gruppen spielen – wollten sie eine Mannschaft haben, wo alle zusammenspielen können.
Ausgenommen die Blinden und die Rollstuhlfahrer, weil das, weil dafür die Struktur gefehlt hätte, und auch die Sicherheit der Spieler mit den anderen nicht gewährleistet werden hätte können. Somit hat dann die Partnerschaft begonnen. Zuerst waren wir beide sehr skeptisch wie das – also beide, sowohl Rapid als auch der Wiener Behindertensportverband – waren skeptisch, wie das funktionieren würde. Und, unsere Befürchtungen haben sich nicht bewahrheitet. Also, es war, es ist von Anfang an super gelaufen.
Also wir haben Spieler aus den verschiedenen Vereinen des Wiener Behindertensportverbandes rekrutiert, wobei da jetzt nicht die besten, nach den besten Spielern gesucht wurden, sondern nach den, wie ich sage einmal, den schillerndsten Figuren, den heißen Rapid-Anhängern, die wir da in unserem Rahmen haben, also, in unserem Vereinsbetrieb hatten. Da waren also von sehr starken Spielern bis weniger starken Spielern war da wirklich alles dabei. Und die Mischung hat das Ganze sehr spannend gemacht.
Wir haben am Anfang angefangen mit, da waren acht mentalbehinderte Spieler, zwei Gehörlose, zwei Spieler mit CP [Anmerkung: Abkürzung für Zerebralparese], zwei sehbehinderte Spieler, und zwei Burschen mit Down-Syndrom. Also es war ein buntgewürfelter Haufen. Und sage ich jetzt einmal, sehr liebevoll. Und die Partnerschaft hat halt darin bestanden, dass Rapid einen Trainer, wie, sowie die Sportstätte, das Equipment, Trainingsutensilien alles zur Verfügung gestellt haben, und wir die Sportler und die Betreuung der Sportler, und auch einen Trainer an meiner Person.
Katharina Müllebner: Was würden Sie persönlich sagen: Wie hat sich das Team bisher entwickelt?
Matthias Costa: Das Projekt ist jetzt schon in seiner vierten, in der vierten Saison – ist das Ganze schon sehr verschmolzen und sehr intim geworden. Und, als integrierter Bestandteil der Rapid-Nachwuchsakademie sesshaft geworden. Also, wir trainieren auf den gleichen Plätzen wie die Jungstars von morgen. Wir ziehen uns in den ganz gleichen Garderoben um. Wir sind alle gut befreundet. Es ist schon eine richtig gute Synergie, und eine gute Stimmung, von der wir alle profitieren.
Unsere Jungs profitieren natürlich von der professionellen Einstellung der Rapid-Spieler. Und die Rapid-Spieler profitieren natürlich von unserem, von, von dem, was sie, unsere Spieler ihnen lernen. Das sind die Überwindungen im Alltag, wie spiele ich, wenn ich den Ball nicht sehe, oder wie kommuniziere, wenn ich nicht höre, oder wie erkläre ich, oder wie breche ich eine Übung so weit runter, dass es auch jeder verstehen kann. Und diese Wechselwirkung, die ist mittlerweile ein Erfolgsprojekt geworden, und ja, und auch richtig gut im Verein angesehen.
Katharina Müllebner: Für all jene Zuhörer und Zuhörerinnen, die vielleicht selber darüber nachdenken in den Sport zu gehen: Was macht denn Ihrer Meinung nach einen guten Sportler oder eine gute Sportlerin aus?
Matthias Costa: Ein guter Sportler und eine gute Sportlerin muss natürlich viel Freude bei der Sache haben. Man muss sie aber natürlich auch konsequent nachgehen. Man muss diszipliniert trainieren. Man muss einen regelmäßigen Rhythmus in seinem Alltag leben, der natürlich gesund ist und auf seine Trainingspläne, und seinen Trainingsalltag muss man sich halt voll einstellen, und dem unterordnen.
Katharina Müllebner: Sehen Sie eigentlich einen Zusammenhang zwischen Sport und Inklusion?
Matthias Costa: Ja, natürlich. Ich glaube, man sagt ja “Sport überwindet Barrieren”. Und das gilt natürlich in jedem Bereich. Vom Sprachlichen, sowie im Kulturellen, sowie auch physische Barrieren, oder sonstige. Es ist ein gemeinsamer Raum, wo man sich spielerisch – ja, im Großen – also, spielerisch zueinander findet und miteinander lernt auszukommen, und gemeinsam einer sportlichen Tätigkeit auszuüben.
Katharina Müllebner: Wir haben vorhin über Sport und Inklusion geredet. Im Zusammenhang mit Inklusion hört man ja auch immer wieder menschenrechtlichen Aspekte, die UN-Konvention zum Beispiel. Was denken Sie, hat Sport einen menschenrechtlichen Aspekt?
Matthias Costa: Ja, natürlich. Sport ist auch in der UN-Behindertenrechtskonvention verankert, im Artikel 30. Recht auf Teilhabe auf kulturelles Leben, Freizeit und Sport.
Dazu kann ich sagen, ich habe neulich, also, ich habe letztes Jahr meine Masterarbeit abgeschlossen, wo es darum gegangen ist, Fußball für Menschen mit Behinderung als Menschenrecht. Und im Zuge dessen hatten wir, habe ich einen Fragebogen entwickelt, der an unsere Sportler hier in Wien gegangen ist, in Wien und in Österreich. Und da ging es um Sachen, wie ist mein allgemeiner Gesundheitszustand, wie ist der, wenn ich Fußball spiele, wie ist mein Selbstwertgefühl, wenn ich Fußball spiele, wie ist meine, wie ist meine Mobilität seitdem ich Fußball spiele, wie ist der soziale Umgang?
Das alles natürlich, das alles von den verschiedenen Artikeln der UN-Behindertenrechtskonvention, wie Recht auf Gesundheit, Recht auf Mobilität, Recht auf Leben und, Leben und Freiheit, Recht auf Erholung und Freizeit. Und all diese Fragen wurden mit über 90-prozentiger Auswertung, oder Beantwortung, positiv beantwortet. Aus dem Sinn, ich glaub Fußball, also Sport und Fußball ist natürlich als Menschenrecht zu sehen.
Katharina Müllebner: Gibt es in Österreich eigentlich noch andere Mannschaften außer dem SK Rapid Special Needs Team wo Menschen mit Behinderungen spielen können?
Matthias Costa: Wir haben… Es gibt ja die verschiedenen Special Needs Team, die schon erwähnten. Also, Rapid hat eins, die Wiener Austria hat eins, SKN St. Pölten hat eins, in Altach ist auch eine Mannschaft, die spielt. Weiters haben wir im Verband zwei Ligen.
Eine Fußballliga, Kleinfeldfußball für Menschen mit mentalen Beeinträchtigungen und eine Futsal Liga für gehörlose Menschen. Dazu kommen da zusätzlich die verschiedenen Auswahlteams, wie im Sehbehindertenfußball, wie im Fußball für Menschen mit Zerebralparese, oder Bewegungs- und Koordinationsstörungen.
Wir haben seit kurzen eine Mannschaft für Fußballer, eine sehr engagierte Mannschaft für Fußballer mit Down-Syndrom. Wir haben ein Team mit blinden Fußballern, und blinden Fußballerinnen. Und Kindermannschaften, Vereinintiativen mit Kindern haben wir auch.
[Überleitungsmusik]Katharina Müllebner: Jetzt haben wir einen kleinen Einblick in die Welt des Fußballs der Menschen mit Behinderungen bekommen. Eine Welt, in der es um die Faszination und die Liebe zum Spiel geht. Um Mannschaftsgeist und um Bewegung der Bewegung willen. Und es zeigt sich auch, dass es viele Arten gibt, einen Ball zu bewegen. Es muss nicht immer der Fußtritt sein.
Für mehr Hintergrundinformationen zu unserer heutigen Sendung besuchen Sie unsere Website www.barrierefrei-aufgerollt.at
Das war „Tor! – Wir spielen Fußball!“aus der BIZEPS-Sendereihe „barrierefrei aufgerollt“.
Vor dem Mikrofon war zu hören: Katharina Müllebner
Für die Technik: Markus Ladstätter
Und unser Mann in der Redaktion: Martin Ladstätter
Unsere nächste Sendung gibt es am 1. April um 10:30 Uhr auf Radio ORANGE 94.0
Musik mit Text: barrierefrei aufgerollt – kurz, kompakt und leicht verständlich
Ich muss gestehen, dass ich nicht die ganze Sendung gehört habe, aber das was ich gehört habe, klang echt spannend. Ich werde mir bei Gelegenheit auf jeden Fall auch noch den Rest anhören 🙂
Viele Grüße aus Hannover